Berlin, Deutsche Oper – DIE FRAU OHNE SCHATTEN

von Richard Strauss (1864 – 1949), Oper in drei Akten, Text von Hugo von Hofmannsthal
UA: 1919 Wien
Inszenierung: Kirsten Harms, Bühnenbild und Kostüme: Bernd Damovsky, Dramaturgie: Andreas K. W. Meyer
Dirigent: Ulf Schirmer, Orchester der Deutschen Oper Berlin, Chor der Deutschen Oper Berlin, Einstudierung: William Spaulding, Kinderchor der Deutschen Oper Berlin, Einstudierung: Dagmar Fiebach
Solisten: Manuela Uhl (Kaiserin), Robert Brubaker (Kaiser), Doris Soffel (Amme), Stephen Bronk (Geisterbote), Eva Johansson (Baraks Weib), Johan Reuter (Barak, der Färber), Hulkar Sabirova (Hüter der Schwelle, Stimme des Falken), u.a.
Besuchte Aufführung: 27. September 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
berlin-do-frau-o-schatten.jpgDie Kaiserin der südöstlichen Inseln stammt aus dem Feenreich. Noch gehört sie nicht ganz zu den Menschen, denn sie wirft keinen Schatten und kann keine Kinder empfangen. Ihrem Gatten droht darum die Verwandlung in Stein. Ihre Amme, die sich zum Ziel gesetzt hat, sie wieder zurück in das Feenreich zu bringen, macht sich mit ihr auf in die Menschenwelt zu dem Färber Barak und seiner jungen Frau. Auch sie haben keine Kinder, allerdings deshalb, weil die Färbersfrau es nicht will. Die Amme versucht, der Färbersfrau ihren Schatten und damit ihre Fruchtbarkeit abzukaufen, doch die Kaiserin schreckt davor zurück, ihr Glück mit dem Leid anderer zu erkaufen und erlöst durch ihren Verzicht ihren Mann und das Färberehepaar.
Aufführung
Kirsten Harms siedelt die Oper inszenatorisch in der Zeit ihrer Entstehung an, also in der Zeit des ersten Weltkrieges. Zwei Sphären werden einander in den ersten beiden Akten gegenübergestellt: der steinerne Palast des Kaisers und das armselige, von vielen in Lumpen gehüllten Gestalten erfüllte Haus des Färbers. Im dritten Akt bewegen sich die Akteure durch eine Mondlandschaft mit rauchenden Kratern. Die Räume aller Bühnenbilder sind eng, düster und karg. Leuchtende, bunte Farben fehlen. Viele vom Libretto vorgeschriebene szenische Effekte dieser Zauberoper werden nicht umgesetzt, etwa die märchenhafte Kahnfahrt der schlafenden Kaiserin am Schluß des zweiten Aktes. Das Spiel mit Symbolen, das dieses Werkes auszeichnet, bleibt nahezu ganz ausgeklammert.
Sänger und Orchester
Die drei weiblichen Hauptpartien dieses Werkes brauchen vor allem starke Stimmen, um gegen das gewaltige Orchester, das Strauss hier vorsieht, überhaupt eine Chance zu haben. Über diese verfügen die drei wichtigsten Sängerinnen des Abends zweifelsohne. Manuela Uhl als Kaiserin und Doris Soffel als Amme vermochten daneben noch mit der schauspielerischen Darstellung ihrer Rollen zu überzeugen, was Eva Johansson als Färbersfrau nicht immer gelang. Eine gewisse Steifheit ihres Spieles sowie etliche stereotyp ausgeführte Gesten ließen ihren Vortrag ein wenig eintönig werden. Rein stimmtechnisch lieferte sie allerdings eine imponierende Leistung ab, indem sie die dynamischen Schattierungen ihrer Partie differenziert herausarbeitete. Die Deutlichkeit des Gesangstextes ist in dieser Oper vor allem bei denjenigen Passagen, die aus langen, hohen Tönen bestehen, ein Problem, mit dem Manuela Uhl gut, Doris Soffel allerdings nicht immer überzeugend fertig wurde. Ebenfalls deutlich, allerdings allzu forciert und schauspielerisch statisch war der Gesangsvortrag Robert Brubakers (Kaiser). Sein Bestreben, den starken Orchesterklang übertönen zu wollen, wirkte vor allem bei seinem Auftritt im ersten Akt viel zu gewaltsam, auch wenn die Tongebung an sich ausgeglichen und sein Gesang technisch akkurat ist. Sowohl darstellerisch als auch stimmlich am überzeugendsten war Johan Reuter als Barak. Seine Gesangsdarbietung war erstaunlich wenig schwerfällig. Bei Reuter paart sich ein angenehmes Timbre mit einer ausnehmend gut verständlichen Aussprache des Textes, und er verkörperte die Figur des Färbers glaubwürdig.
Ulf Schirmers Dirigat dieser Oper, die zum Anspruchsvollsten gehört, was Strauss je geschrieben hat, vermochte den unerhörten Farbeinreichtum der Partitur zum Leuchten zu bringen. Klar erkennbar ging es Schirmer darum, Wohlklang zu erzeugen, all den gewagten Registerwechseln, virtuosen Instrumentalpassagen und Orchestereffekten zum Trotz. Dies gelang, und darüberhinaus vermochte er das Orchester stets gegenüber der Bühne dynamisch so auszubalancieren, daß die Stimmen der Sänger nirgends verdeckt wurden. Beeindruckend durchhörbar gelang vor allem die gewaltige Schlußmusik des zweiten Aktes, die rhythmisch ebenso kompliziert ist wie die gesamte Oper, aber bei vollem Einsatz des Tuttis leicht ins Lärmende abgleiten kann.
Fazit
Die Inszenierung transponiert die Handlung ins Menschliche und eliminiert die märchenhaften Züge der Oper. Dadurch wird einerseits die Möglichkeit gewonnen, die Handlung realistisch – und nicht symbolisch – wirken zu lassen. Andererseits stehen die prachtvolle Musik und das nüchterne Bühnenbild in einem seltsamen Kontrast. Musikalisch ist die Aufführung großartig. Es gibt keine wirklichen sängerischen Schwachstellen und die Schwierigkeiten der Partitur werden vom Orchester souverän gemeistert.
Dr. Martin Knust

Bild: Marcus Lieberenz im Auftrag der DEUTSCHEN OPER BERLIN
Das Bild zeigt: Manuela Uhl (Kaiserin) und Doris Soffel (Amme)

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