Oldenburg, Staatstheater – DIE WELT AUF DEM MOND

von Joseph Haydn (1732-1809) und Günter Steinke (geb. 1956), Libretto: Carlo Goldoni (1707-1793)/Wolfgang Deichsel (geb. 1939), Dramma giocoso in drei Akten (Haydn/Goldoni (1750)), Kammeroper in zwei Akten und Prolog (Steinke/Deichsel)
UA: 3. August 1777, Opernhaus, Schloß Eszterházy
Regie: Sebastian Ukena, Bühne: Astrid Kutschale, Video: Andreas Etter, Licht: Ernst Engel, Dramaturgie: Katharina Orthmann
Dirigent: Thomas Dorsch
Solisten: Derrick Ballard (Bohnsack), Sarah Papadopoulou (Clarice), Lisa Carlioth (Flaminia), Verena Allertz (Lisetta), Daniel Ohlmann (Astradamus), Paul Brady (Ernst), Thomas Burger (Chicco)
Besuchte Aufführung: 13. Dezember 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
oldenburg-die-welt-auf-dem.jpgDer Unternehmer Bohnsack will nicht, daß seine beiden Töchter Flaminia und Clarice heiraten, da er sie lieber mit reichen Männern verheiraten will. Ernst und Astradamus sind dabei nicht seine erste Wahl. Damit Astradamus Clarice trotzdem ehelichen kann, gaukelt er Bohnsack eine Welt auf dem Mond vor, auf dem sich junge Mädchen für ältere Herren interessieren und Eisen gegen Gold getauscht werden kann. Natürlich läßt Bohnsack sich darauf ein und die Hochzeit findet auf dem falschen Mond statt. Als Bohnsack bemerkt, daß das ganze nur eine Farce war, entscheidet er sich, statt sauer zu sein, dafür, die Mondwelt zu vermarkten und einen Luna-Park zu eröffnen.
Vorbemerkung
Die Fassung der Oper, die hier aufgeführt wird, kann als Etikettenschwindel bezeichnet werden. Hier wurde die Oper nicht neu verfaßt, sondern hinsichtlich Musik und Botschaft gänzlich zerstört. Auch der Text (es wird in Deutsch gesungen) wurde stark verändert, zwischen den Arien finden sich gesprochene und gereimte Passagen. Alleine die Verballhornung der Namen läßt auf eine sehr flache Fassung der Oper schließen. Die Musik Haydns ist insgesamt kaum noch zu erkennen.
Aufführung
Auf der Bühne steht eine Maschine, dahinter hängt ein Flickenvorhang. Drähte und Kabel hängen rechts vom Vorhang. Auf der rechten Seite der Bühne sieht man eine türkisblaue Sitzgelegenheit. Die Kostüme sind ein Stilmix aus altmodisch und modern. So trägt Ernst eine karierte Jacke, Clarice eine blaue Bluse und einen Faltenrock samt gelben Strümpfen. Astradamus (bei Haydn: Ecclitico) ist in ein übergroßes türkises Jackett gekleidet und hat die Haare als Elvislocke frisiert. Durch goldene Helme mit einer Antenne kann die Welt auf dem Mond gesehen werden. Diese wird für den Zuschauer über eine Leinwand dargestellt. Darauf ist ein Mond zu sehen, der sich mit einem weiblichen Auge überlagert. Das Orchester spielt versteckt auf der linken Seitenbühne hinter dem Bühnenbild. Bohnsack wird mittels einer Bong betäubt, Sexspielzeug wird aus Bohnsacks (bei Haydn: Buonafede) Taschen auf die Bühne geworfen. Am Ende des ersten Aktes ziehen sich die Darsteller, wie es oft in Opern-Inszenierungen dieses Theaters zu sehen, auf der Bühne um. Im zweiten Akt trägt Chicco Springerstiefel und schwarzen Lippenstift, Paul Brady einen Fliegerhelm mit überdimensionaler Brille. Flaminia ist mit Glitzerjacke und Skistiefeln ausgestattet. Die Welt auf dem Mond wird mittels einer großen weißen Treppe dargestellt.
Sänger und Orchester
Da das Orchester hinter dem Bühnenbild nahezu verschwand, nahm man es oft nur sehr leise wahr. Die Sänger erbrachten eine durchaus souveräne Leistung. Sarah Papadopoulou sang die von Haydn komponierten Koloraturen trotz vorher angekündigter Erkältung sicher und überzeugte auch in der Höhe. Auch Paul Brady führte Koloraturen und Triller mehr als zufriedenstellend aus. Die musikalische Leistung der Darsteller war, wenn auch im zweiten Akt zu leise, durchweg passabel, jedoch fiel es schwer, aufgrund der musikalischen Änderungen durch Steinke, sich weiter für den Gesang zu begeistern. Zudem schienen die gesprochenen und gereimten Passagen (kommen bei Haydn nicht vor) überhand zu nehmen. Die Reime wurden darüber hinaus, mit Ausnahme von Daniel Ohlmann, von allen Darstellern zu stark betont, so dass ein Verstehen schier unmöglich war.
Fazit
Wer neuer Musik nicht abgeneigt und für einen Klamauk auf der Bühne zu haben ist, der kann sich die „Oper“ ansehen. Es wäre redlicher, wenn das Opernhaus in seiner Homepage darauf hinweisen würde, daß nur Weniges von Haydns Musik und Goldonis Libretto übrig geblieben ist. Denn aus der Ankündigung geht nicht direkt hervor, daß die Bearbeitung durch Steinke derart massiv die Musik verändert. Sänger, Orchester und Regieteam bekamen vom Publikum zwar viel Applaus, jedoch konnte ich bei Gesprächen mit einigen Zuschauern wenig Begeisterung beobachten. Zumindest hat die Inszenierung in mir die Lust geweckt, nun eine Aufführung der echten, von Haydn komponierten, Oper zu sehen.

N. Rank
Bild: Andreas J. Etter
Das Bild zeigt: Henry Kiichli (Bohnsack, vorne liegend), Thomas Burger (Chicco, vorne stehend), Lisa Carlioth (Flaminia, Dame blond), Verena Allertz (Lisetta, Dame braun), Daniel Ohlmann (Astradamus, im Hintergrund)

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