LOHENGRIN – Dresden, Semperoper

von Richard Wagner (1813-1883), Romantische Oper in drei Aufzügen, Libretto: Richard Wagner, UA: 28. August 1850 Weimar, Großherzogliches Hoftheater

Regie: nach Christine Mielitz, Bühne/Kostüme: Peter Heilein

Dirigent: Christian Thielemann, Staatskapelle und Sächsischer Staatsopernchor, Choreinstudierung: Jörn Hinnerk Andresen

Solisten: Georg Zeppenfeld (König Heinrich), Piotr Beczala (Lohengrin), Anna Netrebko (Elsa), Tomasz Konieczny (Telramund), Evelyn Herlitzius (Ortrud), Derek Welton (Heerrufer), u.a.

Besuchte Aufführung: 29. Mai 2016 (Premiere)

Semperoper Dresden, Lohengrin

Kurzinhalt

König Heinrich ruft die Brabanter zum Feldzug. Telramund, von seiner Gattin Ortrud angestachelt, beschuldigt Elsa des Mordes an ihrem Bruder Gottfried. Ein Gottesgericht in Form eines Zweikampfs soll über Elsas Schuld entscheiden. Da erscheint ein Fremder im Boot, gezogen von einem Schwan; er besiegt Telramund. Dieser Fremde wird Elsa heiraten, aber sie darf nie nach seinem Namen und Herkunft fragen. Ortrud und Telramund bezichtigen den Fremden der Zauberei. Im Brautgemach bricht Elsa ihr Versprechen und stellt die Fragen. Telramund dringt ein, im Zweikampf stirbt er. Nun muß Lohengrin Namen und Herkunft offenbaren. Ortrud triumphiert, aber Lohengrin bewirkt die Rückkehr Gottfrieds.

Aufführung

Den Hintergrund bildet eine Schloßmauer aus Sandstein mit Glasfenstern, deren Türen sich breiter oder schmaler öffnen lassen. So erblickt man durch die Fenster das einfache Volk und die Versammlung der Soldaten, die sich barocker, mittelalterlicher oder kaiserlicher Uniformen bedienen. Durch eine große Türöffnung sieht man einen riesigen Schwan, der Lohengrin bringt oder durch Zusammenklappen Gottfried frei läßt. Die gleiche Öffnung gibt dann den Blick frei auf einen großen farbenfrohen Hochzeitsaltar. Elsa spricht von einem Fenster im oberen Teil zu Ortrud herab. Die Choreographie erzeugt viel Bewegung auf der Bühne, aber der Chor oder die Sänger sind stets optimal vor der Mauer plaziert.

Sänger und Orchester

Der zentrale Leistungsträger in dieser Oper ist der ständig präsente Chor der Semperoper. Durch die Einstudierung von Jörn Hinnerk Andresen zeigt der Chor einen stets geschlossenen Klangkörper und eine harmonischen Bindung und Synchronität zwischen allen Stimmgruppen – er singt wie eine „Wand“.

Eine besondere Wirkung erzielt Christian Thielemann im Zusammenspiel zwischen Chor und Orchester durch sein stets auf Ausgleich zwischen Orchester und Gesangsstimmen ausgerichtetes Dirigat. Da ergeben sich pathetische Klangwolken wie beim Brautlied, andererseits dynamische Steigerungen bis hin zur Ekstase, wie beim Sonnenaufgang im zweiten Akt. Von dieser dynamischen Tempowahl profitieren auch die Solisten, gewissermaßen können sie synchron mit der Dynamik der Situation atmen. So benötigt Anna Netrebko keine Sonderrechte. Sie gibt der Elsa eine jugendlich klare, aber auch eine durchschlagsstarke Stimme, mit atemberaubend sicherer Höhe, die so manchmal schon zu schwer wirkt. Sie zeigt dabei Potential für die dramatischen Wagner-Rollen. Bemerkenswert auch die klare deutsche Aussprache. Das ist wohl auf die Hilfe des Sprachtrainers zurück zu führen, dessen Hilfe man auch Piotr Beczala anraten sollte: Sein polnischer Dialekt bleibt deutlich. Auch er überzeugt mit seinem lyrischen baritonal fundierten Tenor, sicherer Höhe und meistert die anspruchsvollen Passagen der Gralserzählung Lohengrins meisterlich. Lediglich in der „unendlichen Melodie“ und Klangbildung wird deutlich, daß er eher ein Verdi-Tenor ist.

Tomasz Konieczny hat keine Probleme in der Diktion und meistert die schwierige Partie ohne Probleme. Sein Telramund klingt immer unangestrengt und mühelos, problemlos die Sprünge in die Höhe und die Tiefe. So zieht das Unheil in dies Haus wird zu einem markerschütternden Menetekel. Georg Zeppenfeld ist ohne jeden Zweifel derzeit der weltbeste König Heinrich. Diese samtweiche Stimme, mit großer Reichweite in die Tiefe, ohne je zu schwarz zu wirken, ist mittlerweile unverwechselbar. Evelyn Herlitzius gibt der Ortrud altersweise Züge, sie legt nicht mehr alle Kräfte in diese Rolle. Lediglich der solide unaufgeregt agierende Derek Welton bleibt als Heerrufer etwas zu blaß, auch wenn sein Weckruf durchschlagsstark daherkommt.

Fazit

Zwei Erkenntnisse sind hier wichtig: Zum einen gelingt Anna Netrebko ein sensationelles Rollen- und Wagnerfach-Debüt als Elsa zu gestalten – und das in einem Ensemble mit Christian Thielemann oder Georg Zeppenfeld, das zur Weltspitze im Wagnerfach zählt.

Die weitere Erkenntnis ist die, daß eine Inszenierung von 1983 ihre Daseinsberechtigung hat: schon wegen der sängerfreundlichen Kulissen, die die Akustik verstärkt sowie das Bühnenbild und die Kostüme, die farbenfroh absolut handlungsgerecht sind.

Auch wenn Christine Mielitz eigentlich den sozialistischen Klassenkampf zwischen Adel und Arbeiterklasse andeuten wollte, ist die Aufteilung zwischen prunkvoll gekleideten „Adels-Soldaten“ und einfachen Arbeitern, die von einem einfachen Lohengrin gerettet werden, überzeugend werkgerecht. Hier darf zwischen dem historischen Kaiser Heinrich auch Bismarck als Heerrufer auftreten.

Da eine Neuproduktion des Lohengrin in Zusammenarbeit mit den Osterfestspielen Salzburg nicht möglich war – dort kam Ostern ein Othello heraus – wurden sämtliche Kulissen neu gefertigt und die Kostüme überarbeitet. Dieser Aufwand nährt die Hoffnung, daß diese beliebte Inszenierung Dresden erhalten bleibt – für die nächsten 33 Jahre. Musikalisch erinnert man sich an viele herausragende Sänger jener Jahre. Da schließt sich der Kreis zu dieser hysterisch willkommen geheißenen Wiederaufnahme mit leider nur vier Vorstellungen. Alle waren sie ausverkauft!

Oliver Hohlbach

Bild: Daniel Koch

Das Bild zeigt: Tomasz Konieczny (Friedrich von Telramund), Evelyn Herlitzius (Ortrud), Anna Netrebko (Elsa von Brabant), Piotr Beczala (Lohengrin), Sächsischer Staatsopernchor Dresden/Herren des Sinfoniechores Dresden – Extrachor der Semperoper Dresden

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