Bremen, Theater – EUGEN ONEGIN

von Piotr I. Tschaikowsky (1840-1893), Lyrische Szenen in drei Akten, Libretto: Konstantin S. Schilowsky und Piotr I.Tschaikowsky nach dem Roman von Alexandr Puschkin, UA: 1879, Moskau Maly-Theater
Regie: Tatjana Gürbaca, Bühne: Silke Willrett und Marc Weeger, Licht: Christian Kemmetmüller, Dramaturgie: Juiane Luster
Dirigent: Daniel Montané, Orchester: Bremer Philharmoniker Chor: Tarmo Vaask,
Solisten: Barbara Buffy (Larina), Nadine Lehner (Tatjana),Tamara Klivadenko (Olga), Irina Ostrovskaia (Filipjewna), Juan Orozco (Eugen Onegin), Jared Rogers (Lenski), Jose Gallisa (Gremin), Franz Becker-Urban (Hauptmann), Romualdas Batalauskas (Saretzki), Christian-Andreas Engelhardt (Triquet),
Besuchte Aufführung: 15. November 2009 (Premiere, in russischer Sprache gesungen)

Kurzinhalt
bremen-eugen-onegin.jpgAuf dem Landgut arbeiten und plaudern Tatjana und Olga und deren Amme Filipjewna. Sie geraten in Aufregung, als Olgas Verlobter Lenski seinen Freund Eugen Onegin vorstellt, der auf Tatjana einen tiefen Eindruck macht. Sie schreibt Onegin des Nachts einen Brief. Onegin bringt ihr eine kühle Antwort: Er sei zu keiner tieferen Bindung bereit und warnt sie vor unvorsichtigen Gefühlsausbrüchen ihm gegenüber. Auf einem Ball spielt der gelangweilte Onegin Lenski einen Streich, indem er Olga den Hof macht. Durch die darauf folgende Auseinandersetzung der beiden Männer schlägt die Stimmung auf dem Fest um. Lenski fordert Genugtuung. Obwohl der Haß zwischen beiden verflogen ist, duellieren sie sich, und Onegin erschießt seinen Freund. Nach Jahren gerät Onegin in einen Adelspalast und trifft dort wieder auf Tatjana, die inzwischen den Fürsten Gremin geheiratet hat. Er fühlt sich zu ihr hingezogen und sein Auftauchen belebt auch bei Tatjana alte Gefühle, doch sie erinnert ihn an sein einstiges kränkendes Verhalten. Die Konvention erlaubt es ihr als verheirateter Ehefrau außerdem nicht, sich von ihrem Mann zu trennen. Onegin bricht verzweifelt zusammen.
Aufführung
Die tragische Geschichte der unmöglichen Liebe zwischen Tatjana und dem seine Identität suchenden Onegin spielt sich in alltäglicher Kleidung ab. Die ersten beiden Akte beinhalten Szenen, in die sich der Zuschauer gut hineinversetzen kann. Ein solch ausgelassenes Fest, hier in der Sauna stattfindend, dessen Stimmung durch eine eifersüchtige Auseinandersetzung umschlägt, hat womöglich jeder schon einmal erlebt. Beim Gerangel der beiden Freunde um den Revolver löst sich ein Schuß. Onegin stürzt zu seinem tot vor ihm liegenden Freund. Der Ball zu Beginn des dritten Aktes wird zu einer sich selbst karikierenden, karnevalistisch anmutenden Parade, bei der die Gäste fahnenschwenkend eine Rakete durch die Gegend tragen. Der Palast ist ein Konferenzraum. Ihren Aufstieg in die gehobene Gesellschaft zeigt Tatjana durch das Einsammeln von Spendengeldern für das Rote Kreuz.
Sänger und Orchester
Daniel Montané läßt die Bremer Philharmoniker Tschaikowskys Komposition, dramatisch sich hochschraubend, weniger lyrisch getönt interpretieren. Der Opernchor verkörpert seine die Gesellschaft charakterisierenden Rolle energiegeladen und musikalisch temperamentvoll. Nadine Lehner (Tatjana) beherrscht die Aufführung und singt herausragend. In der für die Oper zentralen Briefszene bringt sie wirkungsvoll alle emotionalen Schattierungen der Ambivalenz zum Ausdruck, die Tatjana angesichts ihrer Liebe zu Onegin in sich trägt. Juan Orozco (Onegin) bewegt sich zu plump, singt sicher, wenn auch zu laut und zu wenig differenziert, als daß er damit die psychologischen Untiefen der Figur des Onegin ausloten könnte. Irina Ostrovskaia (Filipjewna) gestaltet ihre Nebenrolle als Amme stimmlich und vor allem schauspielerisch authentisch, ihr Konflikt zwischen Tradition und Emotion wird gut nachvollziehbar. Tamara Klivadenko (Olga) bildet durch ihre Stimme ebenso wie durch ihr offenes Auftreten einen glaubwürdigen Gegensatz zu ihrer introvertierten Schwester. Jared Rogers (Lenski) gelingt es, den sich ereifernden und enttäuschten Freund lebendig werden zu lassen, wenn auch sein Stimmvolumen manchmal zu gering ist. Jose Gallisa (Gremin) singt seine Arie überzeugend mit einem wohlklingenden, in der Tiefe auch bedrohlich wirkenden Baß.
Fazit
Eine Inszenierung, die durch die psychologisch stimmige Personenführung beeindruckte, wodurch die Darstellung des Dramas, das keine Gut und Böse hergibt, glaubhaft wurde. Das Publikum gab deutliche Buhs für die Entgleisungen der Inszenierung von sich: Weder die politische Machtdemonstration zu Beginn des dritten Aktes noch der angedeutete Sexualakt zwischen Tatjana und Onegin wurden toleriert. Begeisterten Applaus gab es für die herausragende Nadine Lehner und die musikalische Leistung des Ensembles, das in russischer Sprache singend alles gab.

Carola Jakubowski

Bild: Jörg Landsberg
Das Bild zeigt : Tatjana und Onegin finden nicht zueinander

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