Only the Sound remains – Es bleibt nur der Ton – Paris, Palais Garnier

von Kaija Saariaho (* 1952), Oper in zwei Teilen, Libretto: Ezra Pound/Fenollosa nach zwei Stücken des japanischen Nô Theaters. UA: 23. März 2016, Muziektheater, Amsterdam

Regie: Peter Sellars, Bühne: Julie Mehretu, Kostüme: Robby Duiveman, Licht: James F. Ingalls, Ton: Christophe Lebreton

Dirigent: Ernest Martínez Izquierdo, Streichquartett: Meta4, Kantele: Eija Kankaanranta, Flöte: Camilla Hoitenga, Schlagzeug: Heikki Parviainen, Gesangsquartett: Theatre of Voices.

Tänzerin: Nora Kimball‑Mentzos

Solisten: Philippe Jaroussky (Geist, Engel), Davóne Tines (Priester, Fischer)

Besuchte Aufführung: 23. Januar 2018 (französische Uraufführung)

Auftragskomposition De Nationale Opera, Koproduktion Opéra National de Paris mit Amsterdam, Canadian Opera Company, Toronto, Teatro Real, Madrid, Finnish National Opera, Helsinki

Vorbemerkung

Hier handelt es sich um die finnische Komponistin Kaija Saariaho. Nach Absolvierung ihres Musikstudiums an der Sibelius Akademie in Helsinki suchte sie in Kursen bei Brian Ferneyhough und Klaus Huber in Darmstadt und Freiburg nach neuen Klangformen und weiter hat sie auf dem Gebiet der neuen Instrumentaltechnik und der computer Musik IRCAM (Institut de recherche et coordination acoustique/musique) in Paris Erfahrung gesammelt. Weltweiter Erfolg erlangte sie mit der Oper L’Amour de loin mit Peter Sellars bei den Salzburger Festspielen 2000 und später an der Metropolitan Opera in New York. Ihre hier aufgeführte vierte Oper entstand in enger Zusammenarbeit mit Peter Sellars. Auch Philippe Jaroussky wurde bei der Entstehung des Werkes zugezogen. Er hat geraten, seine Rolle im ersten Stück in tieferen, düsteren Lagen zu halten, damit seine Stimme sich aufwärmen kann, und die höheren Lagen dem zweiten lichteren Stück vorzubehalten.

Kurzinhalt

Stück I. Der Mönch Gyokei betet im Tempel für die unruhige Seele Tsunemasas, der in der Schlacht gefallen ist. Der Kaiser hatte seinerzeit Tsunemasa eine Laute zum Geschenk gemacht, die der Mönch nun auf den Altar legt und ein Opfer darbringt. Durch die Gebete angezogen erscheint der Geist Tsunemasas. Der Schatten verschwindet bald, nur die Stimme bleibt und erzählt von seiner Sehnsucht nach dem Leben. Doch ist er immer noch verstört durch die Bilder der Schlacht, in der er gefallen ist. Er bittet die Lichter auszulöschen und verschwindet.

Stück II. An einem Frühlingsmorgen findet der Fischer Hakuryo einen wunderschönen Federmantel, der an einer Fichte hängt. Er will ihn mitnehmen, als ein Tannin, ein Mondengel, erscheint und ihn bittet, ihr ihren Mantel zurückzugeben. Er weigert sich. Gerührt von ihren Klagen, daß sie ohne ihr Gewand nicht auf den Mond zurückkehren kann, erklärt er sich bereit, setzt aber voraus, einen himmlischen Tanz vorzuführen. Sie tanzt darauf die Phasen des Mondes und verschwindet schließlich in den Wolken, die den Gipfel des Fujijama verhüllen.

Aufführung

Der Mönch und der Fischer, also die wirklichen Personen, vollziehen auf der Vorderbühne eine ausdrucksstarke Pantomime vor einem hohen, mit stilisiert japanischen Zeichen bemalten durchsichtigen Vorhang. Dieser Vorhang wird von vorne stark beleuchtet, was den Darsteller durch Schatten verdoppelt und vergrößert. Die irrealen Figuren (Geist und Engel) handeln vor, aber auch hinter dem Vorhang. Dieser wird von hinten beleuchtet und die Figuren sieht man durch den Vorhang schemenhaftes. Die Kostüme sind einfach japanisch gehalten.

Sänger und Orchester

Davóne Tines singt mit voller, tiefer Baritonstimme. Sein Gesang ist eindringlich, doch relativ traditionell. Philippe Jarousskys Rolle ist ein oft lang hinausgezogener, klagendender Legatogesang. Sein Countertenor ist makellos rein, klar und fast vibratolos, was ihm einen ätherisch überirdischen Klang verleiht. Aber die Stimmen haben eigentlich kein Eigenleben, sie sind Teil eines Instrumentariums, das als Ganzes versucht das Archaisch-Mythische der Nô Legenden zum Ausdruck zu bringen.

Das kleine begleitende Ensemble besteht aus dem Streichquartett (Meta4, Flöte, Schlagzeug, Kantele), die Kantele ist ein Zupfinstrument aus Finnland, einer Zither ähnlich, worunter sich elektronische Töne mischen. Diese Kantele erlebt in der Szene, in der der Geist des Verstorbenen vom Mönch vorübergehend Besitz ergreift, ein erregend perlendes Solo. Im zweiten Stück hört man den Wind und die Brandung des Meeres in der Musik. Der im Ablauf des Geschehens wichtige Chor, der die Rolle einer Art vokalen Unterbewußtseins zu spielen scheint, wird von dem Vokalquartett Theater of Voices gesungen.

Einer der bezauberndsten Aspekte des zweiten Stücks ist der graziöse, lebendige Schleiertanz der schlanken, feingliedrigen Nora Kimball-Mentzos, die zusammen mit Philippe Jaroussky den Mondengel verkörpert.

Ernest Martínez Izquierdo dirigiert die vielschichtige Aufführung mit Erfahrung.

Fazit

Es ist eine sehr vergeistigte Oper, die mit ihren vielfältigen ungewohnten, neuen Klangfarben die Handlung auf eine sehr subtile, sensible, oft auch erschreckende, unheimlich-verzaubernde Art und Weise untermalt. Obwohl auf der Bühne nicht viel passiert, entsteht durch das eindringliche Zusammenspiel von Darstellung und Musik eine sehr starke Atmosphäre.

Es ließe sich sicherlich noch viel mehr über das Werk und seine Aufführung sagen, doch müsste man sich dazu noch weiter in die Tendenzen zeitgenössischer Musik, in die Musik Kaija Saariahos und in den Geist des Theaters Nô vertiefen.

Die Ausführenden, Peter Sellars und sein Team, und vor allem auch Kaija Saariaho, wurden vom Publikum sehr gefeiert. Umso mehr so, als es ja selten vorkommt, daß man nach einer Opernaufführung dem Komponisten persönlich applaudieren kann.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Elisa Haberer/Opéra National de Paris

Das Bild zeigt:  Davone Tines (Priest, Fisherman), Philippe Jaroussky (Geist/Engel), Nora Kimball‑Mentzos (Danseuse)

Veröffentlicht unter Opern, Paris, Palais Garnier