Bayreuth, Markgräfliches Opernhaus – WILHELMINE

von Hans Martin Gräbner; Semi-Oper in zwei Akten, Text von Uwe Hoppe; UA: 2009, Bayreuth.
Regie: Uwe Hoppe, Bühnenbild: Daniel Reim
Dirigent: Hans Martin Gräbner, Orchester Les solistes sans pareils, Zamir-Chor
Solisten: Rebecca Broberg (Sopran), Stefanie Golisch (Mezzosopran), Georg Schießl (Tenor), Hartwig Adler (Bariton)
Schauspieler: Johanna Rönsch (alte Wilhelmine), Kristine Walther (junge Wilhelmine), Elisabeth Mügge (Frau von Sonsfeld, Amme), Arkadij Dell (Fritz), Stafanie Golisch (Katte), Martin Betz (Friedrich Wilhelm I.), Alexandra Ackermann (Sophie Dorothea von Preußen), Hermann Seifert (Georg Friedrich Karl Markgraf von Bayreuth), Waldemar Zimmermann (Friedrich von Bayreuth), Ute Zink (Wilhelmine von der Marwitz, Hofdame), Hartmut Thurner (Voltaire)
Besuchte Aufführung: 25. April 2009 (Premiere, Uraufführung)

Kurzinhalt
bayreuth-wilhelmine.jpgMarkgräfin Wilhelmine von Bayreuth liegt 1758 im Sterben und blickt auf ihr Leben zurück. Geboren als älteste Tochter des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. soll sie eigentlich als englische Königin verheiratet werden. Zusammen mit ihrem Bruder Fritz, dem späteren Friedrich dem Großen, leidet sie unter den Wutanfällen ihres Vaters. Nach einem Fluchtversuch wird Friedrichs Freund Katte hingerichtet, Friedrich mit Festungshaft bestraft. Mutter Sophie Dorothea kann nicht verhindern, daß Wilhelmine zur Strafe verheiratet wird in das unbedeutende Bayreuth, Residenzstadt einer kleinen Hohenzollernschen Nebenlinie. Schon die Ankunft wird durch die derben Sprüche des Schwiegervaters Markgraf Georg Friedrich Karl niederschmetternd. Erst nach dessen Tod und weil ihr Gemahl sie mit einer Hofdame betrügt, kann sie sich in ihrer Bauwut ausleben, in der Eremitage, im Neuen Schloß und im Felsengarten von Sanspareil. Ihr Bruder besucht sie mit Voltaire noch einmal in dieser Idylle im Zeichen der Aufklärung. Wilhelmine stirbt.
Aufführung
Es handelt sich um eine barocke Semi-Oper, was bedeutet, daß die Handlung als Schauspiel vorangetrieben und von Musikeinlagen unterbrochen wird. Besonders deutlich wird das, indem bestimmte Personen mehrfach auf der Bühne sind, der Schauspieler agiert, der Sänger singt und kommentiert.
Diese Verdoppelung der Personen führt aber auch leider zu einer gewissen Verwirrung, da auf der vollen Bühne manchmal die Übersicht über die handelnden Figuren verloren geht. Markgräfin Wilhelmine ist bis zu dreimal vorhanden, einmal als sterbende Markgräfin, die das Bühnengeschehen vom Rande verfolgt, als junge Prinzessin und als Sopran, der ihre Handlungen kommentiert. Leutnant Katte wird auch als Person durch den Mezzosopran dargestellt, nur durch eine Schärpe wird die Wandlung zum Sänger erläutert, was nach dem Tod Kattes zunächst unverständlich ist.
Es ist jedoch der Verdienst von Uwe Hoppe, der die Handlung klar strukturiert vorantreibt und die Übersicht rasch wieder herstellt. Auch ist seine zurückhaltende Personenführung, die sich hauptsächlich im Bereich der Rampe vor gemalter zweidimensionaler Kulisse abspielt, wirklich leicht verständlich und auch für Zuschauer geeignet, die das Leben der Wilhelmine nicht kennen – nur das Thema der Aufklärung bzw. die Person Voltaire kommen zu kurz.
Sänger und Orchester
Die Komposition Hans Martin Gräbners geht von barocken Klangbildern aus und wandert dann in den einzelnen Nummern durch die verschiedenen Musikstile. Ohne Komponisten oder Werke zu zitieren fühlt man sich lediglich an Flötenkonzerte von Quantz oder Friedrich, an Symphonien von Schostakowitsch oder an atonale Klangbilder erinnert. Das kleine, aber feine Orchester (zehn Musiker) setzt diese Kompositionen meisterhaft um.
Es war im Barock üblich, für ein bestehendes Ensemble zu komponieren, da keine Gäste hinzugezogen wurden – auch aus Geldgründen. Ähnlich auch hier. Gräbner orientiert sich an den Möglichkeiten der Sänger und des Chores. Zwar hört man Hartwig Adler (Bariton) kaum (fehlende Lautstärke), der Tenor Georg Schießl hat Probleme mit der Tonhöhe (er liegt häufiger daneben), jedoch hat Rebecca Broberg (Sopran) einen glockenklaren Sopran und eine tolle Textverständlichkeit. Stefanie Golisch (Mezzosopran) hat ein aufregendes Timbre in der Stimme und besticht mit charmanten Lächeln. Besonders hervorzuheben ist die Abstimmung von Solisten Chor und Orchester.
Fazit
Die zahlreich anwesende Bayreuther Lokalprominenz feiert mit stürmischem Applaus alle Beteiligten. Zu recht, denn die Studiobühne Bayreuth – seit 28 Jahren eine inspirierende Mischung aus professionellem Theater und ambitionierten Amateuren – stellt unter Beweis, daß eine wirklich großartige Produktion auf die Beine stellen kann. Aber leider wird dieses Stück kaum nachgespielt werden, denn wer kennt heutzutage noch die Schwester Friedrich des Großen? Das sollte auch die anwesende Lokalprominenz veranlassen, die Studiobühne weiterhin zu unterstützen und das Markgräfliche Opernhaus als Opernhaus zu erhalten.
Oliver Hohlbach

Bild: Josefine Lindner
Das Bild zeigt: Zum großen Finale sind alle auf der Bühne

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