Konzert mit Werken Richard Wagners – Hamburg, Elbphilharmonie

Die Walküre

Götterdämmerung

Tagesgrauen, Siegfrieds Rheinfahrt, Siegfrieds Trauermarsch, Brünnhildes Schlußgesang

Dirigent: Christian Thielemann, Sächsische Staatskapelle Dresden

Solisten: Anja Kampe (Sieglinde, Brünnhilde), Stephen Gould (Siegmund), Georg Zeppenfeld (Hunding)

Besuchte Aufführung: 6. Februar 2017

Vorbemerkung

Die Elbphilharmonie (2.100 Plätze) ist einer der teuersten Konzerthausneubauten und im Fokus des öffentlichen Interesses wegen seiner Architektur und seinem Anspruch, das „beste Konzerthaus“ zu sein. Es dient als zweiter großer Konzertsaal in Hamburg neben der Laeiszhalle (2.025 Plätze). Beide Häuser verfügen zusätzlich über einen kleinen Saal und ein Studio.

Die Elbphilharmonie wurde auf der westlichen Spitze der Elbinsel Grasbrook unter Einbeziehung der Hülle des früheren Kaispeichers A errichtet. Auf diesen Sockel wurde ein moderner Aufbau mit einer Glasfassade gesetzt, die an Wellen erinnern soll. Im Innern befinden sich die Räume der Philharmonie, ein Parkhaus, Luxuswohnungen, ein Aussichtsumgang, genannt Plaza, ein Hotel und gastronomische Einrichtungen. Baubeginn war 2007, geplanter Fertigungsstellungstermin war 2010. Aufgrund baulicher Probleme, Kostensteigerungen (von 241,3 auf 789 Millionen Euro) und einem anderthalbjährigen Baustop verzögerte sich die Fertigstellung bis 2016.

Die feierliche Einweihung erfolgte am 11.Januar 2017 mit einem Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters unter Thomas Hengelbrock. Unter dem Titel Zum Raum wird hier die Zeit erklangen u.a. das Parsifal-Vorspiel, Reminiszenz (Wolfgang Rihm, Auftragswerk) und zu Beginn zwei Renaissance-Arien, vorgetragen von Philippe Jaroussky. Neben viel Lob für das Haus gab es auch vereinzelt Kritik an der Akustik, die offensichtlich abhängig von der Platzwahl ist.

Der Philharmonie Saal

Das Orchester befindet sich unten auf einer mittigen Plattform, drum herum steigen kreisförmige Ränge bis in schwindelnde Höhen hinauf. Man sollte mehrere Sitzplätze ausprobieren, um den optimalen Platz zu finden. Für den Zuhörer sind die besten Plätze offensichtlich direkt vor dem Orchester, im Rücken des Dirigenten. Sitzt man seitlich vom Orchester, so ergibt sich kein richtiger Mischklang, da man wegen des breit gestaffelt sitzenden Orchesters jede Instrumentengruppe heraushört. Bei diesem Konzert hört man auf der rechten Seite das Blech nur gedämpft, auf der linken Seite die Streicher. Sitzt man hinter dem Orchester, so hat man aufgrund der Tatsache, daß der Streicherklang immer nach vorne strahlt, die Schwierigkeit, daß wegen der längeren Schallwegstrecke alle Streichinstrumente etwas später kommen und leiser sind als das übrige Orchester.

Das alles gilt unabhängig davon in welcher Höhe man sitzt. Übrigens sollte man für die oberen Rängen keine Höhenangst besitzen, denn es geht doch sehr steil hinunter.

Ursache für diese sehr steile Anordnung ist das Platzproblem. Da man die Fundamente mit dem historischen Kaispeicher vorgegeben waren, mußte man auf der schmalen Grundfläche alle Räume unterbringen. Im großen Saal geht es sehr steil nach oben (Minimierung der Grundfläche), die Treppenhäuser sind ziemlich schmal, die Foyers klein. Tische kann man deshalb für die Pausengastronomie nicht bestellen, es gibt zu wenige. Auch die Aufenthaltsräume für die Künstler sind nicht üppig: Der Aufenthaltsraum soll nur knapp 40 Plätze haben, für die Anzahl der Toiletten und Garderoben für den Chor gilt ähnliches. Parken für Mitarbeiter ist nicht vorgesehen, es gibt nur das öffentliche Parkhaus.

Übrigens hätte man auf die Außenmauern des Kaispeichers verzichten können, da vom wirklich historischen Kaispeicher nach dem Krieg nichts mehr vorhanden war. Er wurde 1963 nur noch mit einer nichtssagenden glatten Außenmauer wiederaufgebaut. Daher hätte man sich auch die Bauprobleme ersparen können, da man dann das Fundament hätte einfacher bauen können und die entkernten Mauern nicht stützen mußte.

Darüber hinaus sollte man noch ein Wort zu dem neu entstandenen Stadtviertel Hafencity verlieren, in dem die Elbphilharmonie liegt. Es handelt sich um eine seelenlose Ansammlung von Betonblöcken mit Büros und Wohnungen. Die neuen Einwohner scheinen dort aber nicht wirklich zu leben, denn es gibt dort keinerlei Geschäfte – nur die Miniaturwelt und das Event-Museum Hamburg Dungeon. Sollte man nach dem Konzert in dem Restaurant Störtebecker oder der Hotelgastronomie keinen Platz bekommen, so darf man nicht damit rechnen, irgendwo in der Nähe zu später Stunde ein Restaurant zu finden. Denn diese leben offensichtlich von den Angestellten in den Büros und schließen am frühen Abend. Hat man sich dann über leere halbdunkle Straßen zu der Bahnstation Baumwall durchgeschlagen, so kann man in die „richtige Stadt“ Hamburg fahren. Der Gastrotip des Schreibers: alle Steakhäuser und das Münchner Hofbräuhaus haben meist bis Mitternacht offen!

Sänger und Orchester

Dieser Konzertabend war die dritte Vorstellung einer Konzertreise, die die Staatskapelle unter der Leitung Christian Thielemanns gegeben hat. Und eine Vorstellung, die alle glücklich machte: die Wagnerianer, die normalen Konzertgänger, die Event-Touristen, die nur einmal das neue Haus sehen wollen – und zur Pause ihren Platz räumen.

Den ersten Akt der Walküre spielt man öfters im Konzert – ein Stück, das die Staatskapelle im Schlaf beherrscht. Da ist die Abstimmung aller Instrumentengruppen intern und im Zusammenspiel perfekt. Da gibt es keine Intonationsprobleme oder Lautstärkeunterschiede. Wegen der messerscharfen direkten Überakustik hört man jeden Ton, aber auch jeden Hustenanfall im gesamten Raum. So kann man deutlich die Crescendi über mehrere Takte hinweg verfolgen oder gewaltige Lautstärkeunterschiede heraushören, die noch nie aufgefallen sind. Hier liegen die Stärken in der Akustik der Elbphilharmonie.

 

Den Hornruf bläst das erste Horn vom Rang aus, es ist der Höhepunkt des zweiten Konzertteils mit den Orchesterstücken des Rings, die sehr blechlastig sind. Und es ist jetzt eigentlich unfair anzumerken, daß es hier doch Wackler im Blech gibt. Aber bei dieser Akustik fallen sie sozusagen deutlich ins Ohr.

Und Stephen Gould, eindeutig der beste Siegmund und Siegfried unserer Tage! Mit seiner weichen samtenen, aber doch ausdauernden Tenorstimme an der Grenze zum Heldentenor kann er dem Siegmund Ausstrahlung verleihen, die zwischen Ekstase und Mitleid liegt. Ähnliches kann man zu Georg Zeppenfeld im Baßfach als Hunding sagen. Mit seiner wohlklingenden Stimme gibt er jeder Rolle entsprechende Tiefe und charakterisiert den Hunding als intellektuellen Bösewicht.

Überragend Anja Kampe als Sieglinde, die tadellose Stimmführung mit mädchenhafter Attitüde vereint. Nur bei den dramatischen Ausbrüchen ganz am Ende ihrer Partie kann die Sängerin der Versuchung zu forcieren, nicht ganz widerstehen. Dieses Forcieren setzt sie als Brünnhilde fort, was zu einem unschönen Forte und zu Wortunverständlichkeit führt.

Fazit

Der Konzertabend war die wirkliche Feuertaufe für die Elbphilharmonie: den Erfolg muß man Thielemann und der Sächsischen Staatskapelle zuschreiben. Sie spielen Wagner auf höchstem Weltniveau! Und auch die Solisten zählen zur Weltspitze im Wagnerfach. Allerdings wird deutlich, daß man an der Akustik herumändern muß, wie auch der Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden feststellt:

Zweifelsohne einer der besten Säle der Welt. Es ist ein großes Vergnügen, hier zu musizieren. Sicherlich wird man noch ein wenig experimentieren, was die perfekte Klangabmischung anbelangt, aber das ist ein völlig normaler Prozeß, den man auch von anderen berühmten Sälen kennt. Hamburg wird von diesem Saal enorm profitieren, und wir freuen uns schon auf eine hoffentlich baldige Wiederkehr.

Insgesamt muß man sagen, daß die Elbphilharmonie und der ganze Stadtteil Hafencity überbewertet ist. Einzig die Außenarchitektur der Philharmonie ist sehenswert. Alles andere, Innenausstattung, Baugeschichte, Kosten, oder Logistikkonzept hat wenig mit hanseatischer Weltläufigkeit zu tun. Eher mit städtebaulicher Fehlplanung auf höchster Ebene.

Oliver Hohlbach

Bild: Matthias Creutziger

Das Bild zeigt: Christian Thielemann, Sächsische Staatskapelle Dresden, Anja Kampe (Sieglinde, Brünnhilde), Stephen Gould (Siegmund), Georg Zeppenfeld (Hunding)

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