Idomeneo – Köln, Oper

von Wolfgang A. Mozart (1756-1791) Tragédie lyrique in drei Akten, Libretto: Giambattista Varesco, UA: 29. Januar 1789, München

Regie: Floris Visser, Bühne: Frank Philipp Schlößmann, Kostüme: Gideon Davey, Choreografie: Pim Veulings, Licht: James Farncombe

Dirigent: Rubén Dubrovsky und das Gürzenich-Orchester Köln

Solisten: Sebastian Kohlhepp (Idomeneo), Anna Lucia Richter (Idamante), Kathrin Zukowski (Ilia), Ana Maria Labin (Elettra), Anicio Zorzi Giustiniani (Arbace), John Heuzenroeder (Gran Sacerdote)

Besuchte Aufführung: 17. Februar 2024 (Premiere)

Kurzinhalt

Idomeneo, der König von Kreta, gerät auf der Rückkehr aus dem Krieg mit Troja in einen heftigen Sturm. Um sein Leben zu retten, verspricht er dem Meeresgott Neptun ein Opfer, nämlich den ersten Menschen, den er in Kreta an Land trifft. Das ist ausgerechnet sein Sohn Idamante. Auf Kreta hat Idamante sich in Ilia, die Tochter des trojanischen Königs, verliebt. Elettra, die Tochter des Griechenkönigs Agamemnon, ist ebenfalls und hofft darauf, Idamante heiraten zu können. Arbace, Berater von Idomeneo, rät dem König, Idamante mit Elettra zu verheiraten und nach Argos zu schicken. Doch ein Sturm verhindert die Abreise. Idamante will sich als Held opfern, um Neptun zu besänftigen, doch Ilia kommt dazwischen und gesteht ihm ihre Liebe. Eine Stimme erklärt den Bann für gelöst, wenn Idomeneo als König zurücktritt und dafür Idamante und Ilia als Königspaar herrschen. Elettra hat nun alles verloren.

Aufführung

Während der Ouvertüre wird eine Gummizelle gezeigt, in der ein alter verrückter Mann Zeichnungen von Neptun an die Wände malt. Später öffnen sich die Wände der Gummizelle und geben den Blick auf die Bühne frei, die eine Felsenattrappe zeigt. Der Boden ist mit Sand bedeckt. Die Handlung wird in die Moderne verlegt, die trojanischen Flüchtlinge, so auch Ilia, werden als Türken dargestellt, durch eine türkische Flagge, die neben der griechischen gehisst wird. Die Kostüme der Hauptdarsteller sind elegant und in gedeckten Tönen gehalten: Ilia und Elettra tragen schlichte schwarze Kleider, Idamante einen Anzug. Die Inszenierung arbeitet mit vielen blutrünstigen Effekten, wie blutüberströmten Kriegsopfern und Zombies, die aus ihren Gräbern aufsteigen. Der alte Mann aus der Ouvertüre entpuppt sich im Laufe der Aufführung als ältere Version von Idomeneo, der über seine Kriegstraumata verrückt geworden ist und wandelt in allen Akten verloren über die Bühne. Ebenso erscheint durchgängig ein dunkel gekleideter Mann mit einer Axt auf der Bühne, der Idomeneo heimsucht.

Sänger und Orchester

Mit einem ruhigen und konzentrierten Dirigat leitet Rubén Dubrovsky das Orchester durch die Ouvertüre. Zu Beginn werden die Streicher etwas von den Bläsern übertönt, aber immer mehr entwickelt sich in allen Instrumenten ein majestätischer Klang. Der tragische Inhalt der Oper wird durch die dynamischen Stimmungswechsel, die eine verheißungsvolle Atmosphäre andeuten, gut antizipiert. Unter den Frauenstimmen sticht Kathrin Zukowski (Ilia) durch ihren glockenklaren, lyrischen Sopran hervor, den sie von Anfang an bestens unter Kontrolle hat und ohne Anstrengung durch die Koloraturen und Triller jagt. Ihre Verzweiflung über die Gefangenschaft als Flüchtling verdeutlicht sie besonders gut im ersten Akt: hier legt sie sich, trauernd um ihren Vater, auf den Boden, während sie die Arie Padre, germani, addio! – Vater, Brüder, lebt wohl! im sotto voce und mit ausgesprochen klarer Intonation singt. Anna Lucia Richter (Idamante) singt die Kastratenrolle des jungen Prinzen mit einem warmen, dunkel gefärbten Mezzo und betont dabei besonders ihre Verliebtheit durch kokettierende Gesten. In der Arie Non ho colpa, e mi condanni – Mich trägt keine Schuld und ihr verdammt mich singt sie sich in Rage und zeigt ihre ganze Wut auch stimmlich durch das gekonnte Anschwellen in der Höhe und markantes Volumen in der Bruststimme. Ebenso überzeugt Ana Maria Labin (Elettra) mit ihrem warmen Sopran, der ein sehr metallisches Timbre aufweist, besonders in den dramatischen Arien. Sowohl in ihrer Arie im ersten Akt, als sie die Furien des Hades besingt, als auch in ihrer letzten Arie zeigt sie vollen stimmlichen Einsatz und singt wie besessen mit weit aufgerissenen Augen. Unter den Männerstimmen ist Sebastian Kohlhepp (Idomeneo) mit seinem kraftvollen, scheppernden Tenor mit Abstand der beste Sänger. Er spielt den König als verwirrten, von Traumata befallenen Herrscher und taumelt mit weit aufgerissenen Augen über die Bühne. Die Verzweiflung und Angst ist ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, dabei singt er mit unglaublich viel Volumen und sehr akzentuiert die Arie Fuor del mar – Dem Meer entronnen und läßt seine Stimme in den Spitzentönen glänzen – wofür es vom Publikum auch schallenden Applaus und Bravo-Rufe gibt. Anicio Zorzi Giustiniani (Arbace) zeigt mit seinem hellen, metallischen Tenor, den er sehr akzentuiert einsetzt, als Berater und Stütze für Idomeneo ebenfalls eine sehr solide Leistung. Erwähnenswert ist auch die Leistung des Chores, der einige Einsätze hat und einige Male durch einen sehr intensiven und durchdringenden Gesang für eine unheimliche Atmosphäre auf der Bühne sorgt.

Fazit

Eine düstere Inszenierung, die einige Gänsehautmomente bietet. Die Rahmenhandlung schafft es, die Aktualität des Stücks hervorzuheben, da der Fokus auf der Grausamkeit des Kriegs und dessen psychologischen Auswirkungen liegt. Etwas weniger Effekthascherei hätte es aber auch getan. Musikalisch ist der Abend absolut hochkarätig besetzt. Alle Sänger und Sängerinnen sind stimmgewaltig und transportieren die wunderschöne Musik von Mozart in die Moderne. In Verbindung mit dem Chor und dem Orchester ergibt das ein perfektes Gesamtbild. Da bleiben keine Wünsche mehr offen!

Melanie Joannidis

Bild: Sandra Then

Das Bild zeigt: Sebastian Kohlhepp (Idomeneo), Anna Lucia Richter (Idamante)

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