Köln, Oper – DER WILDSCHÜTZ ODER DIE STIMME DER NATUR

von Albert Lortzing (1801-1851), Komische Oper in drei Akten, Libretto: Albert Lortzing;
UA: 31. Dezember 1842, Altes Theater, Leipzig
Regie/Bühnenbild: Nigel Lowery, Kostüme: David König
Dirigent: Enrico Dovico, Gürzenichorchester, Chor der Oper Köln, Einstudierung: Irina Benkowski, Solisten: Miljenko Turk (Graf von Eberbach), Viola Zimmermann (Gräfin Eberbach), Hauke Möller (Baron Kronthal), Katharina Leyhe (Baronin Freimann), Hanna Larissa Naujoks (Nanette), Wilfried Staber (Baculus), Claudia Rohrbach (Gretchen), Jochen Langner (Pankratius), Nam-Uk Baik (Ein Gast)
Besuchte Aufführung: 23. Januar 2009 (Premiere, eigentlich eine Produktion der Staatsoper Stuttgart)

Kurzinhalt
koln-wildschutz.jpgDer ältliche Schulmeister Baculus und das junge Gretchen feiern gerade ihre Verlobung. Da wird bekannt, daß Baculus wegen Wilderns seines Amtes enthoben ist. Jener hatte nämlich für das Verlobungsfest einen Bock in den gräflichen Wäldern geschossen. Gretchen möchte nun beim Grafen selbst Fürbitte einlegen, was ihr Verlobter untersagt, da der Graf als Frauenheld bekannt ist. So wollen zwei Studenten, als Frauen verkleidet, an Stelle von Gretchen, beim Grafen um Gnade für Baculus bitten. Die beiden angeblichen Studenten sind in Wirklichkeit die Schwester des Grafen, Baronin Freimann und deren Kammerzofe Nanette. Baronin Freimanns Absicht ist, Baron Kronthal inkognito auf dem Schloß ihres Bruders, den sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen hat, kennen zu lernen. Letzterer arbeitet als Stallmeister beim Grafen. Kronthal ist der Bruder des Grafen Frau, was im Schloß unbekannt ist. Am Abend trifft der Graf die als Bauernmädchen verkleidete Baronin und lädt sie – von ihr entzückt – auf sein Schloß. Baculus war es in der Zwischenzeit gelungen, die das antike Griechenland liebende Gräfin durch improvisierte altgriechische Zitate für sich zu gewinnen. Doch der Grafen überrascht die beiden im trauten Gespräch. Nun beginnt ein Verwechslungsspiel, bei dem am Ende aber alle füreinander bestimmten Paare zueinander finden. Schließlich will der Graf Baculus vergeben. Da aber wird gemeldet, daß der Schulmeister unschuldig sei, weil er in der Dämmerung anstelle des Rehbocks seinen eigenen Esel geschossen habe.
Aufführung
Schon vor Beginn der Oper können wir einen grau gekleideten Mann beobachten, der ein Meer von gelben und orangenen Plastikchrysanthemen gießt, die am Bühnenrand aufgestellt sind. Von dem grauen Vorhang blicken zwei überdimensional gemalte Menschen in neonfarbener Kleidung ins Publikum, die zwei Karten mit der Aufschrift Wir sind froh in den Händen halten. Im ersten Bild sind die Kostüme in der Mode der fünfziger Jahre der Darsteller in gedeckten Farben gehalten. Eine erste Änderung des Bühnenbilds wird dann für die im Schloß spielenden Passagen vollzogen. Die Antikenfreundlichkeit der Gräfin drückt sich hier für kurze Zeit dadurch aus, daß ein griechisches Vasenmuster das Bühnenbild einer „Bühne in der Bühne“ darstellt. Einen farblichen Kontrast bilden dann diejenigen Passagen, die ins Rotlichtmilieu verlagert worden sind, da hier Neonfarben überwiegen.
Sänger und Orchester
Die meisten Rezitativpassagen des ersten Akts sind durch Filmeinspielungen ersetzt. Hierzu werden die im Vorfeld mit den Darstellern aufgenommenen Filme auf die Bühne projiziert. Auch für die Präsenz des zu Beginn eingeführten Slogans Wir sind froh wird dieses Mittel genutzt. So sehen wir im dritten Akt in einer Dauerschleife Frauen für eine Gesichtscreme werben und rote Lippen diese Worte sprechen.
Das Gürzenichorchester zeigte an diesem Abend im Großen und Ganzen sein Können. Trotz einzelner Intonationsprobleme präsentierte es eine transparente und leichte Ouvertüre und erreichte teilweise einen unaufdringlichen Glanz. Auch die Sänger zeigten eine akzeptable Leistung. Hier ist Claudia Rohrbach (Gretchen) hervorzuheben, die mit einer klaren und perlenden Stimme ihren Soubrettesopran ausschöpfte. Leider ging der Einsatz filmischer Mittel mit dem zeitweiligen Problem einer technisch schlechten Übertragungsqualität einher, so daß man die gesprochenen Sequenzen nur unzureichend verstand.
Fazit
Regisseur Lowery hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das bürgertumskritische Potential der Oper herauszuarbeiten. Lowery wurde allerdings am Opernschluß heftig ausgebuht. Einige Zuschauer hatten die Aufführung vorzeitig verlassen. Dieser Reaktion lag wahrscheinlich einerseits die Verlagerung der Handlung in die heutige Zeit zugrunde, andererseits fiel die von Ideen überladene Inszenierung aber auch ins Klischeehafte mit slapstickhafter Komik, so daß man den Eindruck hatte, der Regisseur schieße über das Ziel hinaus.
Anaïs Boelicke
Bild: Klaus Lefebvre
Das Bild zeigt Hauke Möller als Baron Kronthal und Viola Zimmermann als Gräfin Eberbach.

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