Rossini Festival in Bad Wildbad 2019, Kurtheater

Tancredi

von Gioacchino Rossini (1792-1868), Oper in zwei Akten Libretto: Gaetano Rossi nach Tancrède von Voltaire, UA: 6. Februar 1813 Venedig, Teatro La Fenice, gespielte Fassung vom 21. März 1813 Ferrara, Teatro Comunale

Regie: Jochen Schönleber, Bühne: Dragan Denga, Ivana Vukovic, Kostüme: Martin Warth, Licht: Oliver Porst

Dirigent: Antonino Fogliani, Orchester: Passionart Orchestra Krakow, Chor: Górecki Chamber Choir

Solisten: Diana Haller (Tancredi), Elisa Balbo (Amenaide), Patrick Kabongo (Argirio), Ugo Guagliardo (Orbazzano), Diletta Scandiuzzi (Isaura), Claire Gascoin (Roggiero)

Besuchte Aufführung: 25. Juli 2019

Vorbemerkung

Das Festival existiert seit 1989 im Schwarzwälder Kurort Bad Wildbad, wo sich Rossini seinerzeit einmal zur Kur aufhielt. Jedes Jahr finden Opern und Konzerte an verschiedenen Orten statt wie dem Kurtheater, der Trinkhalle oder dem König-Karls-Bad. Das Opernhaus liegt idyllisch direkt am Kurpark zwischen Bäumen und dem Fluß Enz. Das Gebäude stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und wurde vor einiger Zeit wieder für den Kulturbetrieb instand gesetzt.

Kurzinhalt

Die Handlung spielt im Syrakus um das Jahr 1005. Die Stadt wird von außen durch die Sarazenen bedroht, im Innern herrscht Bürgerkrieg. Die Edelmänner Argirio und Orbazzano kämpfen um die militärische Vorherrschaft und haben sich verfeindet. Dazu kommt der jugendliche Ritter Tancredi, der sich in Argirios Tochter Amenaide verliebt hat, aber nach Byzanz verbannt wurde. Um den inneren Frieden zu sichern beschließt Argirio, seine Tochter an Orbazzano zu verheiraten. Heimlich bittet Amenaide ihren Geliebten Tancredi in einem Brief um Hilfe. Dieser ist aber bereits inkognito am Hof Argirios in Syrakus, fordert Orbazzano im Duell heraus und siegt. Kurz später zieht er in die Schlacht gegen die Sarazenen und kehrt schwer verwundet zurück. Er stirbt in den Armen seiner Geliebten.

Aufführung

Der Vorhang ist bereits zu Beginn der Ouvertüre geöffnet. Hier werden die Ausgangssituation und der vorherrschende Konflikt pantomimisch dargestellt. Der Bühnenraum ist in dunklen Farben gehalten, Beleuchtung wird spärlich eingesetzt und die Requisiten werden ebenfalls auf ein Minimum reduziert. So sieht man z.B. die Soldaten zu Beginn des Ersten Akts beim Trinkgelage am Tisch. Infolge dessen reduziert sich das Geschehen auf die Interaktion der Sänger, die nahezu ausschließlich durch ihren körperlichen Ausdruck interagieren. Im Hintergrund erkennt man noch ein Gefängnisgitter, das sich wechselweise öffnet und schließt. Die Kostüme sind modern gehalten, und auch hier dominieren dunkle Farbtöne. Argirio tritt auf einen Stock gestützt auf, Isaura zückt einige Male eine Pistole, zögert jedoch immer wieder den Abzug zu drücken.

Sänger und Orchester

Den Sängern wird in dieser Produktion sehr viel Freiheit gelassen. Dies wirkt sich hörbar musikalisch aus. Der erste Soloauftritt gehört Diletta Scandiuzzi als Isaura. Ihr warmtönender, tiefer Mezzosopran ist kräftig und farbenreich. Sie eröffnet die Szene des Ersten Aktes mit Sia tra voi concordia eguale delle insegne al bel candore – Zwischen euch soll Eintracht herrschen. Einen ebenso großen Auftritt hat Diana Haller als Tancredi mit Oh patria – Oh Vaterland in der fünften Szene. Ein weit ausladendes messa di voce läßt das volle Timbre ihres Mezzosopran zur Geltung kommen und spannt musikalisch den Bogen zum morendo der Sterbeszene am Ende der Oper.

Ein eindrucksvoller Orbazzano ist Ugo Guagliardo mit einem massiven, sonoren Baß. Sein Volumen ist raumfüllend, seine Artikulation mehr als präzise. Ihm zur Seite steht der Tenor Patrick Kabongo als Argirio. Dieser zieht alle Belcanto-Register und reißt das Publikum u.a. mit seiner Arie Pensa che sei mia figlia – Bedenke, daß du meine Tochter bist zu Applausstürmen hin. Elisa Balbo (Amenaide) ist ein schillernder Sopran, der in klaren Linien eine klar konturierte Partie singt. Einer der dramatischen Höhepunkte ist das Duett Amenaide – Tancredi L’aura che intorno spiri – Oh Luft, die um mich weht, wo beide Sängerinnen zur Höchstform auflaufen. Auch die kleine Partie des Roggiero ist mit Claire Gascoin gut besetzt. Zwar dominieren hier Rezitativpartien und im Zweiten Akt ist nur eine Arie zu singen Torni alfin ridente e bella Kehre lachend und schön zurück – doch auch hier überzeugen stimmliche Souveränität und Klarheit der Artikulation.

Überraschend ist das Engagement der Passionart Orchestra Krakau, einem jungen polnischen Ensemble, das der Rossinipartitur allerhand Klangfarben und schwungvolle Rhythmen entlockt. Unter der Leitung von Antonino Fogliani entsteht so ein packendes Opernerlebnis, bei dem sich Sänger und Orchester gegenseitig die Bälle zuwerfen. Auch der Opernchor verdient Erwähnung: er besteht aus rund zehn Männern in jugendlichem Alter, die ihre Soldatenpartien mit aller nur erdenklicher Mannhaftigkeit in den Saal schmettern.

Fazit

Dieser Tancredi ist ein durchaus interessanter gelungener Operncoup. Die Inszenierung von Jochen Schönleber ist sehr zurückhaltend und läßt den Sängern alle Möglichkeiten zur künstlerischen Entwicklung. Im Gegensatz zu Auftritten an Repertoiretheatern ersticken diese nicht in Regieideen und Verfremdung. Die dunklen Farben auf der Bühne widersprechen zwar an vielen Stellen der Grundstimmung der Oper, lenken aber den Blick nicht sonderlich vom Geschehen ab und erzeugen eine gewisse Distanz.

Daniel Rilling

Bild: Patrick Pfeiffer

Das Bild zeigt: Elisa Balbo (Amenaide) (Mitte), Patrick Kabongo (Argirio), Diletta Scandiuzzi (Isaura), Diana Haller (Tancredi) (ganz re.)

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