Bonn, Opernhaus – EZIO

von Georg Friedrich Händel, Opera seria in drei Akten, Libretto: Pietro Metastasio, inspiriert von Jean Racines Schauspiel Britannicus. UA: 15. Januar 1732, King´s Theatre Haymarket, London, Regie: Aldona Farrugia nach Günter Krämer, Bühne: Jürgen Bäckmann, Kostüme: Falk Bauer
Dirigent: Andrea Marchiol, Beethoven Orchester Bonn, erweitert mit Theorbe und Cembalo
Solisten: Yosemeh Adjei (Ezio, Countertenor), Mariselle Martinez (Valentiniano, Mezzo), Julia Kamenik (Fulvia, Sopran), Susanne Blattert (Onoria, Mezzo)), Giorgos Kanaris (Massimo, Bariton), Martin Tzonev (Varo, Baß), Witalij Kühne (Valentiniano II, Tänzer); Tänzer
Besuchte Aufführung: 4. Oktober 2009 (Premiere, Koproduktion mit den Schwetzinger Festspielen)

Kurzinhalt
bonn-ezio.jpgDie Handlung ist im Jahr 451 n.Chr. angesiedelt, die Vorherrschaft des römischen Weltreichs neigt sich dem Ende zu. Der Konsul und Feldherr Ezio (Aetius) Flavius, kehrt siegreich aus der Schlacht gegen die Hunnen unter Attila nach Rom zurück. Der kaisertreue Kämpfer ist den Intrigen am Hof von Kaiser Valentiniano (Valentinianus) nicht gewachsen. Dieser macht Ezio nicht nur seine Braut Fulvia streitig, sondern beschuldigt ihn, angestachelt von seinem intriganten Minister Maximus (Massimo), des Hochverrats und verurteilt ihn zum Tode. Die Hinrichtung erfolgt nur zum Schein. Am Ende, nach Auflösung eines intriganten Komplotts, kann Ezio Fulvia in die Arme schließen und Kaiser Valentiniano entpuppt sich als gnädiger Herrscher.
Aufführung
Bereits während der Ouvertüre sind die Protagonisten Valentiniano und Ezio auf der Vorderbühne: Ezio trägt einen heutigen Kampfanzug, dazu einen Stahlhelm. Er ist blutverschmiert und hält in der Hand eine durchsichtige Plastiktüte, darin – ein abgeschlagener menschlicher Kopf. Kaiser Valentiniano steht vor einem Spiegel und bewegt sich wie ein Tänzer bei Tanzübungen. Als sich die Bühne nach hinten weiter öffnet, sieht man eine Säulengalerie. Diesen Raum bevölkert das Personal des Stückes. Alle sind elegant in einen Frack gekleidet. Fulvia trägt ein Abendkleid, Onoria ein knöchellanges Kostüm.
Die Rolle des Kaisers Valentiniano wurde gedoppelt: Einen Part übernimmt die Altistin Mariselle Martinez. Sie charakterisiert die besonnene Seite des Kaisers. Den anderen verkörpert der Tänzer Witalij Kühne. Er stellt die Aggressionen des Kaisers gegen seine Höflinge dar.
Der Heimkehrer Ezio wird von allen bewundert. Gemeinsam säubert der Hofstaat ihn in einer Badewanne vom Blut des Schlachtfeldes. Am Ende legt man ihm während er die Arie Se la mia vita dono è Augosto – Wenn das Leben ein Geschenk von Augustus ist singt, einen Frack an. Nun gehört er optisch zur höfischen Gesellschaft. Im ersten Akt steht ein Panzer auf der Bühne. Ezio erklimmt ihn, um Se fedele mi brama – wenn ich mich noch Treue sehne bravourös zu singen (Sonderapplaus). Im dritten Akt hängt das Kriegsfahrzeug an Stahlseilen in dem von Nebelschwaden erfüllten Bühnenhimmel. Die fünf (nicht bei Händel/Metastasio vorgesehene) Tänzer, die Höflinge und Kämpfer darstellen, ergänzen tanzend fast alle Arien. Mit der Zeit bekommt diese Aktion gewisse stereotype Züge. Waffen, in der Hinterhand gehalten, und maskenhafte Freundlichkeit symbolisieren das höfische Intrigenspiel. Die Hinrichtungsszene im letzten Akt bleibt hinter einer schwarzen, düsteren Wand verborgen, auf die der Valentiniano-Tänzer mit Kreide mehr und mehr Namen schreibt. Doch es ist eben nur eine Scheinhinrichtung. Ezio überlebt und im Schlußbild regnet es Rosenblätter.
Sänger und Orchester
Der Countertenor Yosemeh Adjei ist ein Glücksfall der Besetzung. Mit Bravour bewältigte er die Vielzahl seiner Arien und ist auch schauspielerisch gut. Julia Kamenik (Fulvia) verfügt über einen wunderschönen Sopran, den sie leider im Gegensatz zu ihm nicht besonders an barocker Literatur geschult hat und entsprechend „modern“ einsetzt. Mariselle Martinez (Mezzo) beeindruckte nachhaltig. Susanne Blattert, Giorgos Kanaris, sowie Martin Tzonev singen ihre Partien überzeugend. Das Orchester der Beethovenhalle wurde von einem mit barocker Musik vertrauten Andrea Marchiol (er war u.a. Assistent von Thomas Hengelbrock und René Jacobs) geleitet. Besonders die zweite Hälfte der Oper nahm die Zuschauer mit ihrer aufblühenden Interpretation gefangen. Theorbe und Bläser gaben ihr bestes.
Fazit
Eine hörenswerte Aufführung. Auf der Bühne sieht man allerdings keine Barockoper. Die für eine Barockoper typischen Arien wurden von den Sängern eindrucksvoll gesanglich gestaltet. Hervorzuheben ist Yosemeh Adjei, der auf sehr hohem Niveau zu erleben war. Die Regie trug mitunter durch grelle Effekte (Kopf in der Plastiktüte und ähnliches) reichlich dick auf. Streng genommen wäre das Kriegsfahrzeug (Panzer) entbehrlich gewesen; denn Ezios blutverschmiertes Schwert und andere Waffen sprechen ohnehin die Sprache der Gewalt.
Felizitas Zink

Bild: Thilo Beu
Das Bild zeigt: Yosemeh Adjei (Ezio; von hinten), Witalij Kühne (Valentiniano Double), Mariselle Martinez (Valentiniano)

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