LA VESTALE – Paris, Théâtre des Champs-Élysées

von Gaspare Spontini (1774-1851), Tragédie lyrique in drei Akten, Libretto: Victor-Joseph-Etienne de Jouy, UA: 15. Dezember 1807 Opéra de Paris, Salle Montansier

Regie: Eric Lacascade, Bühne: Emmanuel Clolus, Kostüme: Marguerite Bordat, Dramaturgie: Daria Lippi, Licht: Philippe Berthomé

Dirigent: Jérémie Rhorer, Le Cercle de l’Harmonie, Chœur Aedes

Solisten: Ermonela Jaho (Julia), Andrew Richards (Licinius), Béatrice Uria-Monzon (La Grande Vestale), Jean-François Borras (Cinna), Konstantin Gorny  (Hohepriester)

Besuchte Aufführung: 15. Oktober 2013 (Premiere)

LA VESTALE -Kurzinhalt

Der siegreiche Feldherr Licinius liebt Julia, die junge Vestalin, und Julia liebt Licinius. Doch Vestalinnen haben der irdischen Liebe entsagt. Trotz der Warnung seines Freundes Cinna beschließt Licinius Julia zu entführen. Die Liebenden treffen sich im Tempel der Vesta, Julia kann und will ihrem Geliebten nicht wiederstehen und läßt dabei das heilige Feuer ausgehen. Die Entweihung wird entdeckt. Julia drängt Licinius zu Flucht und fällt in Ohnmacht. Der Hohepriester und das Volk verurteilen Julia. Sie weigert sich den Namen ihres Geliebten preiszugeben. Als Julia zur Strafe lebend begraben werden soll, gibt sich Licinius als Schuldiger zu erkennen. Doch der Hohepriester ist unnachgiebig. Die Strafe muß vollzogen werden. Nur Julias Schleier wird auf den Altar gelegt und, falls die Göttin der Schuldigen vergeben wolle, sollte er sich durch ein Wunder entzünden. Es erhebt sich ein Sturm, ein Blitz schlägt in den Altar ein und verbrennt den Schleier. Der Hohepriester erkennt darin das Zeichen, daß die Göttin vergeben hat.  Er entbindet Julia ihrer Gelübde und vereint im Namen von Venus die beiden Liebenden. Es herrscht allgemeiner Jubel.

Aufführung

Die Inszenierung des Teams Lascascade-Lippi-Clolus-Bordat-Berthomé ist relativ neutral, und stellt sie damit in den Dienst der Musik. Das ist bei den narzißtischen Selbstverwirklichungtendenzen vieler heutiger Regisseure ein großer Vorteil. Die Bühne bleibt mit nur wenigen Requisiten fast leer, und mit Ausnahme einiger Lichteffekte eher dunkel, manchmal, sehr stimmungsvoll, hauptsächlich durch das heilige Feuer und Kerzen erleuchtet. Wenig inspiriert sind die Kostüme: für die Priester schwarze Kutten, lange farblose Straßenkleidung für das Volk, dunkle Lederwams mit schwarzen Hosen für die Soldaten. Nur die Vestalinnen tragen weiße, knielange oder noch kürzere Nachthemden mit nackten Füßen und Waden, nicht sehr nonnenhaft.

Sänger und Orchester

Entschieden der Star des Abends ist die junge Albanerin Ermonela Jaho als Julia.  Ihre außergewöhnlich reiche Sopranstimme ist in den dramatischen Szenen gewaltig, doch immer kontrolliert und schön timbriert, ohne jemals ins Schrille überzukippen. In den lyrischen Szenen,  in den manchmal fast gehauchten Koloraturen bleibt ihre Stimmführung klar und rein, in ganz zarten weichen Klangfarben. Das Gebet Toi que j’implore avec effroidich, die ich nur mit Schaudern anbete den ich mit (mit Hornbegleitung) mit seinem aufsteigenden, in einem Verzweiflungsschrei mündenden crescendo ist sehr bewegend. Der ganze zweiten Akt, den Berlioz ein crescendo gigantesque nannte, und den sie im Wechsel von Liebe und Verzweiflung allein oder im Duett mit Licinius oder dem Oberpriester bestreitet, ist sehr beeindruckend. Andrew Richards singt  den gequälten Licinius mit  warmem, dunklen Tenor, den man fast für einen lyrischen Bariton halten könnte. Besonders schön in der Liebeszene mit Julia im zweiten Akt Les dieux prendront pitié du sort qui nous accable –  die Götter haben Mitleid mit dem Schicksal  Jean-François Borras’ helle Tenorstimme als der treue Freund Cinna entfaltet sich erst voll im dritten Akt. Béatrice Uria-Monzon mit wohlklingendem, wenn auch wenig nuanciertem Mezzosopran als Oberin der Vestalinnen und Konstantin Gorny mit rauher, orgelnder Baßstimme als Oberpriester beschließen das ausgezeichnet Ensemble. Jérémie Rhorer dirigiert schwungvoll die Solisten, den Cercle de l’Harmonie und den kräftigen Chor Aedes.

Fazit

La Vestale (1807), das Hauptwerk des Italieners Gaspare Spontini, eine der meist gespielten Opern seiner Zeit, ist ein bedeutendes Übergangswerk, in dem noch Mozart und Gluck anklingen, das aber auch  schon zur Grand Opéra der französischen Romantik gehört. Von der Oper begeistert, holt der König von Preußen Spontini 1820 aus Paris für zwanzig Jahre als Generalmusikdirektor nach Berlin. 1844 dirigiert Richard Wagner La Vestale in Dresden und schreibt später: Mein Schlußchor in ersten Akt von Lohengrin z.B. stammt viel mehr von Spontini (ab) als von Weber. Die Idee der  „verbotenen Liebe“ im  Libretto führt nicht nur direkt zu Bellinis Norma (1831), sondern man findet sein Echo auch noch  1871 in Verdis Aida.

Vor allem durch die Bravourrolle der Julia hat sich das Werk bis heute auf den internationalen Spielplänen gehalten. Sie erlebte eine höchsterfreuliche, wohl gelungene Wiederaufnahme durch das Théâtre des Champs-Élysées, die reichlichen Applaus fand.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: ©Vincent Pontet, WikiSpectacle

Das Bild zeigt: Ermonela Jaho (Julia) li., inmitten der Vestalinnen

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