Detmold, Landestheater – DER RING DES NIBELUNGEN

von Richard Wagner (1813-1883); Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend; Text vom Komponisten; UA: 1876, Bayreuth.
Regie: Kay Metzger, Bühne: Petra Mollerus
Dirigent: Erich Wächter, Orchester, Chor, Extrachor und Ballett des Landestheaters Detmold
Solisten: Mark Morouse (Wotan im Rheingold, Wanderer), Tomasz Konieczny (Wotan in Walküre), Johannes Harten (Loge, Siegmund, Siegfried in Götterdämmerung), Joachim Goltz (Alberich), Evelyn Krahe (Erda), Brigitte Bauma (Sieglinde), Sabine Hogrefe (Brünnhilde), Lawrence Bakst (Siegfried in Siegfried), Bruno Gebauer (Mime in Siegfried), Andreas Jören (Gunther), Renatus Meszar (Hagen), Brigitte Bauma (Gutrune), u.a.
Besuchte Aufführung: 3. bis 10. Oktober 2009 (erster Zyklus)

Kurzinhalt
detmold-ring.jpgDer Ring beginnt mit der Entstehung der Welt und endet mit ihrem Untergang. Es geht um Habgier, Machtbesessenheit, Intrigen und eine ungerechte, sterbende Weltordnung. Wotan und die Götter kämpfen um die Macht gegen Alberich und die Nibelungen. Wotan bezieht seine Macht aus dem Speer, den er aus der Weltesche geschnitten hat, Alberich aus dem Ring, den er aus dem geraubten Rheingold geformt hat. Den Ring verliert Alberich an die Riesen, die den Göttern die Burg Walhall bauten. Wotan will den Ring zurückgewinnen, ein erster Versuch mit Siegmund und Sieglinde scheitert. Deren Sohn Siegfried ist der freie Held, der den Drachen tötet und den Ring erbeutet. Siegfried wird Opfer einer großen Intrige seiner Braut Brünnhilde und im Kampf um den Ring getötet. Sein Untergang wird zum Untergang der Welt und ihrer Ordnung.
Aufführung
Eigentlich kann man den Ansatz der Regie, die vier Ringteile in vier verschiedenen Zeitperioden anzusiedeln, als Vereinfachung ansehen. Zum einen, weil eigenständige Produktionen entstehen, zum anderen, weil die Erklärung der Übergänge zwischen den Teilen entfällt. Die Brüche, die entstehen, wenn Personen aus verschiedenen Zeitebenen aufeinandertreffen, lösen die Darstellung der komplexen Handlung auf:
Das Rheingold spielt im Zeitalter des Absolutismus, Wotan ist ein absolutistischer Fürst wie Ludwig XIII., Loge sein Kardinal Richelieu mit dem Grundsatz „Der Zweck heiligt die Mittel“. Seine Mitstreiter entstammen einer teils barocken, teils spätbarocken Gesellschaft. Die Rheintöchter tanzen in einer ansehnlichen Ballett-Einlage um den Rheingold-Brunnen. Walhall ist das Hermann-Denkmal und sorgt so für etwas Lokalkolorit. Die Walküre spielt in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Wotan ist immer noch Mitglied einer mondänen Gesellschaft, hat aber bereits abgedankt. Die weiß gekleideten Walküren führen mittels Pfeil und Bogen die toten Helden aus dem Schützengraben nach Walhall: Ein zweites, sehenswertes Ballett. Siegfried spielt den Hippie der 70er Jahre, der von Wasserpfeife rauchenden Blumenmädchen-Rheintöchtern beraten wird. Woglinde übernimmt dabei den Part des Waldvogels. Mime wohnt in einem Wohnwagen auf einem Zeltplatz. Als unter den Zelten eine Schmiede hervorkommt, holt Mime seine alte Wehrmachtskluft hervor und malt sich ein Lippenbärtchen an. Fafner lebt in einem biederen Häuschen mit Blumenkästen, sein Gold stapelt er unterm Bett, das er mit einem Maschinengewehr bewacht. Wotans Weckruf ergeht aus einer Telefonzelle, in die die Rheintöchter Alberich sperren. Die für das Jahr 1968 assoziierte Abrechnung mit der Vätergeneration erfolgt zuerst mit Fafners und Mimes Tod durch Siegfried Schwert. Dann beendet Siegfried die Herrschaft Wotans endgültig, als er seinen Speer spaltet. Die Götterdämmerung spielt in einer futuristischen Zukunft, Erinnerungen an Science-Fiction-Klassiker wie Stanley Kubricks Dr. Seltsam oder Terry Gilliams 12 Monkeys kommen auf. Der Kampf um den Ring beginnt mit ungeahnten neuen Mitteln. Diese scheinen jedoch ausschließlich der Manipulation der Menschen zu dienen. Hagen ist der große Manipulator, er kontrolliert die Medien und muß sich doch immer wieder seiner Mutter Kriemhilde (einer stummen Rolle) stellen. Für die außerhalb dieser Welt lebenden Rheintöchter ist eine Eiszeit angebrochen. Der Kampf endet an Wotans Tafel, es lodert der Weltenbrand aus der verdorrten Weltesche und hinterläßt nur einen toten Gunther und herumsitzenden Hagen.
Sänger und Orchester
Streng genommen besteht dieser erste Zyklus aus vier Wiederaufnahmen zurückliegender Premieren. Diese Wiederaufnahmen mit geänderter Besetzung konnten offensichtlich nur wenig geprobt werden. Das führte zu einer Reihe von Abstimmungsproblemen im Orchester und auch mit den Solisten. Solch ein Gepolter im Orchester und Hänger der Solisten bei ihren Einsätzen, wie man sie hörte, regeln sich im Verlauf der weiteren Vorstellungen dank einer gewissen Routine. Für einen Premierenzyklus kam es dann aber doch etwas zu häufig vor.
Zwar spielt man in einer verkleinerten Orchesterbesetzung mit rund 70 Musikern. Gerade damit gelingt es GMD Erich Wächter, ein transparentes Klangbild zu formen. Zum Teil mag das der guten Akustik des historischen Hoftheaters des Fürstentums Lippe geschuldet sein.
Unbestrittener Liebling des Publikums war Joachim Goltz als Alberich. Mit viel baritonaler Wucht und heldischem Glanz sang er auch noch dort, wo andere Kollegen zum Sprechgesang übergehen. Ihm standen die beiden Wotane Mark Morouse und Tomasz Konieczny in nichts nach. Der Spielwitz im Rheingold und die gefürchteten Höhen in der Walküre wurden mehr als achtbar gemeistert. Diese drei Baritone kann man sich auch an größeren Häusern vorstellen. Johannes Harten war in den Tenor-Rollen stellenweise überfordert. Er hatte in der Höhe keinen Glanz und baute auch im Verlaufe des Rheingold stimmlich hörbar ab. Brigitte Bauma hörte sich als Göttin der Jugend (Freia) älter an als Fricka – keifend gesungen von Monika Waeckerle –, als Sieglinde versuchte sie es mit Kraft, und konnte mit ihrem Tremolo in den dramatischen Abschnitten der Rolle überzeugen. Christoph Stephinger verlieh mit seinem fast schwarzen Baß und ausdrucksvoller Tiefe der Rolle des Hunding die nötige Bösartigkeit. Sabine Hogrefe ist eine Nachwuchshoffnung als dramatischer Sopran. Ihre Schwächen besserten sich bereits im Laufe des Rings, aber ab und an klingt sie noch flatterig und kehlig in der Höhe. Lawrence Bakst ist ein bekannter Heldentenor aus der zweiten Reihe. Den Siegfried mit seinen Schmiedeliedern meisterte er mit heldentenoralem Strahlen ohne Fehl und Tadel. Bruno Gebauer als Mime hat das passende Alter für die Rolle (69 Jahre) und klingt auch so. Evelyn Krahe singt mit ihrem kräftigen dunklen Mezzo eine fesselnde Erda und Waltraute. Besonders bemerkenswert, daß sie nebenher auch noch als Norn und Rheintochter mitsingt. Renatus Meszar (Hagen) ist ein strahlender Heldenbaßbariton mit großer Spielfreude und sicherer Technik. Sein Potential zeigte sich schon im Ring in Weimar eindrucksvoll.
Fazit
Im Vorgriff Richard Wagners Geburtsjahr 2013 sprießen die Ringe. Auch das Landestheater Detmold hat mit wenig Geld und viel Energie einen Ring auf die Beine gestellt, dem man Bewunderung zollen muß. Sicherlich, die Vorgabe, eine Gastspielproduktion ins Programm zu nehmen (man zeigt diesen Ring auch an anderen Häusern) engt die Möglichkeiten der Bühnentechnik ein. Das Konzept, die Ringteile in vier verschiedenen Zeitperioden anzusetzen, ermöglicht ungewohnte, teils neue Perspektiven. Musikalisch ist die Mischung aus altgedienten Kräften aus der zweiten Reihe und Nachwuchssängern sehr interessant. Die lautstarke Unterstützung des Publikums gibt jedoch Ansporn, kleinere Probleme in den kommenden Vorstellungen auszugleichen. In der Summe war dieser Ring eine gute Leistung, die dem Haus einen Platz in der Liste der empfehlenswerten Ring-Produktionen, die man derzeit in Deutschland/Europa sehen kann.
Oliver Hohlbach

Bild: Hörnschemeyer/Worms
Das Bild zeigt: Walküre: Der Feuerzauber ist wenig spektakulär

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