DAS WÜSTENBUCH – Basel, Theater

von Beat Furrer (*1954), Musiktheater nach Texten von Händl Klaus, Ingeborg Bachmann, Antonio Machado und Lukrez sowie dem Papyrus 3024
Regie: Christoph Marthaler, Bühne: Duri Bischoff, Kostüme: Sarah Schittek, Light Design: Ursula Degen, Dramaturgie: Ute Vollmar
Dirigent: Beat Furrer, Klangforum Wien
Solisten: Tora Augestad (Sopran II), Hélène Fauchère (Sopran I), Sèbastien Brohier (Bariton)
Schauspieler: Isabelle Menke, Olivia Grigolli, Catriona Guggenbühl, Bettina Stucky, Carina Braunschmidt, Ueli Jäggo
Ensemble Solistes XXI: Aurore Bucher, Hélène Fauchère, Katalin Kàrolyi, Lucile Richardot, Philippe Froeliger, Simon Gamerre, Sébastien Brohier, Jean-Sébastien Nicolas
Besuchte Aufführung: 15. März 2010 (Uraufführung)

Kurzinhalt
Drei Menschen begegnen sich zufällig auf ihrer Reise durch Ägypten und werden dabei mit ihrer jeweils persönlichen „Wüste“ konfrontiert – ein Spiel mit den persönlichen Erinnerungen, Reminiszenzen an vergangene Tage und der menschlichen Unfähigkeit, sich zu erinnern beginnt.
Aufführung
Wie inszeniert man eine Oper, die gar keine Handlung im engeren Sinne besitzt und deren Geschichte ein ständiger Prozeß innerer Entfaltung und Evolution ist? Auf die Bühne wird ein zweistöckiges Gebäude gestellt: unten eine Art Keller oder Waschküche, darüber drei Hotelzimmer. Das sind die Räume, die den Rahmen für die introvertierten Entwicklungsgänge bilden. Gedanken und simultan erklingende Texte oder Textfragmente überlagern sich wie die Stockwerke, vermischen sich, werden geschichtet oder exponiert in den Vordergrund gerückt. Die Einöde der Wüste oder auch die (Un)-Fähigkeit des Erinnerns wird mittels immer wiederkehrender Handlungen und Aktionen versinnbildlicht. Das Orchester im Vordergrund der Bühne wird zum Dialogpartner der Akteure und szenisch mit in die Handlung eingebunden.
Sänger und Orchester
Die Behandlung der Texte spiegelt sich in der Art und Weise, wie der Komponist Beat Furrer mit den Orchesterstimmen umgeht. Gleich einem Klangteppich entfaltet sich vorsichtig die Musik, die Themen entwickelt, mehrschichtig ist und ein dichtes, dennoch gläsern-durchsichtiges Klanggefüge ausbildet. Töne, von den Bläsern mit viel Luft produziert, Flatterzungen, geräuschhafte Klänge und andere Spieltechniken, die sich in der Neuen Musik etabliert haben, führen zu flimmernden, schimmernden und sphärischen Klangergebnissen. Die Musik bewegt sich einerseits auf engstem Raum, scheint sich um sich selbst zu drehen – wie auch die Protagonisten um sich selbst kreisen – um sich dann in kontrastiv großen Sprüngen oder einem weitgespannten Ambitus zu entfalten. Das Klangforum Wien ist integraler Bestandteil des auf der Bühne zu beobachtenden Entstehungsprozesses und tritt dabei in direkten Dialog mit den Gesangspartien. Stumme Textdarbietungen werden vom Orchester mit musikalischem Text gefüllt. Souverän bewältigen die Musiker, aber auch die Sängerinnen und Sänger ihre anspruchsvolle Aufgabe. In den Hauptrollen sind Tora Augestad (Sopran II), Hélène Fauchière (Sopran I) und Sébastien Brohier (Bariton) zu hören, die dem enormen Anspruch an ihre Soloparts durchaus gerecht werden. Sicher ausgeführte Sprünge, mit dem Orchester sensibel unisono geführte Abschnitte und ein enormer Ambitus (hauptsächlich für den Sopran II) bereiten keinerlei Schwierigkeiten. Ebenso feinfühlig gliedert sich das Gesangsensemble mit Aurore Bucher, Katalin Kàrolyi, Lucile Richardot, Philippe Froeliger, Simon Gamerre und Jean-Sébastien Nicolas in das Gesamtgefüge aus gesprochenem und gesungenem Text ein.
Fazit
Die Wüste ist grundsätzlich keine neue erschaffene Metapher für Tod, Sinnbild der Leere und der Dürre. Schwierig ist es allerdings, den nicht gerade anspruchslosen Texten darüber zu folgen, da die Verständlichkeit durch die Behandlung der Inhalte – etwa im simultanen Vortrag oder im Zerfallen in einzelne Fragmente – erschwert wird. Trotz allgemeiner Zustimmung des Publikums mit langem Applaus und vielen Bravo-Rufen, war doch gegen Ende eine deutliche Unruhe zu bemerken. Ob dies an den langen statischen, ruhigen Passagen lag, die zuweilen zu einer gewissen Eintönigkeit führten oder doch nur an den unbequemen Stühlen?

Isabell Seider

Bild: Judith Schlosser
Das Bild zeigt: v.l.n.r. oben: Solistes XXI, Tora Augestad / unten: Ueli Jäggi, Isabelle Menke, Olivia Grigolli, Catriona Guggenbühl, Carina Braunschmidt, Bettina Stucky / vorne: Klangforum Wien

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