COSI FAN TUTTE – Dessau, Anhaltisches Theater

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Libretto: Lorenzo da Ponte, UA: 30. Januar 1790, Burgtheater, Wien

Regie: Florian Lutz, Bühne/Kostüme: Joki Tewes

Dirigent/Hammerklavier: Daniel Carlberg, Anhaltische Philharmonie, Chor des Anhaltischen Theaters, Choreinstudierung: Helmut Sonne

Solisten: Susan Gouthro (Fiordiligi), Ulrike Mayer (Dorabella), Ulf Paulsen (Guglielmo), Oscar de la Torre (Ferrando), Sharleen Joynt (Despina), Kyung-Il Ko (Don Alfonso)

Besuchte Aufführung: 25. Juni 2011 (Premiere, in italienischer Sprache)

Kurzinhalt

Dorabella liebt Ferrando, Fiordiligi liebt Guglielmo. Don Alfonso, Freund der beiden Soldaten, ist seinen Eleven in Sachen Lebenserfahrung um einiges voraus. Mit seinem Zweifel an der Standhaftigkeit der beiden Schwestern gibt er den Anstoß zu einem Treuetest, der Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist. In tränenvollem Abschied ziehen Guglielmo und Ferrando in eine angebliche Schlacht, um kurz darauf als extravagante Fremdlinge die Verlobte des jeweils anderen für sich zu gewinnen. Unterstützung erfahren sie von der nicht auf den Mund gefallenen Kammerzofe Despina, die nur zum Teil von Don Alfonsos wahren Absichten weiß. Bald erkennen die beiden Männer die Absurdität ihres Vorhabens, doch von Alfonso durch Eid verpflichtet, willigen sie notgedrungen in die Hochzeit mit der jeweils anderen ein. Als dann die „wahren“ Verlobten aus der Schlacht zurückkehren, klärt sich alles auf…

Aufführung

Das Einheitsbühnenbild zeigt kein Haus oder Garten im eigentlichen Sinn, sondern ein verschachteltes Labyrinth, in dem man auf komplexen Wegen von Raum zu Raum kriecht, klettert oder springt. Da trifft man sich zum Kaffeeklatsch, da zieht man sich zum Verkleiden in einen anderen Raum zurück oder trifft sich zu intimen Gesprächen – verhüllt mit einer Decke. Im zweiten Akt sorgen Videoprojektionen von Pflanzen und Tieren für Assoziationen mit einem Gartenraum. Oder ein Bild vom Meer sorgt für die passende Untermalung der Abreise zum Militär – unterstützt von zwei Werbefilmen für die US Navy und die Reichskriegsmarine. Die Kostüme zeigen nach heutigem Geschmack Freizeitkleidung, die Verkleidungen erinnern an Karnevalskostüme. Der Militärdienst wird in Trainingsanzügen der Bundeswehr angetreten.

Sänger und Orchester

Man muß schon sehr sportlich sein, um gleichzeitig Klettern und Singen zu können. So stand eine kurzfristige Umbesetzung am Anfang der Vorstellung. Für die (nicht beim Klettern!?!) verletzte  Angelina Ruzzafante sprang Susan Goutrhro ein – und sie machte sehr viel aus der Rolle der Fiordiligi: Ganz lyrisch wohlklingend, mit ganz sicheren Koloraturen auch in den Höhen gewann sie die Herzen der Zuhörer: In ihrer großen Sehnsuchtsarie Meine Seele ist standhaft erhält sie donnernden Szenenapplaus. Hingegen geht Ulrike Mayer als Dorabella mit viel Freude an der gesanglichen Verführung zu Werke, wie geschaffen für Amor ist ein Dieb. Auffallendster Darsteller ist wieder Ulf Paulsen. Hinsichtlich Ausdruckskraft, stimmlicher Gestaltung und Reichweite in den oberen und tiefen Registern gelingt dem Hausbariton eine wahre Charakterstudie des Guglielmo. Das die Rolle des Ferrando eine Herausforderung für jeden Tenor sind, das konnte Oscar de la Torre unter Beweis stellen. Allerdings war dies für ihn keinerlei Problem, so leicht und schwerelos, aber mit viel italienischer Verve brachte er meiner Göttin eine Serenade. Während Kyung-Il Ko als Don Alfonso mit seinem Parlando-Stil glänzen kann, gibt sich Sharleen Joynt nicht nur gesanglich der Leidenschaft hin. Gegenpol ist die Anhaltische Philharmonie, die unter der Leitung Daniel Carlbergs eine relativ harte deutsche Deutung spielt und nur selten italienische Klangkaskaden zaubert. Das Zusammenspiel mit dem Chor, der auf der Hinterbühne steht, ist kurz aber exakt. Unsauberkeiten im Blech sind der Premierennervosität geschuldet.

Fazit

Donnernder und für Dessau sehr langer Applaus sind das Lob des Publikums für ein herausragendes Sängerensemble und für eine im wahrsten Sinne wegweisende Produktion – durch einen komplexen Schachtelbau der Liebe mit viel sinnfreier Bewegung. Jedoch behält das Publikum den Überblick, wer gerade mit wem agiert, da alle Protagonisten die meiste Zeit in ihren Schachteln auf der Bühne herumstehen. Die Verlagerung in die heutige Zeit kann nicht verhindern, daß die Beantwortung der Frage Mozarts im Zentrum steht: „Machen es auch heute alle Frauen so?“ Manche Regisseure sollte man die Frage lieber nicht beantworten lassen.

Oliver Hohlbach

Bild: Claudia Heysel

Das Bild zeigt: Alle Räume sind mit Doppelgängern besetzt: So treiben es Alle!

Veröffentlicht unter Dessau, Anhaltisches Staatstheater, Opern