Hänsel und Gretel – Oper Köln, Staatenhaus

von Engelbert Humperdinck (1854-1921), Märchenoper in drei Akten, Libretto: Adelheid Witte nach dem Märchen der Gebrüder Grimm

UA: 23. Dezember 1893 Weimar, Hoftheater

Dirigent: François-Xavier Roth, Gürzenich-Orchester Köln, Kinderchor, Knaben und Mädchen der Kölner Dommusik

Regie: Béatrice Lachaussée, Bühne und Kostüme: Dominique Wiesbauer, Licht Andreas Grüter, Video: Grégoire Pont, Co-Videodesign: Xavier Boyer, Choreographie: Annika Wiessner, Dramaturgie: Georg Kehren

Solisten: Miljenko Turk (Peter, Besenbinder), Judith Thielsen, (Gertrud, Peters Weib), Anna Lucia Richter (Hänsel), Kathrin Zukowski (Gretel), Dalia Schaechter (Knusperhexe), Ye Eun Choi (Sand- und Taumännchen)

Besuchte Aufführung: 19. Dezember 2021 (Premiere)

Kurzinhalt

Hänsel und Gretel, die Kinder eines armen Besenbinders, sollten ihre Aufgaben im Hause erledigen. Stattdessen machen sie aber lieber Unsinn. Plötzlich kommt die Mutter herein. Sie sieht wie die Kinder spielen statt ihre Haushaltsaufgaben zu erledigen. Sie ist wütend und schickt sie zum Erdbeerensuche in den Wald. Als der Vater nach Hause kommt und erfährt, daß sie die Kinder zum Beerensuche in den Wald geschickt hat, erinnert er sie daran, daß dort die die böse Knusperhexe wohnt. So war es dann auch. Beide Kinder haben sich im Wald verirrt. Sie schlafen ein. Am Tag danach sehen sie plötzlich ein Lebkuchenhaus von dem sie naschen. Da taucht die Knusperhexe auf, versetzt beide in eine Starre und nimmt sie mit ins Haus. Hänsel wird gemästet und Gretel muß im Haushalt helfen. Doch dann soll Gretel gebacken werden. Als dann Gretel und die Hexe nebeneinander am Ofen stehen, gelingt es Gretel, sie ins Feuer zu stoßen. Damit werden die beiden Kinder und auch alle andere Kinder befreit, die die Hexe in Tiere verwandelt hatte. Zum Schluß ist die Familie wieder glücklich vereint.

Aufführung

Ein Holzhaus steht mit der Schmalseite auf der rechten Bühnenseite. Die rote Tür ist geschlossen. Davor spielen Hänsel und Gretel. Hänsel trägt Pullover, hellbraune Stoffhose, Turnschuhe und Mütze, Gretel einen Wollrock und weißem Pullover sowie weißen Stiefeletten. Sie tanzen und spielen um die Tische, Stühle und vor einer Waschmaschine. Diese sind ähnlich wie Campingmöbel. Die Mutter kommt im Sturmschritt mit langen blonden Haaren, weißer Bluse und Schürze sowie Wolljacke auf die Bühne. Über dem Hintergrund, bedruckt mit „Freizeitparadies“ und „Dreamland“, einem Lederjacke mit weißem Pelzkragen und grauer Stoffhose kommt der Besenbinder. Die Fassade des Knusperhäuschens ist halbrund, begrenzt von bunten Glühbirnen. Rechts und links der mächtigen Haustür, die bis an das Dach reicht, gibt es zwei Fenster mit jeweils zwei Läden. Unter den Fenstern sieht man braune Kinder mit halblangen blonden Haaren. Sie lächeln mit großen, hellen Augen und weißen Zähnen.

Die Knusperhexe hat leuchtend rote Perücke, ausladend nach rechts und links, ist allein schon furchteinflößend. Sie versetzt die Kinder in eine Starre, mit der sie sie in ihr Knusperhäuschen verfrachtet.

Sänger und Orchester

Mit großem Feingefühl leitet Generalmusikdirektor François-Xavier Roth das gut vorbereitete Gürzenich-Orchester. Eindrucksvoll setzt er Piano- und Fortestellen behutsam nebeneinander. Hier sind die Trompeten einige Male überlaut, was auch an meinem Platz in der sechsten Reihe liegen konnte. Die nuancenreiche romantische Musik wurde unter Roths Leitung ein Hörgenuß.

Die beiden Kindersolisten Anna Lucia Richter als Hänsel und Kathrin Zukowski als Gretel mußten in ihrer Darstellung viele Kapriolen der Choreographie gestalten, die auf Dauer ermüdend wirkten.

Anna Lucia Richters (Hänsel) Mezzosopranstimme ist innig und fröhlich, was ihre unbeschwerte Haltung gut unterstreicht. Die Wortverständlichkeit ist gut vernehmlich. Aber bei seiner Partnerin fehlt sie ziemlich. Andererseits hat diese eine gut geführte Stimme und an manchen Stellen besitzt sie sogar Dolcezza (Süße und Sanftheit). Leider aber ist ihre Artikulation nicht von der Art, die Worte – wie schon erwähnt – zu verstehen und ist oft froh darüber, daß der Text in der Übertitelung gut zu verfolgen ist. Ähnliches ist bei Judith Thielsen (Peters Weib) anzumerken. Aber wiederum Miljenko Turk (Peter) zuzuhören ist eine reine Freude. Sein Singen ist vollendet artikuliert, und deutlich sind die Worte verständlich; dabei versteht er es, der Musik im An- und Abzuschwellen, wie vorgegeben ihr Dynamik zu verleihen.

Schließlich die Knusperhexe, Dalia Schaechter. Ihre Gesangslinie ist herrisch und drohend. Doch die Gretel ist auf der Hut und sorgt dafür, daß die Knusperhexe endlich im Feuerofen landet, so daß beide Geschwister und all die anderen Kinder, die sie schon früher eingepfercht hatte, befreit sind. Und als die beiden Eltern schließlich dazukommen, ist der Freude kein Ende. Genauso reagiert das Publikum in seiner Freude über das glückliche Ende. Es freute sich mit den befreiten Kindern auf der Bühne und auch mit allen Kindern, die dieser Aufführung im Saal mucksmäuschenstill beigewohnt hatten. Alle klatschten frenetisch und trampelten schließlich auf eine Weise, daß man Bange hatte, die Staatenhalle in Köln Deutz würde zusammenbrechen.

Fazit

Nicht oft wird diese sehr deutsche Oper aufgeführt. Gleich nach ihrer Uraufführung 1893 wurde sie in vielen Städten und Ländern aufgeführt, allerdings nicht in Frankreich. Es kam erst am 16. April 2013 zur Aufführung in der französischen Hauptstadt. Diese Vorstellung wurde in OPERAPOINT 3/2013 besprochen.

Durch diese, seine erste Oper Hänsel und Gretel, wurde Engelbert Humperdincks bekannt und berühmt. Zuvor hatte er von Richard Wagner viele Anregungen zur Komposition bekommen, was bei ihm aber zunächst zu einer kompositorisch unproduktiven Zeit führte, die er schließlich mit dieser Märchenoper beenden konnte. Was diese Oper aber auszeichnet, ist ihre ganz im deutschen Wesen wurzelnde Herkunft. Man sollte daran erinnern, daß es damals durch ein schnelles Anwachsen der Bevölkerung zu Hungersnoten kam. Humperdinck berücksichtigte eben auch das Geschehen in seiner Heimat. Für mich war es interessant, daß man in der Oper Köln die Aufführung einer Französin anvertraute. Die Regisseurin Béatrice Lachaussée machte die Inszenierung allgemein gut, aber es fehlte der Aufführung mit sehr vielen Szenenbildern durch Videoaufnahmen an Wärme. Die Premiere wurde enthusiastisch geklatscht. Sehenswert ist sie allemal.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Paul Leclaire

Das Bild zeigt: Die neugierigen Kinder Hänsel (Anna Lucia Richter) und Gretel (Kathrin Zukowski) vor dem Knusperhäuschen.

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