LA PÉRICHOLE – Berlin, Komische Oper

von Jacques Offenbach (1819-1880), Opéra-bouffe in 3 Akten, Libretto: Henri Meilhac und Ludovic Halévy, UA: 6. Oktober 1868, Théatre des Variétés, Paris

Regie: Nicolas Stemann, Bühne: Katrin Nottrodt, Kostüme: Marysol del Castillo

Dirigent: Markus Poschner, Orchester der Komischen Oper Berlin

Solisten: Karolina Gumos (Périchole), Johannes Chum (Piquillo), Roger Smeets (Don Andrès), Peter Renz (Graf Miguel de Panatellas), Günther Papendell (Don Pedro de Hinoyosa), Andreas Döhler (Alter Gefangener)

Besuchte Aufführung: 6. Juni 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Im Königreich Peru herrschen Verarmung und Verzweiflung. Der Hof versteht es jedoch, die Wirklichkeit zu vertuschen. Als sich der Vizekönig an seinem Geburtstag inkognito unters Volk begibt, trifft er auf die Straßensängerin Périchole, die ihrem Unmut freien Lauf läßt. Der Vizekönig, von ihrer Schönheit gebannt, bietet ihr einen Platz als „Ehrendame“ an. Périchole verabschiedet sich mit einem Brief von ihrem Geliebten Piquillo, der seine Verzweiflung in Alkohol ertränkt. Da der König von gesetzeswegen jedoch nur verheiratete Frauen an den Hof holen darf, wird nun eine Zwangsheirat zwischen den mit Alkohol gefügig gemachten Piquillo und Périchole herbeigeführt. Tags darauf wird Piquillo, der sich an nichts erinnert, mit den neusten Ereignissen konfrontiert. Als ihm dann Périchole als Angetraute und gleichzeitig auch als Mätresse des Königs präsentiert wird, endet alles in einem Amoklauf. Piquillo und Périchole werden eingesperrt, doch schließlich gelingt beiden die Flucht.

Aufführung

Die Aufführung beginnt mit dem Erscheinen eines französischen revolutionären Freiheitskämpfers, der als „gutes Gewissen der Gesellschaft“ auf die politische Situation zur Zeit der Entstehung des Stückes verweist und das Paradox von komischem Handlungsgeschehen und realem damaligen Kriegsgeschehen (1870/71) versinnbildlicht. Diese im ursprünglichen Libretto nicht existente Figur wird von der Regie als „Störfaktor“ eingesetzt, der ununterbrochen mit politischen Parolen die Szenen sprengt, um sich zum Schluß in den Kerkernachbarn Piquillos zu verwandeln. Wer diese Inszenierung mit den Erwartungen eines herkömmlichen Operabends besucht, wird von der Verwandlung der Périchole in ein zum überwiegenden Teil gesprochenes Variététheaterstück im Stil der 1970er Jahre mit nur sehr wenigen sängerischen Einlagen mehr als überrascht sein. Das Bühnenbild variiert zwischen einer Revuebühne mit bunten Lichterketten, einem goldenen Käfig und dem direkt auf der Bühne positionierten Orchester. Unter den Kostümen findet sich als Kontrast zu den farbenfrohen, glitzernden Kleidern und Anzügen mit Lack- und Lederapplikationen, die stilistisch zwischen Variététheater und Rocky-Horror-Picture-Show stehen, die alltagsentlehnte Kleidung des Chores oder der BSR-Anzug des Vizekönigs, der inkognito unterwegs ist. Erwähnenswert ist in jedem Fall der nahezu durchgehende Einsatz von Don Pedro de Hinoyosa und Graf Miguel de Panatellas, die, ausgestattet mit Mikrophonen, als moderierende Kommentatoren sprechend durch die Szenen führen.

Sänger und Orchester

Wie bereits erwähnt, besteht die aktuelle Umsetzung von Offenbachs Périchole überwiegend in gesprochenem Text. Somit ist beispielsweise eine gesangliche Charakterisierung der beiden „Moderatoren“ Peter Renz als Graf Miguel de Panatellas und Günther Papendell (Don Pedro de Hinoyosa) nur sehr schwer zu treffen. Zwar gestalteten beide ihre gesprochenen Partien sehr überzeugend mit schauspielerischem Talent, doch mangelt es in den kurzen sängerischen Partien im ersten Akt an rhythmischer Koordination. Dagegen stehen Johannes Chum in der Rolle des Piquillo sowie Karolina Gumos als Périchole. Chum gelingt es, in seiner Klagearie in der Kerkerszene des dritten Aktes mit einer warmen, vollen, aber trauererfüllten Stimme seiner Liebesverzweiflung ebenso Ausdruck zu verleihen, wie Karolina Gumos in ihrer „Briefarie“ des ersten Aktes.  Auch Roger Smeets verkörpert den Vizekönig von Peru, Don Andrès, mit einer Mimik und Gestik, die das Komische dieser Figur nachdrücklich zur Geltung bringt (wie z.B. in der Brautvorführung im zweiten Akt). Mit herausragendem Eifer präsentiert Andreas Döhler die Figur des Revolutionärs bzw. „Alten Gefangenen“. Bei jedem Eingreifen in die Szenen gelingt es ihm, den Eindruck zu vermitteln, als wäre er ein glühend überzeugter französischer Freiheitskämpfer. Das Orchester der Komischen Oper Berlin unter der Leitung von Markus Poschner leistete an diesem Premierenabend eine durchgehend präzise Arbeit im Hinblick auf Intonation und Rhythmus und schuf einen ausdifferenzierten, farbenreichen Klang.

Fazit

Insgesamt wurde der Abend vom Publikum sehr unterschiedlich aufgenommen: Dem begeisterten Applaus stand eine ebenso große Zahl von Buhenden gegenüber, teilweise wurde der Saal schon während der Vorstellung verlassen, doch mangelte es auch nicht an Beifall zwischen den Szenen.

Friederike Jurth

Bild: Iko Freese/drama-berlin.de

Das Bild zeigt: Karolina Gumos (Périchole) und Ensemble

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