DER FERNE KLANG – Nürnberg, Staatstheater

von Franz Schreker (1878-1934), Oper in drei Aufzügen, Libretto vom Komponisten, UA: 18. August 1912, Frankfurt am Main, Opernhaus

Regie: Gabriele Rech, Bühne: Dirk Becker

Dirigent: Philipp Pointner, Nürnberger Philharmoniker, Chor des Staatstheaters Nürnberg, Jugendchor des Lehrergesangvereins, Choreinstudierung: Edgar Hykel

Solisten: Astrid Weber (Grete), Michael Putsch (Fritz), Klaus Brummer (Herr Graumann), Angelika Straube (Frau Graumann), Teresa Erbe (altes Weib/Spanierin/Kellnerin), Guido Jentjens (Dr. Vigelius/Baron), Jochen Kupfer (Graf/Schmierenkomödiant/Rudolf), Dariusz Siedlik (Wirt), u.a.

Besuchte Aufführung: 30. April 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Der junge Komponist Fritz und Grete lieben sich, doch Fritz flieht in die Welt hinaus um den fernen Klang zu finden. Gretes betrunkener Vater hat seine Tochter im Spiel an den Wirt verloren. Grete weigert sich, ergreift die Flucht. Dabei begegnet sie dem alten Weib, einer Kupplerin. Jahre vergehen, Grete ist in Venedig eine gefeierte und von den Herren begehrte Halbweltdame. Doch kann sie ihren geliebten Fritz nicht vergessen. Als Grete ihr Herz demjenigen verspricht, der es mit seinem Lied am tiefsten rühren kann, gewinnt ein zufällig anwesender Komponist. Grete erkennt ihren Fritz, er ist aber von ihr zutiefst enttäuscht. Fünf Jahre später treffen sie sich nach der durchgefallenen Premiere der Oper von Fritz wieder. Fritz kann endlich den fernen Klang hören, doch er stirbt in Gretes Armen.

Aufführung

Der erste Akt spielt zunächst vor dem Elternhaus Gretels, am Gartenzaun trifft sie sich mit Fritz. Nach einem Umbau bei geschlossenem Vorhang sieht man das nüchterne Innere des Hauses – hier versucht die Wirtshausgesellschaft Gretel gestenreich zu verkuppeln. Ein seltsam geschwungener Leuchter dominiert die Zirkusarena des 2. Aktes. Im Vordergrund befindet sich die Arena mit den Sperrsitzen, im Hintergrund befindet sich vor dem Schlußprospekt mit den Rängen ein Podium mit einer schwarz befrackten Kapelle. Von einer Schaukel und einem Karussell-Pferdchen führt Gretel im weißen Artistengewand die Diskussion mit einer schwarz maskierten Gesellschaft. Das alte Weib sitzt wie eine Südstaatenlady mit schwarzem Kleid und Steckfrisur aus dem vorvergangenen Jahrhundert auf einem Schaukelstuhl und kommentiert von dort die Situation.  Der dritte Akt beginnt in einer grauen Wartehalle, hier sitzen die Trinker aus dem ersten Akt und treffen auf die Orchestermusiker mit großen Instrumentenkoffern. Zum zweiten Bild des dritten Aktes wird dem Bahnsteig nur eine Laterne, ein Stationsschild und eine beleuchtete Fahrplantafel hinzugefügt. Die Verwandlung dauert aber sehr lange und ist viel zu laut.

Sänger und Orchester

Astrid Weber ist ein hochdramatischer Sopran in der Endausbaustufe. Verhaltene Töne sind Ihre Sache nicht. Daher ist es auch kein Wunder, daß sie die jugendliche Gretel im I. Akt und das dekadente Klasseweib im 2.Akt nicht wirklich gestalten kann, sondern mit Macht und Gewalt hinter sich zu bringen sucht. Was Ihre Sache ist, ist der dritte Akt: Den dramatischen Höhepunkt beim Wiedersehen zwischen Gretel und Fritz kann sie bis zum furiosen Finale auskosten. Ihr Gegenspieler Michael Putsch als Fritz kann da kaum mithalten: Zu zurückhaltend und zu schwach ist er und wirkt besonders in der Höhe nicht frei. Ganz anders die Nebenrollen: Gegen Jochen Kupfer als Graf kann sich Michael Putsch nie behaupten – Kupfer ist viel zu selbstsicher und ausdrucksstark (besonders in den Höhenlagen). Bemerkenswert ist seine Gestaltung der Ballade des Grafen. Stimmlich fühlte sich Guido Jentjens (Dr. Vigelius) in den tiefen Lagen deutlich wohl und konnte auch die dramatischen Ausbrüche und seelischen Abgründe wortgewaltig gestalten.

Garant dieser musikalisch überzeugenden Produktion, die eine Verbindung zwischen dem Endpunkt der Spätromantik und dem Expressionismus herstellt, ist ohne Zweifel Philipp Pointner. Er sorgt für Eindrücke über Eindrücke, brausend, erschütternd, flammend, ruhelos. Schade nur, daß der Auftritt der Zigeunerkapelle im Bordell so musikalisch farblos unauffällig war.

Fazit

Es ist ohne Zweifel eine Sternstunde für das Orchester unter Philipp Pointner. Es wird fast ohne Striche gespielt, z.B. ist das besonders exstatische Zwischenspiel zum letzten Bild zu hören. Was zählt da schon, daß Pointner zwei Buh-Rufe für den Vorwurf bekommt, zu laut gewesen zu sein. Vielmehr muß man konstatieren, daß die beiden Hauptdarsteller über weite Strecken nicht in der Lage waren das Orchester zu übertönen. Schließlich kamen die Nebenrollen im Schlußapplaus deutlich besser weg. Ebenso zurückhaltend der Applaus für die Inszenierung, die zumindest nicht störte. Lediglich der Gnadentod für Fritz durch Grete (Sie drückt ihm Mund und Nase zu) wirkte mehr als befremdlich.

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Die Wirtshausgesellschaft versucht mit magischen Gesten Grete zu verkuppeln.

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