Basel, Stadttheater – LA GRANDE-DUCHESSE DE GEROLSTEIN

Operette von Jacques Offenbach (1819-1880), Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
Regie: Christoph Marthaler, Bühnenbild: Anna Viebrock, Kostüme: Sarah Schittek, Licht: Hermann Münzer, Dramaturgie: Brigitte Heusinger, Malte Ubenauf
Dirigent: Hervé Niquet, Kammerorchester Basel, Chor des Theater Basel, Choreinstudierung: Henryk Polus
Solisten: Anne Sofie von Otter (Großherzogin), Norman Reinhardt (Fritz), Agata Wilewska (Wanda), Christoph Homberger (General Boum), Rolf Romei (Prinz Paul), Karl-Heinz Brandt (Baron Puck), Ueli Jäggi (Privatsekretär), Jürg Kienberger (Pressesprecher), Bendix Dethleffsen (Pianist), Raphael Clamer (Waffen- und Notenhändler), Altea Garrido (Botschafterin), Carina Braunschmidt (Honorarkonsulin), Karin Gamboni (Boutiqueangestellte), Martin Zeller (Continuo)
Besuchte Aufführung : 20. Dezember 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
basel-la-grande-duchesse.jpgFritz, ein Soldat, liebt Wanda. Sein Vorgesetzter General Boum ist von diesem Verhältnis nicht begeistert. Als die Gräfin von Gerolstein ihrem Regiment einen Besuch abstattet, wirft sie ein Auge auf Fritz und ernennt ihn zum General. Siegreich kehrt Fritz zurück und erbittet von der Gräfin die Vermählung mit Wanda. In der Hochzeitsnacht werden Intrigen von (Ex)-General Boum und der eifersüchtigen Gräfin geschmiedet, um Fritz zu degradieren. Doch am Ende bekommt mehr oder weniger jeder das, was er will.
Aufführung
Das Theater Basel präsentiert eine sehr eigenwillige Interpretation der Grande-Duchesse. Das Bühnenbild zeigt im unteren Teil zwei Geschäfte: links eine Boutique, rechts ein Waffengeschäft. Darüber erstreckt sich ein zweigeschossiges Foyer mit Sofa, Bar und einem Klavier. Wenn die Schauspieler nach und nach die Bühne betreten, ist noch kein Orchester zu sehen. In aller Gemütlichkeit füllt sich dann auch der Orchestergraben, alle Musiker tragen olivfarbenes Soldatenoutfit. Kaum eine Nummer wird ohne Unterbrechung dargeboten. Fritz wird von zwei Motiven aus dem Parsifal begleitet, Satzfragmente werden in Dauerschleife wiederholt, viele pantomimische Einlagen ebenfalls. Vom zweiten und dritten Akt erklingen fragmentartig zwei Nummern, ansonsten besteht die nur noch vom Klavier begleitete Musik aus Fragmenten von Werken Brahms’, Händels und Bachs. Die eigentliche Handlung spielt kaum eine Rolle, vielmehr werden einzelne Bruchstücke patchworkartig aneinandergereiht. Während sich die Duchesse im Waffengeschäft zwischen zwei Gewehre kuschelt, findet die Vorstellung nach zwei Stunden (ohne Pause) auf den Gesang des Bonne nuit – Gute Nacht ein frühzeitiges Ende.
Sänger und Orchester
Zuallererst sei der Pianist erwähnt, der ab dem Ende des ersten Aktes die alleinige musikalische Verantwortung trug. Die Spannweite des Repertoires reichte vom pompösen Meistersinger-Vorspiel zu Beginn bis zum besinnlichen Choraleinschub Vom Himmel hoch, da komm ich her. Das Orchester hatte allerdings durchgehend mit leichten Intonationsschwierigkeiten zu kämpfen. Dem Dirigenten gelang nicht immer ein stabiles Miteinander von Sängern und Musikern. Christoph Homberger (General Boum) brachte seine Arie mit Chor A cheval sur la discipline – zu Pferd mit Disziplin martialisch und überzeugend über die Bühne. Norman Reinhardt (Fritz) sang den Walzer Allez, jeunes filles –Auf, junge Mädchen mit einfühlsamer Tenorstimme. Ebenso schwärmerisch gab sich Agata Wilewska als Wanda am Ende des Duetts Au diable la consigne – Zum Teufel mit der Vorschrift, beide zusammen stellten ein sängerisch eindrucksvolles Liebespaar dar. Anne Sophie von Otter (Großherzogin) glänzte mit Ah! Que j’aime les militaires – Ah, wie ich die Soldaten liebe. Mit ihrem geschmeidigen Timbre, kräftig in der Tiefe, sanft in den Höhen sorgte sie beim Publikum für Begeisterung. Jedoch schien an diesem Abend der musikalische Höhepunkt weniger bei Offenbach zu liegen. Ergreifend sang sie begleitet von Klavier und Violoncello das Piangerò la sorte mia – Ich werde mein Schicksal beweinen aus Händels Giulio Cesare.
Fazit
Ein Opernabend, an dem die Musik eigentlich nicht die zentrale Rolle spielt. Gezielt wurde auf einen konventionellen Handlungsablauf verzichtet, beinahe könnte man von einer beabsichtigt harschen Kritik am Regietheater sprechen. Ein anfänglicher Ausruf Ist hier ein Regisseur im Saal? legt dies jedenfalls nahe. Was bleibt, ist wenig Offenbach und viel Marthaler, wenig Musiktheater und viel Schauspiel. Vom Zuschauer wird viel Aufmerksamkeit abverlangt, Theater für Fortgeschrittene sozusagen.
Daniel Rilling

Bild: T+T Fotografie Tanja Dorendorf
Das Bild zeigt: Darsteller v.l.n.r. : Ueli Jäggi, Anne Sofie von Otter, Altea Garrido, Karl-Heinz Brandt, Carina Braunschmidt, Christoph Homberger

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