Judas Maccabaeus, And The Trains Kept Coming – Nürnberg, Staatstheater

Judas Maccabaeus

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Text von Thomas Morell, Oratorium in englischer und deutscher Sprache mit Übertiteln, UA: 1. April 1747 London, Theatre Royal in Covent Garden

And The Trains Kept Coming

von Lior Navok, Text aus Dokumenten 1941-1945 zusammengestellt vom Komponisten, Oratorium in englischer und deutscher Sprache mit Übertiteln, UA: 2007 Boston

Regie: Stefan Otteni, Bühne: Peter Scior, Kostüme: Sonja Albartus

Dirigent: Peter Tilling, Staatsphilharmonie Nürnberg, Chor des Staatstheaters Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask

Solisten: Mark Adler (Judas Maccabäus/Tenor), Martin Berner (Simon), Claudia Braun (Eine Israelitin/Sopran), Leila Pfister (Ein Israelit/Alt), Taehyun Jun (Bass-Bariton), Max Lochmüller (Kind 1/Knabensopran), Bernadette Heinrich (Kind 2), Gina Henkel, Gesa Badenhorst, Stefan Willi Wang, Thomas Nunner (Sprecher)

Besuchte Aufführung: 28. Februar 2014 (B-Premiere)

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Im Prinzip handelt es sich hier um zwei Oratorien aus zwei unterschiedlichen musikalischen Zeitaltern, eines dem Barock, das andere der Moderne zugehörig. Das moderne Oratorium And The Trains Kept Coming wird nach der Hälfte des Händel-Oratoriums Judas Maccabaeus eingeschoben. Das moderne Oratorium besteht aus kurzen Gesangsstücken und längeren Rezitationstexten, und auch Judas Maccabaeus wird durch Texte unterbrochen: Im ersten Teil Anmerkungen zur Rezeptionsgeschichte des Werkes bis 1945, im zweiten Teil aus der Zeit zwischen 1845 und heute, die sich um die Frage des „gerechten“ Krieges drehen und was gegen „das Böse“ erlaubt ist. So ist aus den beiden Oratorien ein neues Stück entstanden, ein politisch aktuelles Stück.

Aufführung

Das Orchester sitzt, großflächig verteilt, im Orchestergraben und auf der Bühne. Auf der Bühne ist nur noch Platz für einen mittleren Laufsteg und Plätze für den Chor und Sonderinstrumente links und rechts daneben, was den Bewegungsspielraum (vor allem des Chores) doch sehr einschränkt. Die weiße Wand im Hintergrund öffnet sich für das moderne Oratorium um einen Spalt. Die Kleidung der Darsteller ist im ersten Teil Zivilkleidung Anfangs der 30er Jahre (keine Uniformen), im zweiten Teil ist es Alltagskleidung von heute.

Sänger und Orchester

Musikalisch gelingt der Brückenschlag zwischen Barock und Moderne gut. Die mit modernen Instrumenten ausgestattete Staatsphilharmonie Nürnberg wird entsprechend um barocke Instrumente ergänzt. Peter Tilling gelingt es sowohl die barocken Musikstücke, als auch die modernen Nummern zu einem einheitlichen Oratorium zusammen zu schweißen. Dabei sind auch hörbare Kompromisse zu finden; daß die Musik gegenüber dem gesprochenen Wort zurückfällt, kann auch er nicht verhindern. Kompromisse scheint man auch bei den Solisten eingegangen zu sein, die sowohl die barocken, als auch die modernen Arien zu singen haben. So bleiben die Solisten der Hauptrollen blaß, unauffällig und wenig durchschlagsstark: Mark Adler ist als Tenor wenig leuchtend, Claudia Braun ist technisch in der alten Musik zu Hause, beherrscht sauberste Koloraturen, lediglich neigt sie zum gelegentlichen Tremolieren. Sehr auffällig ist hingegen Max Lochmüller, ein Gast vom Junger Chor Nürnberg, der einen kurzen Auftritt als Knabensopran hat, einen so strahlend hellen und sicheren Knabensopran hört man selten. Bernadette Heinrich kann als weibliches Pendant (Kind 2) immerhin mithalten. Ausgezeichnet präpariert und in beiden Welten zuhause ist der guteinstudierte Chor.

Fazit

Aus zwei zeitlich und musikalisch völlig unterschiedlichen Oratorien mit viel eingelegten Zusatz-Texten wird zwar keine Oper, aber ein politisches Stück über „gerechten“ Krieg, „saubere“ Kriegführung, den Holocaust oder die Frage, ob die Alliierten nicht lieber die Züge nach Auschwitz hätten bombardieren sollen – „but the trains kept coming“. Die Aufführung ist maximal halbszenisch, sparsam bebildert und daher weniger aufregend und kommt ohne Regieeinfälle aus.

Die vielen Texteinschübe erschlagen – vor allem im zweiten Teil – die Musik. Händels Oratorium geht dabei unter – auch wenn die Schauspieler brillante Rezitatoren sind. Sehr hilfreich ist das Programmheft, das nicht nur das Libretto mit deutscher Übersetzung enthält, sondern auch den Ablauf der einzelnen Musikstücke und das Verzeichnis der zusätzlichen Texte. Das Nürnberger Publikum war etwas geteilt über diese Uraufführung eines neuen Stückes: Wenige gingen in der Pause, alle anderen bedankten sich mit langanhaltendem Applaus für einen Abend zur politischen Bildung.

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Bühnen-Totale mit Chor und Solisten

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