TRISTAN UND ISOLDE – Wels, Richard Wagner Festival Wels

von Richard Wagner (1813-1883); Handlung in drei Aufzügen, UA: 10. Juni 1865 München, Königliches Hof- und Nationaltheater

Regie: Herbert Adler, Bühne/Kostüme: Dietmar Solt

Dirigent: Ralf Weikert, Brünner Philharmoniker, Philharmonia Chor Wien, Einstudierung: Walter Zeh

Solisten: Lioba Braun (Isolde), Stig Andersen (Tristan), Michael Kupfer (Kurwenal), Andreas Hörl (König Marke), Hermine May (Brangäne), Marco di Sapia (Melot), Christian Sturm (Hirt/Junger Seemann), Nicolas Legoux (Steuermann)

Besuchte Aufführung: 24. Mai 2015 (Derniere)

Wels Tristan-179Kurzinhalt

Der Ritter Tristan führt die irische Prinzessin Isolde, deren Verlobten Morold er einst im Zweikampf getötet hat, seinem Onkel König Marke als Braut zu. Auf der Überfahrt nach England verlangt Isolde Sühne für Morolds Tod: Sie fordert Tristan auf, gemeinsam mit ihr Gift zu trinken. Brangäne hat jedoch das Gift heimlich gegen einen Liebestrank ausgetauscht, so entbrennen Tristan und Isolde in heftiger Leidenschaft füreinander. Isolde heiratet zwar König Marke, trifft sich aber mit Tristan. Melot verrät die Liebenden und verwundet Tristan schwer. Kurwenal verbringt den Verletzten nach Kornwall. Tristan stirbt jedoch bei Isoldes Ankunft. Als Konsequenz ihrer Liebe folgt Isolde ihm in den Tod.

Aufführung

Die auf Projektionen beruhenden Bühnenbilder von Dietmar Solt orientieren sich an der Optik der Inszenierungen von Günther Schneider-Siemssen und stehen damit auch in der Tradition Wieland Wagners bahnbrechender Inszenierungen Neu-Bayreuths – besonders die abstrahierten Kostüme, könnten aus einer seiner Produktionen stammen. Die dunklen Farben der historisierenden Kostüme und die düstere Lichtstimmung sind Garanten für ein Liebesdrama. Das Bühnenbild gewinnt durch die einfache Anordnung weniger Bauteile. Der Mittelgrund besteht aus einer Stufenrampe, die zuerst ein Schiff, dann eine Gartenlandschaft und zum Schluß eine Felsenlandschaft am Strand bildet. Auf die Projektionsfläche dahinter werden dahinziehende Wasserlandschaften, in denen sich das Licht spiegelt, oder ein veränderlicher Wolkenhimmel mit Mond, oder ein Sandstrand, an dem sich die Wellen brechen, eingespielt.

Sänger und Orchester

Auch für größere Häuser ist es schwierig, eine adäquate Besetzung für dieses im Ruf der Unbesetzbarkeit stehenden Werkes Richard Wagners zu finden. Besonders der Tristan steht im Ruf eine mörderische Rolle zu sein. Da ist es besonders bemerkenswert, daß Stig Andersen diese Rolle nicht nur zweimal innerhalb einer Woche singt, sondern auch noch zwischendurch seinen Kollegen Peter Seiffert im Tannhäuser vertritt. Hier zeigt er beispielhaft, wie man sich mit gleichmäßig eingeteilten Kräften durch die Partie des Tristan kämpft. Dabei reduziert er die mörderischen Sprünge, indem er hohe Töne nur ansingt und kann, trotz einer mehr gehauchten als gesungener Stimme, das Publikum in seinen Bann ziehen. Der große Strich im zweiten Akt hilft eher Lioba Braun (Isolde). Mit facettenreicher, harmonischer, etwas verhaltener, manchmal auch etwas kraftloser Stimme folgt sie Note für Note der Gesangslinie. Das hört sich an wie in einem Liedsänger-Konzert, leider will sich so kein Feuer, kein Liebesglühen einstellen. Die überragende Figur des Abends ist unzweifelhaft Andreas Hörl als König Marke – eine wunderschöne Baßstimme mit fast schwarzer Tiefe. Er nähert sich Wagners Ideal der unendlichen Melodie und singt trotzdem jeden Ton und betont jedes Wort überdeutlich. Ein wahrlich erregender Vortrag! Genauso überzeugend ist Michael Kupfer als Kurwenal, der ein durchschlagsstarker, aber immer noch lyrischer Bariton ist. Er meistert mit samtener Stimme ohne Anstrengung die Höhen und Tiefen der Rolle – und bleibt doch immer absolut wortverständlich. Hermine May wirkt als Brangäne frischer als die Isolde, ihr technisch sauberer, durchschlagsstarker Sopran mit sicherer Höhe und wortverständlicher Gestaltung hat noch Potential zur Weiterentwicklung. Der von Walter Zeh einstudierte Philharmonia Chor sang kraftvoll harmonisch und transparent. Die Brünner Philharmoniker sind nicht unbedingt im Wagner-Fach zu Hause und haben so manche Probleme Ralf Weikert zu folgen. Dabei läßt Weikert schon das Vorspiel sehr verhalten musizieren, entdeckt in der Partitur dabei viele Details, aber für die leidenschaftliche Ekstase bleibt zu wenig Raum. Erst mit dem dritten Akt beginnt für ihn das Liebesdrama.

Fazit

Mit diesem Tristan stellt das Richard-Wagner-Festival Wels eindrucksvoll unter Beweis, wie Werktreue Wagnerianer aller Länder in eine Kleinstadt nach Oberösterreich locken kann, die ungefähr gleichgroß wie Bayreuth ist, aber sich seit 1989 zu einer Art „Gegenfestival“ für unzufriedene Wagnerianer aufgebaut hat. Der Erfolg spricht für sich, die Vorstellungen sind ausverkauft, der Beifall der weltweit angereisten Wagnerianer ist tobsuchtartig. Lediglich der Vertreter der Stadt Wels mußte beim Schlußapplaus Pfiffe einfahren. Zwar bedankt er sich artig bei Frau Doppler für ihr (auch finanzielles) Engagement, jedoch mit dem Hinweis: erst wenn man etwas nicht mehr hat, wird man es vermissen macht er darauf aufmerksam, daß dies die letzte Vorstellungen war, es sei denn, das Land Oberösterreich und die Stadt Wels sind bereit, das Festival ausreichend zu finanzieren. Die Sponsoren um Frau Doppler sind gesprächsbereit, für das nächste Jahr ist nur ein Gastspiel geplant: auf Einladung des Sultans im Oman!

Oliver Hohlbach

Bild: Richard-Wagner-Festival Wels

Das Bild zeigt: Lioba Braun (Isolde), Stig Andersen (Tristan)

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