DIE TOTE STADT – Regensburg, Theater

von Erich Wolfgang Korngold (1897-1957), Oper in drei Bildern, Libretto: E. W. Korngold und Paul Schott, UA: 1920, Hamburg und Köln

Regie: Ernö Weil, Bühne/Kostüme: Karin Fritz

Dirigent: Tetsuro Ban, Philharmonisches Orchester Opernchor Regensburg, Cantemus Kinderchor, Choreinstudierung: Christoph Heil

Solisten: Wolfgang Schwaninger (Paul), Allison Oakes (Marietta/Marie), Adam Kruzel (Frank), Jasmin Etezadzadeh (Brigitta), Gesche Geier (Juliette), Misaki Ono (Lucienne), Cameron Becker (Victorin), Seymur Karimov (Fritz), Michael Berner (Graf Albert)

Besuchte Aufführung: 13. Februar 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

In der „Toten Stadt“ Brügge lebt Paul zurückgezogen nach dem Tod seiner Frau Marie. Unversehens begegnet er der Tänzerin Marietta, die eine auffallende Ähnlichkeit mit Pauls verstorbener Frau hat. Auf Maries Laute begleitet sich Marietta beim berühmten Lied Glück, das mir verblieb und durch ihren verführerischen Tanz verschwimmen für Paul Wirklichkeit und Traum zu einer Vision. Am Abend verläßt Marietta, von Liebhabern umschwärmt, das Theater und alle spielen die diabolische Nonnenerweckung aus Giacomo Meyerbeers Oper Robert le Diable. Paul beobachtet die Szene, springt plötzlich herbei und beschuldigt Marietta der Gottlosigkeit. Marietta folgt Paul in sein Haus zum Kampf gegen den geisterhaften Schatten der toten Marie. Sie wähnt sich als Siegerin über die tote Rivalin, tanzt mit einer „Reliquie“, einer Haarflechte der verstorbenen Marie, bis Paul sie in höchster Erregung erdrosselt. Paul erwacht aus seiner Vision und beschließt, Brügge zu verlassen.

Aufführung

Der Mythos einer toten Stadt wird von Anfang an zelebriert: Das dunkle Zimmer wird von einem überdimensionalen plastischen Gemälde Maries beherrscht. Trauerbilder umrahmen den Lehnsessel Pauls und die mit schwarzem Samt verhüllte Vitrine mit der Locke Maries. Nachdem Marietta gegangen ist, fährt ein Gazevorhang herunter und Pauls Traumsequenz beginnt. In der durch den Vorhang verklärten Optik steigen nun die Monster der toten Stadt auf, nachempfunden aus den Bildern des jüngsten Gerichtes flämischer Renaissance-Maler. Auch die Nonnenerweckung oder der Auftritt der Clowns und Tänzer werden traumatisch überzeichnet. Marietta kehrt zurück, der Gazevorhang hebt sich, die Dämonen des Traums sind verschwunden. Paul will der toten Stadt den Rücken kehren.

Sänger und Orchester

Ein Rollendebüt steht im Mittelpunkt des Interesses. Von weither kamen die Stimmenfetischisten, denn ein neuer Sänger in der Rolle des Paul war vielen eine Reise wert. Wolfgang Schwaninger ist ein Heldentenor der alten Schule. Obwohl als indisponiert angekündigt, stellte er alle zufrieden mit voll ausgesungenen Phrasierungen und erreichte auch in Glück, das mir verblieb, die strahlenden hohen Töne mühelos, auch wenn er relativ leise sang und von dem hohen Tempo profitierte, das Tetsuro Ban vorgab. Wobei das hohe Tempo allenfalls in einigen Passagen auffiel, denn das Philharmonische Orchester meistert das schwierige Stück mit Bravour, die spätromantischen und impressionistischen Klangfarben kamen klar zur Geltung und die dargestellten Gefühlswelten brachten die Zuschauer in Wallung. Besonders zu erwähnen, daß die Nonnenerweckung und der Auftritt der Tanzgruppe vollständig gespielt wurde. Solide präpariert war der Chor unter Christoph Heil, der ein wenig unter der Übertragung aus dem Chorsaal litt – besonders erwähnenswert der Cantemus Kinderchor, der glockenklar, hell und rein intonierte. Allison Oakes hält sich ebenso gut wie Paul in den genauso extremen Lagen der Doppelrolle von Marietta/Marie. Allerdings setzt sie ihren schweren Sopran mit zuviel Kraft ein, und so enden viele Koloraturen in unschöner Schärfe. Während Adam Kruzel (Frank) schon in der Mittellage zum heftigen Tremolieren neigt und deutliche Probleme in den Höhen hat, kann Seymur Karimov (Fritz) als Heldenbariton mit viel Durchschlagskraft aufwarten. Seine eloquente Beredsamkeit und Einfühlsamkeit kann er mit Mein Sehnen, mein Wähnen unter Beweis stellen. Jasmin Etezadzadeh legt viel Härte und Nachdruck in die Rolle der Brigitta, zeigt aber dadurch bei den Tonsprüngen manche Ungenauigkeiten.

Fazit

Donnernder Jubel im allgemeinen und hysterischer Jubel für das Rollendebüt von Wolfgang Schwanninger als Paul im besonderen – das ist der Dank des Publikums für das Wagnis an einem kleineren Opernhaus, ein solch schwieriges Werk aufzuführen. Der Mut des Intendanten Ernö Weil hat sich ausgezahlt, denn diese grandiose Produktion (fast ohne Striche!) ist ein Meilenstein für das Theater Regensburg und für Wolfgang Schwaninger. Unbedingt ansehen, da keine Wiederaufnahme in der nächsten Spielzeit!

Oliver Hohlbach

Bild: Juliane Zitzlsperger

Das Bild zeigt: Marietta (Allsison Oakes) spielt Paul (Wolfgang Schwaninger) ein Ständchen.

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