DIE STUMME SERENADE – Coburg, Landestheater

von Erich Wolfgang Korngold (1897-1957), Komödie mit Musik in zwei Akten, Libretto: Victor Clement unter Verwendung der deutschen Einrichtung von Raoul Auernheimer, Gesangstexte von Bert Reisfeld und Erich Wolfgang Korngold, UA: 1951 Wien im Radio (konzertant, 10. November 1954 Dortmund, Stadttheater (szenisch)

Regie: Tobias Materna, Bühne/Kostüme: Jan Hendrik Neidert & Lorena Diaz Stephens, Choreographie: Dirk Mestmacher & Daniel Cimpean, Dirigent: Roland Fister, Kammerbesetzung des Philharmonischen Orchesters (2 Klaviere, Celesta, Flöte, Klarinette, 2 Violinen, Violincello)

Solisten: Salomon Zulic del Canto (Andrea Coclé), Anna Gütter (Silvia Lombardi), Jelena Bankovic (Luise), Dirk Mestmacher (Sam Borzalino), Felix Rathgeber (Caretto), Heidi Lynn Peters, Eva Maria Fischer, Johanna Stark (Mannequins), Sprechrollen: Kerstin Hänel (Bettina), Stephan Ignaz (Laura), Thorsten Köhler (Benedetto Lugarini)

Besuchte Aufführung: 25. Februar 2017 (Premiere)

Kurzinhalt

Zwei nächtliche Übergriffe 1820 in Neapel: jemand bricht in die Villa der berühmten Schauspielerin Silvia Lombardi ein und sucht ihr einen Kuß zu rauben, gleichzeitig findet sich eine Bombe unter dem Bett ihres Verlobten, des Ministerpräsidenten Lugarini. Polizeiminister Caretto verhaftet den berühmten Schneider Andrea Coclé, denn er gibt zu, in ihrem Garten gewesen zu sein, um ein Ständchen zu bringen, aber da es niemand gehört hat, soll es eine „stumme Serenade“ gewesen sein. Lugarini verlangt von Caretto, den Attentäter bis Tagesende festzunehmen: ansonsten droht „Pension ohne Pension“.

Der König von Neapel kündigt an, einen Verurteilten begnadigen zu wollen: Caretto überredet daher Andrea, neben dem Einbruch auch das Attentat auf Lucarini zu gestehen. Doch der König stirbt, die Begnadigung entfällt, der letzte Wunsch vor der Hinrichtung von Andrea ist ein Abendessen mit Silvia Lombardi: Da verlieben sich beide ineinander. In einer Revolution stürzt man den Ministerpräsidenten: Neuer Regierungschef wird Andrea, der Silvia heiratet. Der wahre Attentäter meldet sich und löst ihn als Ministerpräsidenten ab.

Aufführung

Korngold selbst bezeichnet das Stück, etwas schwammig, als musikalische Komödie. Da ist es nur konsequent, wenn Tobias Materna alle Register zieht und es zwischen einer Filmkomödie und einer späte Operette ansiedelt. Eine große Kinoreklametafel aus Hollywood steht in der Mitte der Drehbühne, weist auf die stumme Serenade hin, durch Heben und Drehen entstehen z.B. das Büro des Ministerpräsidenten mit stetig wechselndem Bild des Staatsoberhauptes. Dabei ergeben sich großartige Tanzeinlagen, Slapstick und große Momente in monumentaler Filmkulisse. Kostüme und Farbgebung passen zu den ersten Farbfilmen vor und nach dem Krieg. Großartige Schauspieler des Ensembles bauen Nebenrollen zu Hautrollen aus,

Sänger und Orchester

Es spricht für das Landestheater Coburg, daß man alle Rollen mit hauseigenen Kräften besetzen kann – mit acht Schauspielrollen und acht Sängern, auch wenn die Sänger in der szenischen Wirkung etwas zurückbleiben.

Beispielsweise Salomon Zulic del Canto als Schneider Cocle ist da zu passiv – zumal als Liebhaber: trotz voluminöser Stimme fehlt ihm die Ausdruckskraft bzw. der Sturm und Drang. Mit seinem Akzent geht er aber als Italiener glatt durch. Dazu paßt hervorragend Anna Gütter als etwas hart fokussierende, mondäne, junge Dame von Welt. Dirk Mestmacher ist als Spieltenor vom Haus ein typisch quirliger Reporter Borzalino, der in der Soubrette Jelena Bankovic (Louise) die passende Partnerin in den Duetten und fürs Leben findet. Felix Rathgeber ist als Polizeiminister wieder einmal ein zwielichtiger Kantonist. Sein sicherer Baßbariton paßt hier stimmlich gut. Roland Fister kommt mit der kleinen Kammerbesetzung des Philharmonischen Orchesters gut zurecht. Die Umsetzung der Tanzeinlagen, der Duette zwischen den beiden Liebespaaren und die Jazzmusik machen die Nähe zur späten Berliner Tonfilm-Operette Der Kongreß tanzt deutlich. Aber auch die amerikanische Filmmusik, mit der die Handlung untermalt wird, gelingt genretypisch und bekommt Szenenapplaus.

Thorsten Köhler macht aus dem Bösewicht Benedetto Lugarini eine Mischung aus großer Diktator und Groucho Marx: We make Neapel great again!

Fazit

Eine stimmige Produktion, die szenisch und musikalisch Hand in Hand geht und damit durchaus an die großen Musikfilme der 1930er bis 1950er Jahre anknüpft – an Charlie Chaplin, die Marx Brothers, Disneys Mary Poppins, UFA-Filme oder Some like it hot. In diesem „Film“ fallen auch die Schwächen in der Handlung nicht weiter auf. Dank der Schauspieler aus dem Ensemble wird die Handlung spritzig-witzig serviert, die Optik ist augenfreundlich und bestechend und auch gesanglich kann man mit dem großen Kino mithalten. Heftiger Jubel allenthalben!

Oliver Hohlbach

Photograf: Andrea Kremper

Das Bild zeigt: Die Gerichtsverhandlung gegen Andrea Coclé (Salomon Zulic del Canto)

Veröffentlicht unter Coburg, Landestheater, Opern