Zürich, Opernhaus – DIE FRAU OHNE SCHATTEN

von Richard Strauss (1864 – 1949), Oper in drei Akten; Text von Hugo von Hofmannsthal, UA: 1919 Wien
Regie: David Pountney
Dirigent: Franz Welser-Möst, Orchester der Oper Zürich, Chor, Kinderchor und Jugendchor der Oper Zürich
Solisten: Emily Magee (Kaiserin), Roberto Sacca (Kaiser), Birgit Remmert (Amme), Reinhard Mayr (Geisterbote), Janice Baird (Baraks Weib), Michael Volle (Barak), Sandra Trattnigg (Hüter der Schwelle, Stimme des Falken), u.a.
Besuchte Aufführung: 13. Dezember 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
zurich-frosch.jpgDie Kaiserin der südöstlichen Inseln stammt aus dem Feenreich. Noch gehört sie nicht ganz zu den Menschen, denn sie wirft keinen Schatten und kann keine Kinder empfangen. Ihrem Gatten droht darum die Verwandlung in Stein. Ihre Amme, die sich zum Ziel gesetzt hat, sie wieder zurück in das Feenreich zu bringen, macht sich mit ihr auf in die Menschenwelt, zu dem Färber Barak und seiner jungen Frau. Auch sie haben keine Kinder, allerdings deshalb, weil die Färbersfrau es nicht will. Die Amme versucht, der Färbersfrau ihren Schatten und damit ihre Fruchtbarkeit abzukaufen, doch die Kaiserin schreckt davor zurück, ihr Glück mit dem Leid anderer zu erkaufen und erlöst durch ihren Verzicht ihren Mann und das Färberehepaar.
Aufführung
David Pountney bebildert mit kräftigem Pinselstrich die Szenen analog den Anweisungen Hofmannsthals. So entstehen, auch durch die Choreographie, phantastische Bilder. Beispielsweise am Ende der Oper, wenn sich die Geisterwelt durch die Menschwerdung der Kaiserin auflöst und sich Menschen und vermenschlichte Geister um die Suppenschüssel Baraks versammeln. Neben diesem Schlußbild existieren noch drei andere Bühnenbilder: Zum einen eine absurde Geisterwelt, in der Falken an Wänden herumklettern und Kugeln Schatten werfen. Hier treffen sich Kaiser und Kaiserin an einem Falkenkäfig, in dem Kinderpuppen liegen. Dem entgegen steht zum anderen die Menschenwelt des Färbers, eine Handwerker-Wohn-Werkstatt vom Anfang der Industrialisierung in Europa. Die Gestaltung erinnert dabei stark an die Nibelungenwelt des Ring in der berühmten Bayreuther Inszenierung von 1976 von Patrice Chéreau und Richard Peduzzi oder an Milieuschilderungen wie in Les Misérables. Nachdem diese beiden Welten zusammengebrochen sind, finden sich Bruchstücke daraus chaotisch angeordnet auf einer Drehbühne wieder. Hier treten die ungeborenen Kinder als Kinderchor auf. Auch der Falke bleibt allgegenwärtig und ist wohl als Symbol der Liebe zwischen Kaiser und Kaiserin zu deuten.
Sänger und Orchester
Franz Welser-Möst führt das Orchester der Oper Zürich gewohnt souverän durch die mystischen Abgründe der Partitur – daß diese Oper auch musikalisch eine Zauberoper ist, wird dabei deutlich. Auch die Sänger werden den hohen Anforderungen gerecht. Roberto Sacca ist ein lyrischer Tenor, der wie einst Heinz Kruse in gleicher Rolle als Kaiser stimmliche Durchschlagskraft beweist. Emily Magee hat keine Probleme mit den lyrisch strahlenden Höhen der Kaiserin, aber im dramatischen Bereich fehlt ihr etwas Glanz. Das fällt besonders im direkten Vergleich der gemeinsamen Auftritte mit der Amme, gesungen von Birgit Remmert, auf, die ein ungeheueres Ausdrucks- und Gestaltungsvermögen an den Tag legt. Die düstere Beschreibung des Ein Tag bricht an ist als Referenzbesetzung zu bezeichnen! Das gleiche kann man auch von der Leistung Michael Volles als Barak sagen. Neben dem Beckmesser wird dies sicherlich seine zweite Glanzrolle. Beispielhaft ist der hysterische Ausdruck in seinem Mein Aug ist verdunkelt. Janice Baird als Färbersfrau kann überzeugend mithalten und vermag ihre keifenden Momente stimmlich ausgezeichnet zu gestalten. Beindruckend ist auch, wie gut die Nebenrollen und die Chöre – besonders der Kinderchor – besetzt sind. Die hohen Bässe der Stimmen der Wächter der Stadt und die Auftritte der ungeborenen Kinder sind hier an erster Stelle zu nennen.
Fazit
Hier ist einer der wenigen Fälle gegeben, in denen Musik und Bühnenbild nicht nur zusammen passen, sondern sich auch ästhetisch auf gleicher Höhe bewegen. Das gilt sowohl hinsichtlich der Qualität als auch der Ausdruckskraft. Eine noch bessere Gestaltung der Musik wäre nur in einer Studioaufnahme möglich. Das Premierenpublikum feierte einhellig Sänger, Dirigenten und Regie mit Ovationen, besonders das Färberpaar Janice Baird und Michael Volle und die Amme Birgit Remmert wegen ihrer überragenden musikalischen und schauspielerischen Leistung. Der Rollenwechsel von Roberto Sacca vom italienischen ins deutsche Wagner- und Straussfach ist mehr als vielversprechend. Szenisch erfüllt David Pountney die Erwartungen des Publikums, das eine farbenprächtige Märchenoper zu sehen bekam, präsentiert von einer glänzend arrangierten Sängerschar.
Oliver Hohlbach

Bild: Suzanne Schwiertz
Das Bild zeigt: Die ausdrucksstarke Amme (Birgit Remmert) wird zum Rapport in die dunkle Geisterwelt gerufen.

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