PROSERPINA – Wuppertal, Opernhaus

von Wolfgang Rihm (1952), Monodram in einem Akt nach Johann Wolfgang von Goethe, UA: 2. Mai 2009, Schwetzinger Festspiele
Regie: Hans Neuenfels, Regiemitarbeit: Beate Baron, Bühne: Gisbert Jäkel, Kostüme: Elina Schnizler,
Dirigent: Florian Frannek, Sinfonieorchester Wuppertal, Damen des Opernchores der Wuppertaler Bühnen, Choreinstudierung: Jens Bingert
Solisten: Elena Fink (Proserpina), Christian Natter (Atropos, Pluto), Andreas Jähnert (Klotho), Sascha Jähnert (Lachesis)
Besuchte Aufführung: 11. April 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
Die nichts ahnende Proserpina wird von Pluto in die Unterwelt entführt. Dort durchlebt sie Erinnerungen an verschiedene Stationen in ihrem Leben: Jugend, Mutter und Vater. Auf dem Höhepunkt ihrer Verzweiflung entdeckt sie einen Paradiesapfel. Durch den Biß in den Apfel besiegelt sie unwissend ihr Schicksal: Sie darf die Unterwelt nicht mehr verlassen und ist nun die neue Königin der Parzen, die ihr huldigen.
Aufführung
Hans Neuenfels plaziert das Geschehen in der Unterwelt in einen Raum, der zeitlos-klassisch eingerichtet ist. Vier Schiebewände sorgen für Möglichkeiten der räumlichen Umgestaltung. Zudem werden einige Gegenstände im Laufe der Oper auf die Bühne gebracht, die auf den ersten Blick keinen Sinnzusammenhang ergeben, wie z.B. ein gigantischer Stöckelschuh, eine riesige Fledermausattrappe oder ein gynäkologischer Untersuchungsstuhl. Lediglich nach dem ersten Sinnabschnitt der Oper wird für kurze Zeit die Bühne durch eine Wand verschlossen, die nur ein kleines Fenster freiläßt. Die Kostüme sind hingegen zeitgenössisch gestaltet, wobei zu Teilen auch groteske Utensilien verwendet werden wie ein Topf als Hut. In dieser Kulisse inszeniert der Regisseur Proserpina als Stellvertreterin für alle unterjochten Frauen. Doch diese Proserpina akzeptiert ihr Leid nicht einfach, sondern lehnt sich dagegen auf. Zu diesem Zwecke werden drei männliche Personen in die Handlung integriert. Zur Verdeutlichung dieser Zusammenhänge greift Neuenfels zeitweise zu sehr drastischen Darstellungen.
Sänger und Orchester
Die etwa siebzigminütige Solopartie verlangt Elena Fink (Proserpina) alles ab. Ohne Pause muß sie komplexeste Melodien mit über vier Oktaven Umfang vortragen und zwischen den verschiedenen Stimmregistern wechseln. Dabei scheint ihr an Ausdrucksnuancen von trauriger Klage bis zu harscher Auflehnung alles zu gelingen. Daß die stimmliche Forcierung, die ein Gang oder Sprung in die Höhe nötig macht, ihr vereinzelt vielleicht ein wenig zu stark gerät, kann den guten Gesamteindruck nicht trüben. Eine beeindruckende Leistung! Das begleitende Wuppertaler Sinfonieorchester unter der Leitung von Florian Frannek präsentiert sich als zurückhaltender Begleiter, der den Ausdruck der Solopartie um zahlreiche Nuancen erweitert und vertieft. Bei den verschiedenen Klangfarben, die aus dem Orchestergraben zu hören sind, wird eine Entwicklung deutlich. Besonders das Schlagwerk hat viel zu leisten und präsentiert auch vertrackte Rhythmen stets mit Präzision. Rihms neueste Opernproduktion ist ein Werk, welches mit den musikalischen Traditionen vorheriger Jahrhunderte spielt. Es erklingt z.B. ein Zitat aus Mozarts Zauberflöte, ein Stück aus der Arie der Königin der Nacht. Generell wirkt die Komposition, auch durch das Spiel mit musikalischen Formen vergangener Epochen, traditioneller als frühere Werke Rihms. Auch die drei Schauspieler Andreas Jähnert (Klotho), Sascha Jähnert (Lachesis) und Christian Natter (Atropos, Pluto) wußten zu gefallen mit ihrer Bühnenpräsenz. Leider war in einigen Situationen jedoch auch nicht zu erkennen, wieso die Schauspieler eine bestimmte Aktion durchführen: Das minutenlange Dauerzucken auf Krankenliegen war zwar beeindruckend anzusehen, eine Funktion innerhalb des Stückes war jedoch nicht zu erkennen.
Fazit
Eine verstörend wirkende Co-Produktion der Wuppertaler Bühnen mit den Schwetzinger Festspielen. Musik und Schauspiel kamen gut an, doch schied sich die Publikumsmeinung an der Inszenierung: Während einige Besucher das Opernhaus bereits während der Vorführung verließen, gab es nach dem Schluß der Oper viel Applaus, auch für die Regie. Es ist wohl eine Frage des Geschmacks, ob einem diese Produktion gefallen wird oder nicht: Permanentes Lecken von Damenschuhen und eindeutige sexuelle Anspielungen sind sicherlich nicht jedermanns Sache. Schade, da so die Musik ein wenig aus dem Fokus gerät. Dennoch musikalisch eine überaus gelungene Produktion, die deshalb besonders Freunden der zeitgenössischen Musik ans Herz gelegt sei.

Malte Wasem

Bild: Stratmann
Das Bild zeigt: Proserpina (Elena Fink) findet keine Erlösung.

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