Bremen, Neues Schauspielhaus – LA DIDONE

von Francesco Cavalli (1602-1676), Oper in einem Prolog und drei Akten, Libretto: Giovanni Francesco Busenello, UA: Venedig 1641
Regie: Andreas Bode, Bühne/Kostüme: Bente Mathiessen, Choreographie/Körperarbeit: Dorothea Ratzel, Dramaturgie: Hans-Georg Wegner
Dirigent/Cembalo: Detlef Bratschke, Bremer Barock Consort (Barockorchester der Hochschule für Künste, Bremen)
Solisten: Tanya Aspelmeier (Didone), Michael Hanisch (Aeneas), Moritz von Cube (Jarbas), Juliane Koll (Iride), Michael Lieb (Ascanasius, Amor, Mercur), Jan Hübner ( Coroebus, Aeolus, 1. Jäger) u.a.
Besuchte Aufführung: 20. März 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
bremen-didone.jpgIm Prolog schildert Iride den Fall Trojas als gerechte Strafe für das unverschämte Verhalten des Paris gegenüber Hera. Troja wird von den Griechen erobert. Aeneas, der trojanische Anführer, will lieber kämpfend sterben, als zu Hause seine Familie beschützen. Doch er erhält von Venus den Befehl, aus der brennenden Stadt zu fliehen. Nach einer stürmischen Überfahrt strandet Aeneas in Karthago. Hier trifft er auf Dido, der Königin von Karthago, die sich in ihn verliebt. Jarbas, ein afrikanischer König, wird beinahe wahnsinnig vor Eifersucht und rettet sich in allerlei Zerstreuungen. Dido veranstaltet eine Jagd, auf der sie sich Aeneas nähert. Die beiden werden ein Paar. Jupiter schickt Merkur, um Aeneas zum Aufbruch zu bewegen, da dieser auf göttlichen Beschluß hin nach Italien weiterziehen muß. Aeneas verläßt Dido, die trauernd zurückbleibt. Jarbas verhindert ihren Selbstmord. Dido geht schließlich auf Jarbas’ Liebesangebot ein. Die Oper endet mit einem Duett des neuen Paares.
Aufführung
Auf der offenen Bühne des Schauspielhauses Bremen sitzt das Orchester, das durch Hin- und Herfahren des Dirigenten und Cembalisten Detlef Bratschke auf seinem Podest immer mal in die Handlung mitein-bezogen wird. Die mosaikartigen Szenen, die alleine durch das Beziehungsgeflecht der Figuren zusammengehalten werden, finden in einem Zimmer statt. In diesem befinden sich ein Tisch mit Stühlen, ein grünes Sofa, aus dem sich zwischendurch Nymphen herausräkeln, ein Kühlschrank, aus dem Aeolus herausfliegt, eine Treppe, von der die Mitwirkenden mit lautem Türengeknall die Bühne betreten, ein aufblasbares Planschbecken, in das junge karthagische Frauen baden gehen. Manchmal fällt der Blick des Publikums in die Toilette. Hauptrequisite ist eine große Anzahl stapelbarer Kisten, die hin- und herge-tragen, auf- und abgebaut werden. Der Ortswechsel nach Karthago wird dadurch gekennzeichnet, daß sich Aeneas ein Wüstenhemd überzieht und seine Hosenbeine hochkrempelt. Es werden glitzernde Palmen von der Decke herabgelassen, die aussehen wie Dekoration auf einem Eisbecher. Kostüme gibt es nicht, alle treten in Alltagskleidung auf.
Sänger und Orchester
Musiker und Sänger, mit Ausnahme der beiden Protagonisten, kamen von der Hochschule für Künste, Bremen, Abteilung alte Musik. Die Ausstattung stellte das Theater Bremen. Alle Mitwirkenden musizierten auf höchstem Niveau.
Durch den Einsatz barocker Instrumente (zwei Violinen, zwei Viole da gamba, Violone, Chitarrone, Arciliuto, Barockgitarre, zwei Cembali), gelang es, die reichhaltigen musikalischen Formen in Cavallis Barockoper mit feinen Nuancen wiederzugeben. Es bot auf musikalischer Ebene Orientierung, wenn es in der Handlung drunter und drüber ging. Die Sängerinnen und Sänger hatten blendend junge und einheitlich hervorragend ausgebildete Stimmen. Neben Solo-Arien, Duetten, Rezitativen wirkte vor allem das ausdrucksstarke Lamento (Klagelied) als ein typisches Merkmal dieser Komposition.
Fazit
Die thematische Mitte – ein Mann verläßt seine Geliebte, weil ihm seine Aufgabe wichtiger ist – wurde in der hier gesehenen Inszenierung durch die verschiedenartigen Götter mit ihren Verrücktheiten und chaotischen Ideen auf eine Weise umspielt, die den Eindruck hervorrief, daß der Regisseur mit dem arbeitete, was er von den Studenten als Möglichkeiten angeboten bekam: vehementen körperlichen Einsatz, manchmal an die Grenze zum Klamauk gehende Spielfreude, logisch nicht nachvollziehbare heftige Gefühlsausbrüche, Karikatur und schauspielerisches Experiment. Man tat gut daran, keinerlei Zusammenhang zwischen den einzelnen Gags zu suchen, sondern sich lachend darauf einzustellen, was einen als nächstes erwartete und sei es der Sprung in das Plastikschwimmbecken. Immer wieder gingen Lacher durchs Publikum und geriet die Stimmung mal an den Rand zur Entgleisung, so holte einen die unglaublich schöne Musik wohltuend wieder zurück.

C. Jakubowski

Bild: Jörg Landsberg
Das Bild zeigt: in der Schlußszene der Oper steht das Ensemble am Cembalo, im Vordergrund mit den hochgekrempelten Hosen Aeneas (Michael Hanisch) und ganz links mit den roten Locken Didone (Tanya Aspelmeier).

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