DIE FLEDERMAUS – Meiningen, Südthüringisches Staatstheater

von Johann Strauß d.J. (1825-1899), Operette in drei Akten, Libretto: Richard Genée und Karl Haffner, Dialogfassung von Joachim Schamberger, UA: 5. April 1874 Wien. Theater an der Wien

Regie: Joachim Schamberger, Bühne: Helge Ullmann, Kostüme: Kerstin Jacobssen

Dirigent: Arturo Alvarado, Meininger Hofkapelle und Chor, Choreinstudierung: Sierd Quarre.

Solisten: Rodrigo Porras Garulo (Gabriel von Eisenstein), Sonja Freitag (Rosalinde), Stephanos Tsirakoglou (Frank), Carolina Krogius (Prinz Orlofsky), Daniel Szeili(Alfred), Stan Meus (Dr. Falke), Thomas Lüllig (Dr. Blind), Monika Reinhard (Adele), Cordula Rochler (Ida), Peter Bernhardt (Frosch).

Besuchte Aufführung: 27. Februar 2015 (Premiere)

Meiningen FledermausKurzinhalt

Eisenstein hat nach einem Maskenball den als Fledermaus verkleideten Dr. Falke blamiert. Dieser rächt sich auf einem Fest des Prinzen Orlofsky: Eigentlich sollte Eisenstein im Gefängnis eine Strafe absitzen, doch läßt er sich gerne überreden, mit auf das Fest zu kommen. Auf dem Fest begegnen ihm sein Stubenmädchen Adele, die sich unter dem Namen „Olga“ vorstellt, und eine maskierte ungarische Gräfin, bei der es sich jedoch um seine Gattin Rosalinde handelt. Mit dem Gefängnisdirektor Frank schließt er im Rausch Freundschaft. Als Eisenstein am nächsten Morgen im Gefängnis eintrifft, um seine Strafe anzutreten, muß er entdecken, daß mittlerweile jemand anderes, nämlich Alfred, der ehemalige Liebhaber seiner Frau, unter dem Namen „Eisenstein“ einsitzt. Turbulent löst sich das Spiel schließlich auf.

Aufführung

Die Handlung beginnt während der Ouvertüre, es wird erzählt wie Eisenstein seinen Freund Falke betrunken und halbnackt auf dem Bahnsteig des Meininger Bahnhofs aussetzt. Wir befinden uns zur Entstehungszeit der Operette, zur Zeit von Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen, und blicken in die Gründerzeit-Villa der Eisensteins, die sogar eine Spielzeug-Eisenbahn besitzen. Auf dem Bahnsteig Meiningen startet der Salonwagen des Fürsten Orlofsky auf der Strecke Meiningen-Eisenach-Coburg – es spielt ein Streichquartett. Die Verwandlung wird mit Zwischenvorhängen und Musikeinlagen wie Bahn frei oder Unter Donner und Blitz verdeckt. Das Gefängnis verfügt wie die Eisenstein-Villa über eine Empore, die zu der oberen Reihe der Zellen führt. Auch die ansehnliche Garderobe entspricht der Gründerzeit.

Sänger und Orchester

Zugegeben, eine Fledermaus Aufführung steht mit der Besetzung der drei Hauptrollen Eisenstein, Rosalinde und Adele. Diese müssen nicht nur hohe, sängerische Anforderungen erfüllen, sonder auch als Charakterdarsteller glänzen – die Pointen der meist als Sylvesterburleske servierten Operette müssen ja entsprechend serviert werden. Selten gelingt es dem vergnügungssüchtigen Kammermädchen Adele, sich in den Vordergrund zu singen. Monika Reinhard hingegen ist nicht nur eine absolut wortverständliche Operettensoubrette, nein, auch jeder Ton wird messerscharf serviert, also eine echte Unschuld vom Lande, da meldet sich ein zukünftiger schwerer Koloratur-Sopran. Glänzend aufgelegt ist Rodrigo Porras Garulo, ein südländischer Tenor mit großer Strahlkraft und besonders hohem Stehvermögen, der den Eisenstein als Gigolo zelebriert: Dieser Anstand, so manierlich! Sonja Freitag ist eine ebenbürtige Rosalinde. Sie gestaltet ihren schweren Sopran mit Verve und stahlharten Koloraturen, die viel Freude machen, vor allem im Csárdás. Carolina Krogius verfügt über eine sehr bewegliche, tief timbrierte Mezzo-Stimme, die aber auch Glanz in den hohen Lagen verbreitet. Die„männlichen Rolle“ Orlofsky wird sie jederzeit glaubhaft gestalten. Thomas Lüllig ist ein sicher stotternder Advokat Blind, Stan Meus (Dr. Falke) ein sprachlich hervorragend akzentuierender Tenorbuffo in einer Bariton-Rolle und Stephanos Tsirakoglou ein solider, samtig-weicher Baß-Bariton, der einen verdorbenen Gefängnisdirektor Frank singt. Dirigent Arturo Alvarado sieht diese Operette als „ernste Komische Oper“. Die heitere, spritzige Wirkung der Strauß-Melodien will sich nicht recht einstellen, kein champagner-seliger Walzerklang im Feuerstrom der Reben, kaum Tempoverschärfungen und Knalleffekte, er zelebriert die Melodielinien etwas zu akademisch. Viel glaubhafter der bestens eingestellt Chor, der wirklich gierig ist, weil ein Souper heut‘ uns winkt.

Fazit

Eine Fledermaus-Premiere Ende Februar nach der Sylvester und Karnevalszeit? Nein, das ist durchdacht: Sie findet neun Monate vor der nächsten Sylvester-Saison statt, und man hat nun viel Zeit um Aufführungspraxis zu sammeln. Gar nicht nötig: Szenenapplaus und Begeisterung rundum sind ein beredtes Zeichen. Nicht nur sängerisch werden hier Höchstleistungen geboten, die neue Dialogfassung enthält alle sonst nur nebenbei erwähnten Handlungsstränge (Wieso heißt das Stück „Fledermaus“?) und ist auch zeitlos witzig, wenn die Eisensteins von Anfang an die angeblich kranke Tante Adeles durchschauen: Tagesaktuelle Pointen hingegen passen nicht in die Gründerzeit.

Oliver Hohlbach

Bild: Foto Ed

Das Bild zeigt: Ensemble und Chor

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