Madama Butterfly – Nürnberg, Staatstheater

von Giacomo Puccini (1858-1924), Tragödie in zwei Akten, Libretto: Luigi Illica und Giuseppe Giacosa nach dem Schauspiel Madame Butterfly von David Belasco, UA: 17. Februar 1904 Mailand, Teatro alla Scala

Regie: Tina Lanik, Bühne/Kostüme: Stefan Hageneier

Dirigent: Guido Johannes Rumstadt, Staatsphilharmonie Nürnberg, Chor des Staatstheaters Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask

Solisten: Barno Ismatullaeva (Cio-Cio-San, genannt Butterfly), Almerija Delic (Suzuki), Tadeusz Szlenkier (B.F.Pinkerton), Katrin Heles (Kate Pinkerton), Denis Milo (Fürst Yamadori), Sangmin Lee (Konsul Sharpless), Hans Kittelmann (Goro), Tada Girininkas (Onkel Bonze, ein Priester), Suren Manukyan (Kaiserlicher Kommissar), u.a.

Besuchte Aufführung: 23. März 2019 (Premiere)

Kurzinhalt

Der amerikanische Marineoffizier Pinkerton möchte in Nagasaki die Geisha Cho-Cho-San, genannt Butterfly, heiraten. Die Hochzeit wird von dem Heiratsvermittler Goro arrangiert – inklusive Familienfeier und Urkunden. Butterfly wird wegen der Heirat von ihrer Familie verstoßen, Pinkerton verläßt Butterfly nach der Hochzeitsnacht. Nach drei Jahren schickt Pinkerton einen Brief, den Konsul Sharpless überbringt. Als Antwort zeigt Butterfly ihm das aus der Hochzeitsnacht hervorgegangene Kind. Der Brief kündigt die Ankunft Pinkertons und seiner amerikanischen Ehefrau Kate an. Nachdem Butterfly das Kind diesen überlassen hat, ersticht sie sich aus enttäuschter Liebe – mit dem Dolch des Samurai, den einst ihr Vater zum Selbstmord verwendete.

Aufführung

Das Bühnenbild ist einfach und wenig ausdrucksvoll: Es soll auf einen heutigen japanischen Handlungsort verweisen. Auf einem Stufenpodest auf Bühnenbreite stehen zwei schräg aufgestellt hellbraune Wände, die mit zwei gitterförmigen Schiebetüren verlängert oder im Zentrum verschlossen werden können. Der hintere Wandteil hat Fenster, die mit Läden verschlossen sind. Diese öffnet Suzuki, um nach Schiffen zu spähen, oder damit das Licht der Abenddämmerung hereinfällt. Die Kostüme sind der heutigen Zeit zuzurechnen, Pinkerton trägt eine einfache weiße Marineuniform und Adiletten, die Offiziersmütze nutzt sein ungeborenes Kind für seinen spektakulären ersten Auftritt als Schlußbild des ersten Aktes. Cio-Cio-San trägt bis zur Hochzeit Kimono, ab dem Liebesakt ein T-Shirt und Jeans, in den Schlußakten ein rotes Kleid. Die glatzköpfige, niemals lächelnde Suzuki trägt einen schwarzen Kimono. Goro ist der servile, schleimige Heiratsvermittler, der seine Ware spärlich gekleidet und Handschellen auffährt und ständig seinen Leguan streichelt. Der ausgestopfte Konsul Sharpless ist in schlecht sitzendem weißem Polo und weißer Jeans als US-Konsul nicht vorstellbar. Kate Pinkerton kommt als blondes langbeiniges Mode-Püppchen daher.

Sänger und Orchester

Guido Johannes Rumstadt geht das Drama schon im Vorspiel flott an. Außerdem erreicht er eine für Nürnberger Verhältnisse hohe Lautstärke. Die fesselnde Wirkung, die klanglichen Raffinessen Puccinis und dessen dynamische, manchmal etwas platt süßlichen Effekte gehen unter, wie die Erkennungsmelodie der Butterfly – ebenso die Nachtwache der Butterfly. Beide fallen kaum musikalisch ins Gewicht.

Die Besetzung dieser Oper steht und fällt mit der Hauptrolle der Butterfly. Von der Darstellerin wird kindliche naive Freude und eine unendliche Leidensfähigkeit im ständigen Sehnen nach der Wiederkehr Pinkertons erwartet.

Für Barno Ismatullaeva ist das eigentlich kein Problem: Ihr schwerer dramatischer Sopran kennt keinerlei Probleme in den Höhen und Tiefen, technisch brilliert sie ständig und singt jede Phrase voll aus. Jedoch geht mitunter die zierliche Schönheit der Gesangslinie wegen der hohen Durchschlagskraft verloren. Schmerzlich bewußt wird das in ihrer Auftrittsarie Lo sono la fanciulla – ich bin das Mädchen. Tadeusz Szlenkier liegt ebenso auf dieser Linie. Ein Tenor im italienischen Fach, mit hohem Strahlglanz, der mit viel Pathos und Verve einem etwas tumben Pinkerton Kraft verleiht. Seine große Arie im dritten Akt Addio fiorito asil – Lebwohl blumengeschmückter Zufluchtsort kann er als ausdrucksstarke Glanznummer aus dem Off verbuchen – Mitleid sieht anders aus.

Sehr spannend das Stimmduell zwischen Pinkerton und Konsul Sharpless: Sangmin Lee kann als ausdrucksstarker Heldenbariton, die die Kritik des Konsuls an der Handlung Pinkertons deutlich werden lassen. Er kann dramatische Ausbrüche mit Furor glaubhaft gestalten, kann aber auch weich und nachdenklich in einem flüsterzarten Piano agieren. Gerade wenn er Butterfly auf das bittere Ende vorbereitet, ist das hilfreich. Hans Kittelmann als Goro bleibt hinsichtlich der Durchschlagskraft etwas hinter den Hauptprotagonisten zurück, aber als eloquent verständlicher lyrischer Tenor macht er das mehr als wett. Tada Girininkas gelingt es, Onkel Bonze den richtigen dramatischen Auftritt mit einer soliden Baßtiefe zu verschaffen – Butterflys Verfluchung und Ausschluß aus der Familie ist markerschütternd.

Fazit

Szenisch chargiert die Produktion zwischen allen Stühlen: bei Butterfly (auf deutsch Schmetterling!) denkt niemand an eine zierliche japanische Tänzerin, sondern eher an eine starke Persönlichkeit wie Elektra oder Medea – und nicht an Mimi oder Tosca. Aufarbeitung des Kolonialismus? Fehlanzeige!

Der tagesaktuelle Kampf um Gleichstellung der Frau und der Integrationsgedanke geraten endgültig ad absurdum als Mrs. Pinkerton als dummes Blondchen auftritt, der man keinesfalls ein Kind anvertrauen würde – das hier zum beliebtesten, stets aktiven Darsteller wird, weil es für das kindlich naive Opfer steht, das man gemeinhin Cio-Cio-San zurechnet. Auch ist die Personenführung manchmal recht einfallslos, wenn Cio-Cio-San häufig mit dem Schwert ihrer Vaters herumfuchtelt oder Konsul Sharpless ihr den Brief Pinkertons den ganzen zweiten Akt hindurch hinhält. Das spiegelt sich auch beim Schlußapplaus wieder – die Produktion wird mit zwei Vorhängen beklatscht, die Hauptdarsteller bekommen Bravo-Rufe.

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: (v.li.n.re.) Barno lsmatullaeva (Cio-Cio-San), Sangmin Lee (Sharpless), liegend: Jana Beck (Das Kind)

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