LUCIA DI LAMMERMOOR – Augsburg, Theater Augsburg

von Gaetano Donizetti (1797 – 1848), Oper in drei Akten, Libretto vom Salvatore Cammarano. UA: 1835 in Neapel
Regie: Yona Kim, Bühne: Etienne Pluss, Kostüme: Nadine Grellinger
Dirigent: Kevin John Edusei, Philharmonisches Orchester Augsburg, Chor und Extrachor des Theaters Augsburg, Choreinstudierung: Karl Andreas Mehling
Solisten: Sophia Brommer (Lucia), Seung-Gi Jung (Enrico Ashton), Ji-Woon Kim (Edgardo di Ravenswood), Seung-Hyun Kim (Lord Arturo Bucklaw), Per Bach Nissen (Raimondo Bidebent), Stephanie Hampl (Alisa), Roman Payer (Normanno)
Besuchte Aufführung: 10. April 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
Zwei schottische Adelsfamilien sind miteinander verfeindet und der Besitz der Ravenswood ist fast völlig in den der Familie Lammermoor übergegangen. Die Schwester des Lord Henry Ashton von Lammermoor verliebt sich in den letzten Erben von Ravenswood, Sir Edgardo. Trotz der Gefahr treffen sich Lucia und Edgardo täglich. Vor Edgardos Abreise nach Frankreich tauschen sie die Ringe und schwören sich ewige Treue. Lucias Bruder beabsichtigt sie mit dem wohlhabenden und politisch einflußreichen Arturo Bucklaw zu vermählen. Es gelingt ihm, seinen Plan mit List sowie der Hilfe des Priesters Raimondo, wie auch seines Freundes Normanno durchzusetzen. Doch seine unglückliche Schwester tötet ihren Gatten Arturo noch während der Hochzeitsnacht. Dem Wahnsinn verfallen erlebt Lucia in ihrem Wachtraum die kirchliche Trauung mit ihrem geliebten Edgardo. Zu spät erfährt der sie noch liebende Edgardo von Lucias Tod.
Aufführung
Die Bühne ist in ihrer Größe reduziert und nur wenig beleuchtet. Links befindet sich eine Harfe. In der Mitte der Bühne steht ein beweglicher Holzüberbau, in dem auch ein Brunnen sich befindet. Große herabhängende Netze sind zu sehen. Sonst bleibt das Bühnenbild leer und wird nur von den anwesenden Darstellern und ihren Kostümen räumlich bestimmt. Die Gewänder sind schlicht, gedeckt in den Farben. Der Chor vertritt durch ausschließlich männliche Kleidung eine von maskulinen Prinzipien dominierte Welt. Lucias Einsamkeit fällt dadurch auf. Nach ihrem Mord an Arturo trägt Lucia seine Hose. Es werden aber noch andere Sinne angesprochen: Weihrauch wird verströmt, sobald der Priester Raimondo in Erscheinung tritt. Die Charaktere von Ashton oder Raimondo sind auf einige wenige negative Eigenschaften reduziert, diese noch überspitzt gezeichnet. Die Anweisung im Libretto, Lucia zum Stuhl zu führen, wird so befolgt, daß Lucia unter dem Stuhl hervorsingt.
Sänger und Orchester
Alle Sänger der Hauptrollen gewähren eine exzellente Durchführung und überzeugen mit ihrer Ausdruckskraft. Besonders zu erwähnen ist hier die Titelheldin. Sophia Brommer (Lucia) singt ihre melodiereichen Belcantolinien mit ihrem vibratoarmen, klaren und perfekt intonierendem Koloratursopran. Zudem verbindet sie ihre Stimmleistung stets mit der notwendigen dramatischen Darstellung. Mit der wohlklingenden Harfenbegleitung verzaubert Sophia Brommer das Publikum mit ihrer Wärme und ihrem Temperament im zweiten Bild des ersten Akts mit der Kavatine Regnava nel silenzio – Im tiefen Schweigen lag die Nacht. Sie bringt Lucias glühende, schamlose Leidenschaft in ihrer Wahnsinnsarie am Ende des zweiten Akts spielerisch und gesangstechnisch zum Glänzen. Seung-Gi Jung (Ashton) verkörpert das Böse, singt brillant, spielt ausdrucksstark. Ji-Woon Kim (Edgardo) verdient Applaus nicht nur für seine vorteilhafte Verkörperung von Lucias Liebhaber, er begeistert das Publikum auch von Anfang an mit seiner farbreichen, durchsetzungskräftigen Stimme. Per Bach Nissen (Raimondo) ist als Priester stimmlich und spieltechnisch überzeugend. Das Orchester spielt einfühlsam, steht im Dialog mit den Sängern und drängt sich nicht auf, könnte jedoch an spannungsreichen Stellen noch etwas zurückhaltender sein. So wurde Roman Payers (Normanno) Gesang übertönt. Karl Andreas Mehling und die Chöre verdienen Anerkennung für die ausgezeichnete Ausführung ihrer Partien. Kevin John Adusei führt das Philharmonische Orchester zusammen mit dem Sängerensemble wie auch den Chören zu einem homogenen Ganzen zusammen und hält die Spannung bis zum Ende aufrecht.
Fazit
Das sparsame Bühnenbild gestattete der Musik, gestalterisch zu wirken, gab aber auch den Sängern und dem Chor dadurch eine große Verantwortung. Alle Aufmerksamkeit des Publikums galt dem Geschehen auf der Bühne. Yona Kims Inszenierung setzte den Schwerpunkt auf die Psychologisierung der Geschlechterrollen und ihre geschichtliche Stellung und übertrieb es im Gebrauch frauenverachtender Elemente. Die Auseinandersetzung mit dem tragischen Werk Donizettis wurde vom Publikum gewürdigt.

Ruta Akelyte Hermann

Bild: A. T. Schaefer
Das Bild zeigt: Sophia Brommer (Lucia) und Ji-Woon Kim (Edgardo di Ravenswood)

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