TURANDOT – München, Bayerische Staatsoper

von Giacomo Puccini (1858-1924), Musik vervollständigt von Franco Alfano, Dramma lirico in drei Akten, Libretto: Giuseppe Adami und Renato Simoni nach Carlo Gozzi; UA: 25. April 1926 Mailand, Teatro alla ScalaRegie: Carlos Pedrissa, Bühne: Roland Olbeter, Kostüme: Chu Uroz, Licht: Urs Schönebaum, Dramaturgie: Andrea Schönhofer, Rainer Karlitschek, Video: Franc Aleu

Dirigent: Zubin Mehta, Bayerisches Staatsorchester, Chor und Extrachor der Bayerischen Staatsoper, Einstudierung: Sören Eckhoff

Solisten: Jennifer Wilson (Turandot), Ulrich Reß (Altoum), Alexander Tsymbalyuk (Timur), Marco Berti (Calaf), Ekaterina Scherbachenko (Liù), Fabio Previati (Ping), Kevin Conners (Pang), Emanuele D’Aguanno (Pong) u.a.

Besuchte Aufführung: 7. Dezember 2011 (B-Premiere, 3.12.2011 Premiere)

Kurzinhalt

Aus Rache für ihre Ahnin, die von Fremden entführt und vergewaltigt wurde, hat die chinesische Prinzessin Turandot ein grausames Gesetz erlassen: Nur wer drei Rätsel lösen kann, darf sie heiraten, sonst erwartet ihn der Henker. Der mutige Prinz Calaf stellt sich der Herausforderung und besteht. Turandot verweigert ihm jedoch die Ehe, da sie sich gezwungen fühlt. Calaf stellt ihr nun selbst ein Rätsel: Bei dessen Lösung geht er freiwillig in den Tod. Zuletzt gelingt es ihm jedoch, sie von der Liebe zu überzeugen und das jubelnde Volk feiert das neue Kaiserpaar

Aufführung

Die Aufführung gleicht einem temporeichen Kino-Spektakel: Zahlreiche Lichteffekte, ein spezieller Boden, auf dem mit Schlittschuhen gefahren werden kann, Trapezkünstler, Videoeinspielungen und sogar 3D-Effekte – es gibt nichts, was es nicht gibt. Die katalanische Schauspieltruppe La Fura dels Baus verlegt die Handlung in ein modernes China, in dem sich Tradition und Moderne begegnen. Die Kostüme sind an sich klassisch, aber mit modernen Elementen versehen: die Kimonos des Chores sind in grellen Farben und mit Zeichen und Ornamenten bedruckt, die Mäntel der Mitglieder des Kaiserhauses (eingeschlossen die Minister) sind mit vielen kleinen Spiegeln bestickt. Das Zentrum des Bühnenbildes ist eine große Scheibe mit einem Loch in der Mitte, die in den Schnürboden gezogen werden kann. Sie dient als eindrucksvolle Auftrittsmöglichkeit Turandots sowie als Leinwand für die 3D-Einspielungen. Die Produktion verzichtet auf das Finale von Franco Alfano und endet mit Puccinis letzter komponierter Note, also dem Lamento nach Liùs Tod. Diese ersticht sich hier nicht selbst, sondern läßt sich freiwillig pfählen.

Sänger und Orchester

Ein grandioses Staatsoperndebüt gibt die junge Sopranistin Ekaterina Scherbachenko (Liù). Schon in ihrer ersten Arie Signore, ascolta (1. Akt) zeigt sie gut ausgeglichene und schön verbundene Register sowie eine große dynamische Bandbreite, die bis zu einem versierten Pianissimo reichte. Dabei besitzt ihre glockenklare Stimme dramatische Intensität und eine innige Ausdruckskraft. Einen weiteren musikalischen Höhepunkt stellt Marco Berti (Calaf) dar: Er verfügt über eine dunkle, warm timbrierte Stimme mit leichten kehligen Einfärbungen. Seine Stärke ist eine große Sicherheit in der Höhe mit einer heroischen Brillanz, womit er besonders bei den Spitzentönen von Nessun dorma (3. Akt) brilliert. Dagegen ist die tiefere Lage seiner Stimme manchmal etwas resonanzarm, so daß er hin und wieder forcieren muß. Jennifer Wilson (Turandot) bewältigt die herausfordernde Tessitura der Partie problemlos mit einem eher dunklen Timbre. Ihrer Auftrittsarie In questa reggia (2. Akt) fehlt es noch an gestalterischer Spannung, was sie jedoch im Laufe des Abends steigert. Zu erwähnen ist außerdem Alexander Tsymbalyuks Timur, den er mit einer klangvollen, sonoren Stimme und eindringlicher darstellerischer Leistung verkörpert. Die drei Minister (Fabio Previati, Kevin Conners, Emanuele D’Aguanno) bilden ein gut aufeinander eingespieltes und stimmlich harmonisierendes Trio, das Dynamik in die Handlung bingt. Ulrich Reß (Altoum) ist mit seinem klaren, deutlichen Gesang eine solide Besetzung, auch wenn seine Stimme nicht ganz so tragend ist.

Das Staatsorchester unter seinem ehemaligen Chef Zubin Metha präsentiert sich dynamisch vielschichtig und differenziert mit einem großen, bisweilen voluminösen Klang, den Metha aber dem Bühnengeschehen  unterzuordnen versteht. Vor allem das Blech zeichnet sich durch eine ausgewogene Dynamik und einen warmen, strahlenden Ton aus. Somit fungiert das Orchester trotz großer Brillanz als aufmerksamer Begleiter der Solisten und des ausgezeichnet einstudierten Chores.

Fazit

Carlus Padrissa zeigt ein Feuerwerk der Bühnentechnik. Zu keiner Zeit langweilig fesselt das Team den Zuschauer mit seinem effektreichen Spektakel und zeigt eindrucksvolle Bilder. Es wird eine neue Dimension der Opernregie erschlossen, die zwar visuell teilweise fast zu überladen, aber dennoch ein spannendes Erlebnis ist. Vervollkommnet wird es durch eine ausgezeichnete Leistung des Orchesters sowie der Solisten, von denen besonders Marco Berti und Ekaterina Scherbachenko vom Publikum gefeiert werden.

Laura Knoll

Bild: Wilfried Hösl

Das Bild zeigt: Marco Berti (Calaf), Chor und Statisterie

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