ALCESTE – Paris, Palais Garnier

von Christoph Willibald Gluck (1714-1787), Oper in drei Akten, Libretto: François-Louis Gand le Bland du Roullet nach Ranieri de’ Calzabigiua,  UA: 26. Dezember 1767 Wien, Burgtheater (Französische Version), 23. April 1776 Paris, Académie royale de musique (Salle des Tuileries)

Regie: Olivier Py, Bühne/Kostüme: Pierre-André Weitz, Licht: Bertrand Killy

Dirigent: Marc Minkowski, Orchester und Chor Les Musiciens du Louvre Grenoble, Choreinstudierung: Christophe Grapperton

Solisten: Yann Beuron (Admète), Sophie Koch (Alceste), Jean-François Lapointe (Hoher Priester des Apollon), Stanislas de Barbeyrac (Evandre/Coryphée  ténor), Florian Sempey (ein Herold/Apollon/Coryphée, basse), Franck Ferrari (Hercule), Marie-Adeline Henry (Coryphée, soprano), François Lis (Das Orakel, Unterweltgott), Bertrand Dazin (Coryphée, alto)

Besuchte Aufführung: 12. September 2013 (Premiere, französische Version)

Paris_AlcesteKurzinhalt

Das Volk klagt um den schwer kranken König Admet. Um die Möglichkeit einer Heilung zu erforschen, ruft der Oberpriester Apollos Orakel an. Der Schiedsspruch lautet: nur ein freiwilliges Menschenopfer könne den König retten. Alle fliehen entsetzt, nur die Königin Alceste erklärt sich bereit für ihren Gemahl zu sterben. Als Admet vom Opferwillen seiner Königin erfährt, beschließt er, sie ins Totenreich zu begleiten. Doch als Helfer in der Not erscheint Herkules. Als Alceste am Tor des Hades erscheint, wird sie befragt, ob sie immer noch bereit sei, sich für ihren Mann zu opfern. Sie bejaht. Doch als sie die Schwelle ins Totenreich überschreiten will,  stürzt sich Herkules in den Kampf gegen die Mächte des Hades. Schließlich erscheint Apollo selbst und erklärt Thanatos als besiegt. Admet und Alcest dürfen unter den Lebenden bleiben. Das Volk jubelt.

Aufführung

Die Zusammenarbeit von Oliver Py und Pierre-André Weitz beruht auf dem Prinzip eines „Dekors, das sich mit der Musik zu bewegen versucht, wie eine visuelle Gleichstellung mit der ständigen Bewegung der Partitur“. Das Problem, Alceste, eine Oper voll innerer Dramatik, aber  mit wenig Handlung, wirksam auf die Bühne zu bringen, wird daher originell durch eine lebendige Choreograpie des Chors gelöst, vor allem aber durch fortlaufende Schöpfungen von Kreidezeichnungen auf kleinen oder großen schwarzen Tafeln. Diese Zeichnungen, die von den fünf Künstlern immer wieder gelöscht und durch neue ersetzt werden, haben Bezug auf das Geschehen auf der Bühne.

Es beginnt schon vor Anfang der Oper bei offener Bühne mit einer Zeichnung der Fassade des Palais Garnier, dessen Kuppel von einer Apollostatue gekrönt wird, die Oper wird also als ein Symbol des Apollotempels gewertet. Andere Symbole sind nicht immer so offensichtlich. Das Bühnenbild ist sonst ein kompliziertes System verschiebbarer und sich öffnender Elemente. Die Dekors sind durchgehend schwarz/weiß, samtliche Mitwirkenden tragen schwarze Anzüge und Kleider, nur Alceste in der Opferszene ein einfaches weißes Kleid, und der Arzt (das Orakel) einen weißen Kittel.

Sänger und Orchester

Sophie Koch ist mit vollem, auch in den hohen Lagen noch weichem Mezzo eine bewegende Alceste. Ein wohlkontrolliertes Vibrato verleiht ihr in den dramatischen Momenten verstärkten Ausdruck, wie in Divinités du Styx, ministres de la mort!Götter des Styx, Todesdiener (1. Akt, 7. Szene). Doch ihre reichhaltige Stimme kommt vor allem ab dem zweiten Akt voll zur Entfaltung wie in Dérobe-moi vos pleurs, cessez de m’attendrir – Erspart mir eure Tränen, sucht mich nicht zu rühren (2. Akt, 4. Szene). Yann Beuron als Admète hat eine klare, wohlklingende Tenorstimme, die langsam ihr schönes lyrisches Timbre enthüllt, wie in O moment délicieux! – Oh Augenblicke des Glücks (2. Akt, 3. Szene). Jean-François Lapointe ist mit kraftvoller Baritonstimme ein würdiger Oberpriester des Apollon. Die vier Koryphäen (Chorführer in der altgriechischen Tragödie) Stanislas de Barbeyrac, Marie-Adeline Henry, Florian Sempey und Bertran Dazin bilden ein wohlklingendes Quartett. Franck Ferrari als Hercules und François Lis als Orakel vollenden das ausgezeichnete Ensemble. Ein besonderes Lob gilt dem Chor, der in Anlehenung an altgriechische Tradition, eine überragende Rolle in der Oper spielt.

Marc Minkowski dirigiert Chor, Solisten und die Musiciens du Louvre meisterlich, wobei die vielfältige Klangfarbe des Orchesters besonders im dritten Akt hervortritt, wo es auf der Bühne plaziert ist.

Fazit

Die Reformoper Alceste hat nicht den betörenden Charme von Glucks Orpheus und Euridike, ist jedoch eine hochdramatische, musikalisch reiche Tragödie mit happy end, die vor allem in ihrer französischen Version einen anhaltenden, weltweiten Erfolg gehabt hatte.

So war sie auch in einer originellen Neuinszenierung und in einer musikalisch hochwertigen Interpretation ein sehr gelungener und entsprechend gefeierter Saisonanfang in der Pariser Oper.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Agathe Poupeney, Opéra national de Paris

Das Bild zeigt: Sophie Koch (Alceste) mit ihren beiden Kindern (stumme Rollen) vor der Zeichnung des Palais Garnier mit den 4 Koryphäen in der Öffnung oben.

Veröffentlicht unter Opern, Paris, Palais Garnier