MY FAIR LADY – Coburg, Landestheater

von Frederic Loewe (1901-1988), Musical in 2 Akten nach George Bernhard Shaws Pygmalion, Libretto: Alan Jay Lerner; Deutsch: Robert Gilbert, UA:15. März 1956 New York, Mark Hellinger Theatre

Regie: Holger Hauer, Bühne: Karel Spanhak, Kostüme: Sven Bindseil, Choreographie: Jochen Schmidtke

Dirigent: Daxi Pan, Philharmonisches Orchester und Opernchor des Landestheater Coburg, Choreinstudierung: Lorenzo Da Rio

Solisten: Holger Hauer (Henry Higgins), Anna Gütter (Eliza Doolittle), Michael Lion (Alfred P. Doolittle), Niklaus Scheibli (Oberst Pickering), Gabriela Künzler (Mrs. Higgins), Kerstin Kluge (Mrs. Pearce), Jiri Rajnis (Freddy Eynsford-Hill.), u.a.

Besuchte Aufführung: 18. Oktober 2014 (Premiere)

Frederick Loewe: My fair Lady/ ML Daxi Pan/ R Holger Hauer/ B Karel Spanhak/ K Sven Bindseil/ Premiere 18. 10. 2014/ Landestheater Coburg

Kurzinhalt
Professor Higgins, ein angesehener Sprachgelehrter, trifft auf den vulgären Dialekt der Blumenverkäuferin Eliza Doolittle. Aufgrund einer Wette mit seinem Freund Oberst Pickering will er aus Eliza eine Dame machen. Der erste Testlauf in der feinen Gesellschaft beim Pferderennen in Ascot scheitert, als sie ihr Pferd anfeuert, ihm „Pfeffer in den Arsch zu streuen“. Im zweiten Anlauf vermag Eliza beim Diplomatenball im Buckingham Palace zu brillieren. Higgins und Pickering feiern die gelungene Arbeit, Eliza fühlt sich übergangen. Man versöhnt sich zwar, offen bleibt, wie sich Elizas Zukunft mit dem Professor, der doch so gerne Junggeselle ist, gestaltet.

Aufführung
Selten hat man in Coburg so aufwendig choreographierte Ensembleszenen gesehen, während das Bühnenbild spartanisch im Hintergrund bleibt. Der Platz vor Covent Garden ist der Coburger Theaterplatz – als einfaches Hintergrundbild. Das Arbeitszimmer von Professor Higgins ist eine Sitzgruppe, die von einem überdimensionalen Grammophon-Trichter überragt wird. Dieser ist manchmal im Weg, wenn das Arbeitszimmer auf der Drehbühne nach hinten gefahren wird, um hinter einem Vorhang Platz für Ascot zu schaffen – für einen großen Tisch. Dekoriert mit riesigen Hüten verfolgen die Damen mit Ferngläsern das Pferderennen. Mrs. Higgins „besteht“ nur aus einer Zaunhecke und zwei Gartenstühlen, der Ball bei Hofe lediglich aus einer dunklen Bühne mit vier Kronleuchtern und der Platz vor dem Haus des Professor Higgins eigentlich nur aus der Tür. Die Kostüme sind dem absonderlichen Geschmack Englands von heute zuzuordnen.

Sänger und Orchester
Über die Verwendung von Mikroports kann man geteilter Meinung sein: Einerseits führt das zu Wortverständlichkeit in jeder Lage, zum anderen kann man die sängerischen Leistungen kaum beurteilen, da sie die Stimme verstärken bzw. verändern und auch zu Rückkoppelungen mit Chor und Orchester führen. Holger Hauer, sowohl Regisseur als auch Hauptdarsteller, beeindruckt sowohl sängerisch wie auch gestisch. Sein Henry Higgins kommt dem zynischen Spötter und Weiberfeind George Bernhard Shaw sehr nahe. Anna Gütter kann die stimmliche Entwicklung der Eliza glaubhaft machen und ist am Ende eine Higgins ebenbürtige Dame – und erreicht somit die gleiche Stellung wie Mrs. Higgins (Gabriela Künzler). Michael Lion kann mit profundem Baß Alfred Doolittle den Charakter eines trinkfreudigen Lebenskünstlers geben. Jiri Rajnis als Freddy hat deutliche Aussprachprobleme (ausgerechnet in diesem Stück!), kann aber als zartschmelzender Schnulzentenor die Herzen der Damen erobern. Daxi Pan geht den Abend mit hohem Tempo sehr lautstark an, kann dabei auf das bestens eingestellte Orchester und den Chor zurückgreifen.

Fazit
Was diese Produktion von den üblichen „Heile-Welt-Produktionen“ abhebt, ist, daß hier auch Sozialkritik geübt wird, der Müllkutscher Doolittle darf auch kritische Töne anschlagen und ist kein Schnorrer im engeren Sinne. Diese My Fair Lady ist somit das vom Publikum umjubelt gefeierte Sylvester-Stück, zugleich niveauvoll und tiefsinnig. Sie wäre auch reif für den Broadway, denn die Tanzeinlagen sind mit viel Aufwand von Solisten und Chor einstudiert worden – durch Jochen Schmidtke, der auch die umfangreichen Kampfszenen in Purcells King Arthur choreographierte.

Oliver Hohlbach

Bild: Henning Rosenbusch

Das Bild zeigt: Diplomatenball

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