NORMA – Nürnberg, Staatstheater

von Vincenzo Bellini (1801-1835), Tragedia lirica in 2 Akten, Libretto: Felice Romani, UA: 26. Dezember 1831 Mailand, Teatro alla Scala

Regie/Bühne: Stephane Braunschweig, Kostüme: Thibault Vancraenenbroeck

Dirigent: Marcus Bosch, Staatsphilharmonie und Chor des Staatstheaters Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask

Solisten: Hrachuhi Bassenz (Norma), Ilker Arcayürek (Pollione) (David Yim, erkrankt), Ida Aldrian (Adalgisa), Alexey Birkus (Oroveso), Ksenia Leonidova (Clotilde), Yongseung Song (Flavio)

Besuchte Aufführung: 13. Mai 2017 (Premiere)

Kurzinhalt

Die Handlung spielt etwa 50 v. Chr. im von Römern besetzten Gallien. Norma, Tochter von Oroveso und Hohepriesterin der Druiden, liebt heimlich den römischen Konsul Pollione, von dem sie zwei Kinder hat. Daher weigert sie auch sich, zum Aufstand gegen die Römer aufzurufen. Als sie erfährt, daß Pollione sie mit der Priesterin Adalgisa betrügt und diese statt ihrer nach Rom mitnehmen will, sinnt sie auf Rache, will sogar die Kinder töten und ruft zunächst zum Krieg gegen die Römer auf. Aber dann klagt sie sich selbst an ihre Religion zu verraten. Sie überantwortet ihre Kinder Oroveso und bietet sich im Tempel als Opfer dar. Pollione, überwältigt von Normas Geradlinigkeit und Treue, folgt ihr auf den Scheiterhaufen.

Aufführung

Einheitsbühne: ein archaischer Kellerraum aus großen rechteckigen Steinplatten. Hinten links führen steinerne Stufen herab, rechts wird ein großer Gong aufgehängt. Die Hinterwand enthält eine Drehtür, die für schnelle Auftritte genutzt wird. Schimmert durch den Spalt das helle Licht, entschwinden Norma und Pollione ins Feuer oder in den Sonnenaufgang?

Die Kostüme lassen sich nicht wirklich zuordnen: die Damen mit blauen Kleider, darüber tragen sie lange, dunkle Herrenmäntel. Ähnliche Filzmäntel tragen die Herren, darunter befinden sich dunkelgrau-karierte Kombinationen aus Hemd/Hose und Pullover. Die Römer tragen schwarze Anzüge und Mäntel. Alle fuchteln mit Pistolen oder Springmessern herum. Zum Finale senkt sich ein großer Baum herab, der sich in einer Bonsai-Ausgabe an der Rampe widerspiegelt.

Sänger und Orchester

Leider ist David Yim an diesem Abend indisponiert, Ilker Arcayürek vertritt ihn als Pollione. Er ist eigentlich als Flavio vorgesehen, in dieser Rolle wird er von Yongseung Song vertreten. Die Vorstellung ist so gerettet, der Glanz kommt dank Hrachuhi Bassenz. Ihr schwerer und eloquenter Koloratursopran besitzt eine enorme Ausdruckskraft, sie verfügt über ein schwerelos leichtes Pianissimo, kann aber auch Furor mit Kraft und Strahlglanz verbreiten und demonstriert, wie man Koloraturnoten wie Perlen aneinanderreiht. Normas Glanzarie: casta diva piano zu gestalten ist kein Problem, ein wohl disponierter David Yim wird auch die Dialoge mit ihr entsprechend gestalten können. Ida Aldrian verfügt in anderen Rollen am Haus über sichere italienische Koloraturen, kann die Rolle der Adalgisa aber nicht wirklich im Stil des Belcanto gestalten. Sie hat zwar eine jugendlich leichte Stimme, kann jedoch nicht – hinsichtlich Leuchtkraft – im Piano mit Hrachuhi Bassenz mithalten und geht auch bei manchen hohen Tönen tremolierend fehl. Wenig überzeugend Alexey Birkus als Oroveso, die Stimme klingt unsicher und zerbrechlich – ein Basso cantante ist er nicht. Vielleicht leider er aber auch darunter, daß Marcus Bosch keinen richtigen Zugang zum Belcanto im Orchester findet. Das Blech wirkt sehr dominant, die Zwischenmusiken klingen eher wie monumentale Marschmusiken, filigrane Zwischentöne gehen unter. Auch bei der Untermalung der Solisten ist das Orchester streckenweise zu dominant, Einsätze für Einspringer gehen fehl, manche Duette fühlen sich nach Terzetten an. Die Temposteigerung für den Chor guerra, guerra meistert der Chor eindrucksvoll, bleibt dabei aber inhaltlich wirkungslos.

Fazit

Ein Einspringer rettet den Abend: diese erfolgreiche Lösung aus dem eigenen Ensemble zeigt wie flexibel und gut das Staatstheater Nürnberg aufgestellt ist. Doch leider bleibt in vielerlei Hinsicht ein fahler Nachgeschmack. Die kritische Gesamtausgabe der Partitur, der diese Produktion folgt, enthält positiverweise eine lange Fassung des Vorspiels und die zwei Strophen des guerra-Chores. Jedoch ist der zweite Teil von Normas Arie casta diva nicht identisch mit historischen Aufnahmen mit Maria Callas. Die Besetzung der Rolle der Adalgisa mit einem schwächeren Mezzo entspricht zwar der derzeitigen Besetzungspolitik, entwertet jedoch die Auseinandersetzung zwischen Norma und Adalgisa. Überhaupt bleibt hier die Frage nach dem Belcanto offen: Orchester und Dirigent Marcus Bosch sind hörbar schon beim Ring des Nibelungen: blecherne Härte, fortissimo und accelerando überdecken jedes filigrane Gewebe, melancholische Attitüde sowie Piano und lange Melodieketten, wofür der Belcantogesang geliebt wird – Duette gehen im Orchester unter. Ganzen Passagen gleichen eher Melodien Verdis als Bellinis. Aber wenigstens Hrachuhi Bassenz kann die Schönheit des Belcantos aufleben lassen. Die belanglose Beliebigkeit der Inszenierung tut ein übriges: immerhin ein sehr freundlicher Applaus des Publikums zum Abschluß.

Oliver Hohlbach

Bild: Jutta Missbach

Das Bild zeigt: Hrachuhí Bassénz (Norma), im Hintergrund Chor des Staatstheater Nürnberg

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