Neues vom Tage – Coburg, Landestheater

von Paul Hindemith (1895-1963), Lustige Oper in drei Teilen, Libretto: Marcellus Schiffer, Fassung 1928/29, UA: 8. Juni 1929 Berlin,

Kroll-Oper

Regie: Tibor Torell, Bühne/Kostüme: Sibylle Gädeke

Dirigent: Johannes Braun, Philharmonisches Orchester und Chor des Landestheater Coburg, Choreinstudierung: Mikko Sidoroff

Solisten: Rannveig Karadottir (Laura), Marvin Zobel (Eduard), Milen Bozhkov (Der schöne Herr Herrmann), Dirk Mestmacher (Herr M), Kora Pavelic (Frau M), Marcello Mjia-Mejia (Standesbeamter), Bartosz Araszkiewicz (Fremdenführer), Christian Huber (Hoteldirektor/ Zimmermädchen/ Oberkellner), u.a.

Besuchte Aufführung: 30. März 2019 (Premiere)

Kurzinhalt

Laura und Eduard sind frisch verheiratet, schon folgt der erste Streit. Beiden ist klar: Wir lassen uns scheiden! Problem: 1929 benötigt man einen Scheidungsgrund. Frau und Herr M empfehlen ihnen die Dienste des „Büros für Familienangelegenheiten“, die als perfekten Scheidungsgrund den schönen Herrn Hermann vermieten. Doch der inszenierte Seitensprung wird zum Desaster: Eduard zerschlägt in rasender Eifersucht die wertvolle Venusstatue des Museums, Laura wird anschließend in der Hotelbadewanne liegend mit Herrn Hermann erwischt – für die lokale Klatschpresse ein gefundenes Fressen. Laura und Eduard sind die Neuigkeit des Tages. Sie lassen sich vermarkten, um das Geld für die Scheidung und den Schaden aufzubringen. Als sie sich doch nicht trennen wollen, ruft das genauso heftigen Protest hervor.

Aufführung

Eigentlich spielt die Handlung vor einem großen Bretterzaun, an dem Zeitungsartikel, Plakate oder Fotos angebracht sind. Dieser Zaun öffnet sich: mal sind es Fenster, hinter denen Reporter sitzen, mal öffnet er sich als zweiflügeliges Tor, um den Blick freizugeben auf ein großes Wahlplakat, auf Besucher in einem Museumsraum, auf eine Rampe mit Rahmen oder auf ein großes rosa Badezimmer von oben – mit Schaum vor der Badewanne. Das Ensemble ist zeitlos gekleidet: das alte Ehepaar im roten Anorak und Rollator (die wieder jünger werden), das Ehepaar M kommt zweimal aus den Flitterwochen – einmal aus der Südsee und danach vom Skifahren in Norwegen. Die sechs Manager sind Gestalten der Filmgeschichte von Nosferatu bis Caesar. Der schöne Herr Hermann wird von Girls in Pünktchenblusen verfolgt und als running gag robbt eine Robbe über die Bühne.

Sänger und Orchester

Nur ein relativ kleines Orchester mit Streichern und Bläsern ist nötig. Den meisten Platz im Graben nimmt der Flügel und die Orgel ein. Das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Johannes Braun startet mit Elan und Esprit in die Ouvertüre, führt dann quasi wie eine Zeitreise durch die unterschiedlichen Musikrichtungen: Von Atonalität am Übergang der Romantik zur Moderne, von leicht swingender Revuemusik zur seichten Unterhaltungsmusik kann man ohne Nahtstelle umschalten. Diese Beweglichkeit stellt der bestens eingestellte Chor in vielerlei Auftritten ebenso unter Beweis, wobei der Unterschied zu den Solisten bei zwanzig Rollen etwas schwierig wird. Die sechs Manager und die sechs Girls sind aber auch eigentlich als kleiner Chor aufgestellt. Marvin Zobel ist der spielerisch eindrucksvolle Eduard, zusammen mit der gelenkigen Laura Rannveig Karadottir ein zwar zerstrittenes, aber doch bestens harmonisierendes Traumpaar. Sie überzeugt auch mit der klassischen Koloraturarie über die Vorzüge der Warmwasserversorgung. Gleiches gilt für die Familie M. Mit ausdrucksstarken, gefühlvollen Spieltenor besticht Dirk Mestmacher. Kora Pavelic als Frau M überzeugt mit einer sehr lyrisch ausgeprägten Stimme. Milen Bozhkov als der Liebhaber Herr Hermann ist am Haus der schwere italienische Tenor. Mit seinem weichen italienischen Timbre, verbunden mit strahlender Höhe, großem Stimmvolumen und Durchschlagsfähigkeit kann er von einem traumhaft leichten Piano zu einem durchaus kraftvollen Fortissimo anschwellen. Ein beliebter Liebhaber.

Fazit

Diese satirisch heitere Oper ist eine Abrechnung mit den goldenen zwanziger Jahren: hier wird nicht nur das Leben 1929 und die Klatschpresse mit ihrer Sensationsgier auf die Schippe genommen, nein, auch die Spätromantik und die Jazz-Kabarett-Revuen werden durch den Kakao gezogen. Und natürlich die absurd ausufernde preußische Verwaltung. Das wird mit den Mitteln eines absurd-surrealen Theaters umgesetzt. Bunt und in immer unwirklicheren Zusammenhängen oder Kostümen werden sie Situationen immer komischer. Und bei zwanzig Hauptrollen fällt für jedes Hausmitglied eine Rolle ab. Das Publikum folgt dem neunzigminütigen Spaß lachend und beklatscht die Produktion heftig – drei Vorhänge lang.

Oliver Hohlbach

Bild: Sebastian Buff

Das Bild zeigt: Die Show (über das Ehepaar in Scheidung) must go on

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