Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2019

Merope

von Riccardo Broschi (1698-1756), Dramma per musica in drei Akten, Libretto: Apostolo Zeno, Neuedition von Giovanna Barbati und Alessandro De Marchi, UA: 1732, Turin

Regie und Choreographie: Sigrid T‘Hooft, Bühne/Kostüme: Stephan Dietrich

Dirigent und Cembalo: Alessandro De Marchi, Innsbrucker Festwochenorchester, Corpo Barocco (Ballett Truppe)

Solisten: Anna Bonitatibus (Merope, Königin von Messenien), Carol Allemano (Polifonte, Tyrann von Messenien), David Hansen (Epitide, Sohn Meropes, genannt Cleon), Vivica Genaux (Trasimede, Vorsitzender des Rates von Messenien), Filippo Mineccia (Anassandro, Vertrauter Polifontes), Arianna Vendittelli (Argia, Prinzessin von Ätolien), Hagen Matzeit (Licisco, Botschafter von Ätolien).

Besuchte Aufführung: 11. August 2019, Tiroler Landestheater

Vorbemerkung

Innsbruck, die drittgrößte Stadt Österreichs, ist Einstiegspunkt zum Brenner an der Inntalautobahn, die Tiroler Küche ist überall empfehlenswert und bezahlbar. Seit 2010 ist Alessandro De Marchi Leiter der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, von 1997 bis 2009 war René Jacobs der Leiter. Neben der Betreuung der Opernproduktionen und kleiner Konzert-Produktionen wie Oratorien, Liederabende, ist De Marchi als Juror des Internationalen Cesti-Gesangswettbewerbs für Barockoper tätig. Dieser Wettbewerb fördert den dringend benötigen Nachwuchs an Barockstimmen – schon um den Eigenbedarf decken zu können.

Spielorte: Der rechteckige Spanische Saal im Renaissance-Schloß Ambras vor den Toren Innsbrucks, das den Tiroler Landesfürsten und seit 1363 den Habsburgern als Residenz diente, ist ein monumentaler Konzertsaal mit herausragender Akustik, hat aber nur 380 Plätzen. Der barocke Innsbrucker Dom hat die typische Kirchenakustik mit langem Nachhall – auch wenn sich die Musiker dicht um den Altar gruppieren. Die großen Opernproduktionen finden im Landestheater mit historisierender Fassade statt –  mitten im historischen Zentrum gegenüber der Hofburg. Es entspricht, hinsichtlich Bühnentechnik und Zuschauerraum mit 750 Plätzen, den heutigen Gepflogenheiten. Viele weitere Spielorte wie Kirchen oder der Riesensaal in der Hofburg sind sehenswert, aber klein und manchmal akustisch knifflig.

Im Landestheater hebt sich der Vorhang über der Oper Merope von Riccardo Broschi. Sie wurde 1732 am Teatro Regio in Turin uraufgeführt. Dabei sang in dieser Uraufführung der heute wesentlich bekanntere Bruder Riccordos: Carlo Broschi – genannt Farinelli. Dieser sang in der Uraufführung die Rolle des Epitide. Zwei Arien daraus sind als Farinelli-Arien bekannt, das Stück versank schon nach wenigen Jahren im Fundus der Musikgeschichte: Chi non sente al mio dolore – Wer empfindet nicht für meinen Schmerz (letzte Arie des 1. Aktes) und Se pensare potessi – Wenn ich glauben würde, daß ich es könnte aus dem zweiten Akt.

Die Handlung spielt auf einem mystischen Teil des Peloponnes: in Messene, der Hauptstadt Messeniens, regiert König Cresfonte mit seiner Gattin Merope. Polifonte, wie Cresfonte vom Geschlecht der Herakliden, läßt den König und zwei seiner Kinder von Anassandro (dem Anführer der Leibwächter der Königin) ermorden, um selbst an die Macht zu kommen. Als einziges Kind von Cresfonte und Merope überlebt Epitide den Mordanschlag, weil er in der Fremde bei Tideo, dem Herrscher von Ätolien, weilt. Polifonte schiebt die Tat Merope in die Schuhe, die daraufhin ihren Regierungsanspruch verliert und den Thron Polifonte überlassen muß. Bedingung für Polifontes Thronbesteigung ist allerdings sein Versprechen, Cresfontes jetzt noch minderjährigen Sohn Epitide, sobald dieser aus der ätolischen Gefangenschaft bei Tideo entlassen werden wird und nach Messene zurückkehrt, zum König zu machen. Polifonte versucht zur Absicherung seiner Anrechte auf den Thron die Königswitwe Merope zu überzeugen ihn zu heiraten. Merope willigt zwar ein, erbittet sich aber eine zehnjährige Frist bis zur Hochzeit, in der Hoffnung, daß Epitide doch noch zurückkehre und seinem Vater auf den Königsthron folge. Epitide hat sich währenddessen in Ätolien mit Tideos Tochter Argia verlobt. Als Polifonte dies erfährt, läßt der Tyrann Argia gewaltsam entführen. Mit ihr als Pfand hofft er, eine Auslieferung von Epitide zu erzwingen.

Doch auch Tideo hat einen Plan und entsendet den Botschafter Licisco, der Polifonte die Nachricht überbringen soll, daß Epitide tot sei. Polifonte plante bereits die Beseitigung von Epitides, dem es aber gelang, der Ermordung zu entgehen und unerkannt – unter dem Decknamen Cleon (er soll Epitide. also sich selbst, laut seiner Legende getötet haben) – nach Messenien zurückzukehren: genau rechtzeitig, um einen monströsen Eber zu töten, dadurch als Dank die Hand der Prinzessin Argia zu erhalten sowie die Heirat zwischen Merope und Polifonte zu verhindern. Denn die Zehn-Jahres-Frist war abgelaufen, sodan die Unschuld seiner Mutter zu beweisen, seinen verräterischen Onkel verurteilen zu lassen, selbst den Thron zu besteigen und die ätolische Prinzessin zu heiraten.

Diese Handlung wurde von Apostolo Zeno in ein Libretto gefaßt, die Musik von Riccardo Broschi ist nur sparsam überliefert, die Partitur enthält nur das Grundgerüst. Für Aufführungen wurde von Kopisten für die jeweils verfügbaren Instrumente die Noten hinzugefügt. Eine einzige Arie ist vollständig instrumentiert erhalten, mit Oboen, Trompeten, Streichern und Continuo. Es ist Epitides große Arie im zweiten Akt. Ansonsten mußte De Marchi und Giovanna Barbati in die Kopistenrolle schlüpfen, in den Proben die entsprechenden Instrumente auswählen und sich für die richtigen orchestralen Farben entscheiden.

Zusätzlich kommt noch eine Besonderheit hinzu, wie es im Barock üblich war: Zu jedem Aktschluß gibt es eine Balletteinlage, deren Musik von gerade verfügbaren Komponisten genutzt wurde. Die Choreographie wurde nach den Möglichkeiten der anwesenden Ballettcompagnie ausgewählt. So gab es Huldigungen an den Fürsten oder an das Brautpaar wie Maskenbälle.

In Innsbruck geht es um die Wurst des erschlagenen Ebers und um eine Apotheose auf den neuen Landesvater zum Finale. In Turin um 1730 war der französische barocke Tanzstil üblich, also wählt De Marchi nach dem ersten und dritten Akt Tanzmusik von dem französischen Komponisten und Tänzer Jean-Marie Leclair als Einlage aus.

Das Einlage-Ballett im zweiten Akt stammt von Carlo Alessio Rasetti, einem italienischen Choreographen und Komponisten. Die musikalische Umsetzung dieser neu erstellten Partitur ist ein Erfolg auf allen Ebenen. So gelingt es Alessandro De Marchi mit dem neu aufgestellten Innsbrucker Festwochenorchester Hervorragendes zu liefern. Jede mögliche Dynamik wird verfolgt, jede harmonische Regung wird herausgekitzelt. Man spielt auf historischen Streichinstrumenten, die tiefer gestimmt sind, verwendet Blechblasinstrumente ohne Ventile, das Holz klingt kräftiger und ein Cembalo unterstützt die Rezitative. Da ersteht die musikalische Klangwelt des Barocks wieder.

Aber auch die Solisten dieser Produktion sind in der Welt des Barock zu Hause. Bei der Uraufführung sang neben Farinelli noch ein weiterer Kastrat. Es war der Soprankastraten Francesco Bilancioni  in der Partie des Trasimede. Die beiden Männerrollen Anassandro und Licisco werden von Caterina Giorgi und Maria Caterina Bussolona mit tiefengelegenen Sopranstimmen gesungen. Bei der Aufführung wird Trasimede von einer Frau gesungen, Anassandro und Licisco hingegen sind mit zwei Countertenören besetzt. Nur die Argia ist damals wie heute mit einer lupenreinen Sopranistin besetzt.

Sänger und Orchester

Die Mezzosopranistin Anna Bonitatibus gewinnt der Rolle der Merope die Züge einer Grande Dame ab. Ihr sängerisches Gestaltungspotential ist groß bzw. die Erfahrungen mannigfaltig.

Der Countertenor David Hansen als Epitide, wird natürlich an dem mystischen Farinelli gemessen. An der riesigen Reichweite in der Höhe und Tiefe des Farinelli kann er nicht heranreichen – sofern wir das heute überhaupt ermessen können – er bemüht sich aber mit enormer Virtuosität und eleganter Stimmführung dies auszugleichen. Die beiden Farinelli-Arien singt er mit eleganter Gestaltungskraft. Für die brillantesten vokalen Glanzlichter der Aufführung (und den meisten Schlußapplaus!) sorgen der Countertenor Filippo Mineccia als Anassandro mit seiner strahlenden, natürlich klingenden und technisch überlegenen Ausnahmestimme, sowie die lupenrein intonierende, mit ihren Klangkaskaden Harmonie verströmende Sopranistin Arianna Vendittelli als Argia. Ebenso hingebungsvoll die Mezzosopranistin mit samtweicher Stimme Vivica Genaux als Trasimede. Der letzte auf der Liste ist der Countertenor Hagen Matzeit als Licisco, der aus dieser Nebenrolle einen funkensprühenden Auftritt macht.

De Marchi hatte versprochen, daß ihm der Nachweis gelingt, daß diese Merope zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Der Nachweis ist mit dieser musikalischen Umsetzung bereits gelungen, und mit der szenischen Umsetzung gelingt eine Sternstunde für die barocke historische Aufführungspraxis. Damit wird der Nachweis erbracht, wie wichtig die Tage der alten Musik in Innsbruck sind. Diese sehenswerte szenische Umsetzung liegt in den Händen von Sigrid T‘Hooft. Das beginnt schon bei den monumental prunkvollen barocken Kostümen, die den historischen Mustern genau entsprechen oder von ihnen abgeleitet sind. So entspricht das Kostüm des Epitide genau dem Kostüm des Farinelli in dem Film Farinelli, der auf einen Originalentwurf des Kostüms aus der Uraufführung zurückgeht.

Die Personenführung der Sänger, die Stellung der Personen zueinander, die Gestik und Mimik ist detailliert und ausgefeilt aufeinander abgestimmt. Hier werden die Beziehungen der Personen untereinander aufgezeigt, innere Handlung und Gefühle werden sichtbar wie z.B. Liebeskummer, Herzenswünsche und Beziehungsprobleme.

Auch geschieht dies mit der Choreographie der Einlage-Ballette. Zusammen mit der von ihr gegründeten Ballettcompagnie Corpo Barocco studiert Sigrid T‘Hooft historische barocke Choreographien ein und rekonstruiert auch hier die historische Aufführungspraxis. Denn früher gehörte zu jeder Oper auch größere Ballettszenen, selbst noch im 19. Jahrhundert! Das Bühnenbild ist historisch zweidimensional mit Raum-Perspektive. Es zeigt barocke oder historische Paläste oder Tempelhallen. Lediglich die Beweglichkeit barocker Bühneneffekte ist nicht gegeben, die Kulissen werden mit moderner Bühnentechnik bewegt.

Il Trionfo del Tempo e del Disinganno – Der Triumph der Zeit und der Desillusion

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Oratorium in zwei Teilen HWV 46a, Libretto: Kardinal Benedetto Pamphilj, UA: 1707, Rom.

Konzertante Aufführung

Dirigent: Alessandro De Marchi, Innsbrucker Festwochenorchester

Solisten: Karina Gauvin (Bellezza, Sopran), Sophie Rennert (Piacere, Mezzosopran), Raffaelle Pe (Disinganno, Countertenor) Thoamas Walker (Tempo, Countertenor).

Besuchte Aufführung: 16. August 2019, Dom zu St. Jakob

Das Hauptschiff des Doms zu St. Jakob ist der ideale Spielort für Kirchenmusik oder Oratorien wie Händels Il Trionfo del Tempo e del Disinganno. Das 1707 entstandene Oratorium nach einem Text eines der wichtigsten Auftraggebers damals, des Kardinals Benedetto Pamphilj, war für die Fastenzeit gedacht, während der szenische Musikaufführungen verboten waren. Deswegen ist die Handlung dieser immerhin halbszenisch uraufgeführten Produktion eher simpel, aber mit zeitlosem Tiefgang.

Kurzinhalt

Belezza, also die Schönheit in persona, blickt in einen Spiegel, ihre Vergänglichkeit vor Augen. Piacere, das Vergnügen, versichert ihr ewigen Reiz, woraufhin Belezza sich zu Piacere und ihren Vergnügungen der Lust und Leidenschaft bekennt. Tempo, die Vergänglichkeit der Zeit und Disinganno, der Rat der Desillusion, weisen auf den Zwiespalt hin, daß die Schönheit doch vergänglich ist. Ein weitreichender philosophischer und spiritueller Disput entsteht, am Ende erkennt Bellezza, daß ihre Seele mehr will als Vergnügungen und wendet sich vom Leben in Eitelkeit dem Geist der Buße zu.

Schon in der Einleitung zum Stück, der Sonata, wird deutlich, daß Händel die Streicher mit spektakulären Soli bedacht hat, bei der Uraufführung spielte der Meistergeiger Arcangelo Corelli. Die Kirchenorgel schwieg, Händel hatte eigentlich eine Orgel (für sich!) vorgesehen. Statt dessen begleitet das Cembalo auch das Orchester. Aber diese Sonata ist eine Herausforderung, die sich das Innsbrucker Festwochenorchester sehr erfolgreich in kleinerer Besetzung stellt und, wie von Händel gewünscht, adäquat umsetzt: ohne Blechbläser, da sich das für ein Oratorium nicht gehört. Händel läßt das Orchester mit großer Verve die wichtigsten musikalischen Themen zelebrieren: da wird mit aller Ausdruckskraft die Geistlosigkeit ausufernder Vergnügungen vorgestellt und mit einem großen Schlag der Gegenpol gesetzt. Das die Erkenntnis, daß alles Leben endlich ist. Das Ende beschreibt die ernüchternde Erkenntnis, daß auch in Schönheit eine zurückhaltende Freude möglich ist, quasi gemütlich auf dem Sofa. Mit diesem geistigen Bild am Ende des Vorspiels und des Stückes blickt man auf den barocken katholischen Dom und seinen Prunkaltar mit der Madonna.

Sänger und Orchester

Für das Vergnügen, das Piacere, ist der Mezzo der Sophie Rennert zuständig. Eine breit klingende obertonreiche Stimme, die nicht ohne Schärfen die technisch sauberen Koloraturen hinaufklimmt. Manchmal klingt das wie ein Triller, in der mittleren Lage trägt die Stimme wie Samt. Kein Problem für ihre zentrale Aria Lascia la spina – meide die Dornen. Diese weltbekannte Arie kennt man in der entsprechenden Weiterentwicklung mit größerer Orchesterbesetzung aus dem Rinaldo. Im Barock hat man manchmal bei sich selbst entliehen. Karina Gauvin ist mit ihrem jugendlich schlanken tiefen Sopran die passende Allegorie für die Schönheit. Mit sauberen glockenklaren hohen Spitzentönen bei technisch sauberer Stimmführung gewinnt ihre Darstellung auch durch eutliche Betonung und Aussprache. Ihre Stimme trägt auch im Pianissimo.

Die beiden Gegenrollen mit herausragenden Countertenören zu besetzen ist nicht problematisch, denn Thomas Walker (Zeit) klingt eher wie ein Sopranist, während Raffaelle Pe (Ernüchterung) eher eine tenorale Stimmfärbung hat. Der letztere verfügt über ein fein abgestuftes Crescendo und endet in mancher Arie mit einem strahlenden Forte. Seine Kopfstimme klingt glockenklar, während Thomas Walker mit seiner Bruststimme die hohen Töne versucht zu erreichen und immer deutlicher ins Falsett ausweicht. Seine Arie E ben folle quel nocchier – Recht töricht ist ein Steuermann ist ein mitreißendes Furioso.

La Dori – La Schiava Fortunata o vero La Dori – Die Glückliche Sklavin oder die wahre Dori

von Pietro Antonio Cesti (1623-1669), Dramma musicale in drei Akten, Libretto: Giovanni Filippo Apolloni, Erstfassung, UA: 1657, Innsbruck

Regie: Stefano Vizioli, Bühne: Emanuele Sinisi, Kostüme: Anna Maria Heinrich

Dirigent: Ottavio Dantone, Academia Bizantina

Solisten: Francesca Ascioti (Dori, Tochter des Königs Archelaos von Nikäa, genannt Ali), Rupert Enticknap (Oronte, Prinz von Persien), Federico Sacchi (Artaxerse, persischer Regent), Francesca Lombardi Mazzulli (Arsinoe, Schwester von Dori), Emöke Barath (Tolomeo, Prinz von Ägypten, verkleidet als Celinda), Bradley Smith (Arsete, Doris Lehrer ), Pietro Di Bianco (Erasto, Hauptmann Orontes), Alberto Allegrezza (Dirce, Orontes Amme), Rocco Cavalluzzi (Golo, Orontes Diener und Hofnarr), Konstantin Derri (Bagoa, Eunuch des Serails in Babylon).

Besuchte Aufführung: 26. August 2019, Tiroler Landestheater

La Dori – La Schiava Fortunata o vero La Dori ist eine hochdramatische Oper und hat eine noch komplexere Handlung. 1657 wurde die Oper hier im drei Jahre zuvor neu eröffneten Hoftheater am Rennweg uraufgeführt. Cesti selbst dürfte als Arsete, der alte Lehrer der Dori, auf der Bühne gestanden haben. Fünf Jahre zuvor holte Erzherzog Ferdinand Karl Pietro Cesti als Kammerkapellmeister nach Innsbruck. Zur Eröffnung des Hoftheaters, des ersten Opernhauses im deutschen Sprachraum, wurde seine Oper Cleopatra gespielt. Ein erster Erfolg, der seinem Aufstieg zum Innsbrucker Hausgott ermöglichte und Innsbruck zu einem der wichtigsten Musikzentren des Barock Europas machte.

La Dori hat ihren Weg durch Europa zunächst gefunden, verschwand aber mit dem Ende der Barockoper in der Versenkung und wurde jetzt in Innsbruck wieder ausgegraben. Cesti setzt in La Dori ein riesiges Ensemble (10 Hauptrollen) ein, fügt ein kleines Orchester (Die Accademia Bizantina spielt mit 16 Personen) hinzu, hat dafür keinen Chor, aber die Handlung hat es in sich – bereits die Vorgeschichte ist verstrickt.

Kurzinhalt

Die Königstochter Dori und der Prinz von Persien kennen sich von Kindesbeinen an und sollen aus politischen Gründen verheiratet werden. Dori wird von Piraten entführt – und in Ägypten als Tochter eines anderen Königs wiederentdeckt. Ausgerechnet jener Prinz, der ihr einst zugedacht war, verliebt sich quasi zufällig in sie, soll aber nun, da man von Dori nichts weiß, ihre Schwester Arsinoe heiraten. Dori wird von Tolomeo nach Babylon begleitet, wo er sich nun in Arsinoe verliebt. Artaxerse als Regent will aber die Heirat zwischen Oronte und Arsinoe durchsetzen. Nach Schiffbruch, mehreren Maskeraden, Verwechslungen, weiteren Raubzüge samt Entführungen – beginnt die Oper erst. Die Titelhelden Dori und Oronte brauchen drei Opernakte bis sie zueinander finden. Selbstverständlich bedarf es haarsträubender Verwicklungen und mehr Travestie als man verstehen kann. So taucht Prinzessin Dori als Sklave Ali auf. Und der Prinz von Ägypten Tolomeo gibt sich als Celinda aus, um seiner Geliebten Arsinoe nahe zu sein. Prompt verliebt sich der Hauptmann des Prinzen Orontes, in diese Celinda, was zu einigen schrägen Verwechslungen führt. Am Ende, nach vier Stunden, werden gleich zwei Hochzeiten angekündigt: zwischen Dori und Oronte sowie Arsinoe und Tolomeo. Der Rest fällt unter eine Amnestie.

Aufführung

Gespielt wird in einem Einheitsbühnenbild, das einen Sandstrand vor einem historisierenden Palast darstellen könnte. Von dem Palast sieht man nur eine dekorierte Wand, die man verlängern kann, oder man kann die Lücke zwischen den Wänden mit einem Vorhang oder einer Wäscheleine schließen. Die farbenprächtigen Kostüme können einer barocken Opernproduktion entnommen sein, auch die Verkleidungen sind auch als solche durchschaubar. Stefano Viziolo bemüht sich um eine ausgefeilte Personenführung, auch um barocke Gestik, erreicht aber nicht die meisterhafte Qualität wie Sigrid T‘Hooft in Merope. Was der hohen Qualität dieser Produktion und der stets fesselnden Handlung nicht abträglich war.

Sänger und Orchester

Ottavio Dantone leitet die Accademia Bizantina vom Cembalo aus. Seine Accademia setzt sich aus erfahrenen Musikern der historisch informierten Aufführungspraxis zusammen. Schon für sich allein genommen ist die Orchesterleistung ein harmonisches Ganzes, das die Welt des Barocks wieder heraufscheinen läßt. Aber auch die Integration der Solisten gelingt meisterhaft. Da wäre zunächst Francesca Ascioti als Dori. Mit ihrem wohlkingenden Alt kann sie auch ihre Tarnung als Ali glaubhaft machen. Umgekehrt funktioniert das auch mit der jugendlich klaren Sopranistin Emöke Barath als männliches Weichei Tolomeo, die als verkleidete Celinda glaubhaft ist, zumal sie die meiste Zeit als Celinda agiert. Der einzige wirkliche Held ist Oronte, der von dem Countertenor Rupert Enticknap mit hoher Strahlkraft in den höchsten Tönen zu loben ist. Federico Sacchi ist der grimmige Potentat, der mit fast schwarzem Baß richtig wirken kann. Alberto Allegrezza legt die alte Amme namens Dirce als Hexe an. Dabei ist das eine Tenorrolle (In der Barockzeit wurden die Hexen von Tenorstimmen gesungen) und klingt herrlich erschreckend.

 

Fazit zu allen Vorstellungen

In mehr als 40 Jahren ist es gelungen, die Innsbrucker Festwochen zu einem der führenden barocken Festivals Europas aufzubauen – auch mit Beispielen für französische und italienische Opern. Szenisch hatten sich die Opernproduktionen häufig am modernen Regietheater orientiert. Durch die szenische Aufführung der Merope greift man die historische Aufführungspraxis auf, und zwar mit barocker Gestik und räumlicher Perspektive der zweidimensionalen gemalten Kulissen. Diese sind nach hinten zu gestaffelt.

Zukunftsperspektiven

Die Verwandlung durch verschiedene Fahrten oder durch Soffitten hat es in Innsbruck bisher nicht gegeben, aber die barocke Bühnentechnik dazu wird sicherlich noch folgen. Dies wird man nur per Simulation erreichen können, da das Landestheater normalerweise als Landestheater dient, wo man mit modernen Bühnen- und Beleuchtungstechnik arbeiten muß. Man muß sich hinsichtlich der szenischen barocken Aufführungspraxis, Bühneneffekte und barockem Tanztheater entscheiden. Mit Stolz kann man verbuchten, daß man sich jetzt auf der einer hohen Stufen der Ausführung eines Barocktheaters befindet. Ein zweiter epochal wichtiger Meilenstein, der in diesem Jahr erreicht wurde, ist die Freigabe der Gelder, um ein eigenes barockes Orchester aufzubauen. Denn man besitzt nun ein Innsbrucker Festwochenorchester. Spezialisten aus allen Herren Länder für barocke Instrumente kamen zusammen, um zur Festspielzeit zu musizieren. Es musiziert ein Streichinstrumente mit Darmsaiten und Barockbögen, historische Ausführungen von Instrumenten, Blechblasinstrumente ohne Ventile und so weiter. René Jacobs verließ Innsbruck, als er wegen des Aufbaus eines solchen Orchesters sich nicht durchsetzen konnte. Alessandro De Marchi wurden nun endlich die nötigen Mittel bewilligt. Das weckt für die nächsten Jahre die höchsten Erwartungen in dieser Richtung weitere Produktionen aufzubauen. In diesem Jahr hat man mit der Merope eine Sternstunde des Barocktheaters erlebt!

Oliver Hohlbach

Bilder: Rupert Larl

Die Bilder zeigen: Merope: l.: Anna Bonitatibus, m.: David Hansen, 2.v.r.: Arianna Vendittelli

La Dori: Konstantin Derri (Bagoa), Alberto Allegrezza (Golo)

 

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