Meiningen, Südthüringisches Staatstheater – VIVA LA MAMMA! – LE CONVENIENZE ED INCONVENIENZE TEATRALI – SITTEN UND UNSITTEN AM THEATER

von Gaetano Donizetti, Opera buffa in 2 Akten, Libretto von Gaetano Donizetti UA: 21. November 1827, Neapel
Regie: Ansgar Weigner; Bühnenbild: Dieter Richter; Kostüme: Annette Mey
Dirigent: Elisa Gogou, Meininger Hofkapelle, Herrenchor, Einstudierung: Sierd Quarré
Solisten: Vera Schoenenberg (Corilla Sartinecchi), Erdem Baydar (Stefano), Erwin Belakowitsch (Mamma Agata), Maida Karišik (Luigia Boschi), Xu Chang (Guglielmo Antolstoinolonoff), Ute Dähne (Dorotea Caccini), Dae-Hee Shin (Vincenzo Biscroma),
Jörn E. Werner ( Orazio Prospero), Roland Hartmann ( Impresario)
Besuchte Aufführung: 23. Januar 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
meiningen-la-mamma.jpgIn einem italienischen Provinztheater finden gerade Proben zu der neuen Oper Romolo ed Ersilia statt. Während Komponist und Librettist von den Sängern geplagt werden, allen voran die exzentrische Primadonna Corilla, erscheint Mamm’Agata, Mutter der zweiten Sängerin Luigia. Sie verlangt für ihre Tochter weitere Gesangsnummern. Es kommt zu Streitereien zwischen den Darstellern. Der Impresario erscheint mit dem Plakat. Alle wollen zuerst genannt werden. Die Mezzosopranistin Dorotea Caccini verläßt beleidigt das Ensemble. Mamm’Agata meldet sich als Ersatz, doch der Startenor Guglielmo möchte nicht mit ihr singen. Auch er verläßt das Ensemble. Nun muß kurzer Hand Stefano die Rolle des Romolo übernehmen. Die Stadt verweigert dem Theater finanzielle Unterstützung, da die beiden einzigen Stars abgereist sind. Die Aufführung ist in Gefahr, doch Mamm’Agata rettet das Theater indem sie ihren Schmuck verkauft.
Vorbemerkung
Die Handlung wurde aus der italienischen Provinz auf die Theaterbühne Meiningens zu Zeiten des Schauspielers und Theaterleiters Max Grube um 1911 verlegt und in Deutsch gesungen. Die Textfassung wurde extra für die Inszenierung bearbeitet. So sang Corilla im Pforzheimer Opernchor, ihr Gatte Stefano verkaufte Thüringer Bratwürste auf dem Meininger Marktplatz. Die Ausschnitte aus der einzustudierenden Oper werden in italienischer Sprache gesungen. Durch den Inhalt angebenden Übertitel wird die jeweilige Arie oder Szene erklärt.
Aufführung
Die Bühne zeigt die karge Stube von Mamm’Agata und Luigia. Der erste Akt spielt auf der heruntergekommenen Probebühne des Meininger Theaters. Die Darsteller tragen Kostüme aus der Zeit von 1911. Mamm’Agata tritt durch eine Tür im Zuschauerraum auf und streitet mit den Damen vom Einlaß. Der zweite Akt zeigt die Hauptbühne des Theaters. Für die Generalprobe sind alle in römische Gewänder gekleidet. Auf die Extrawünsche Mamm’Agatas reagierend, nörgelt lautstark das Orchester aus dem Graben heraus. Das Bühnengemälde im Hintergrund zeigt eine Szene aus Romolo und Ersilia und gibt, da es durchsichtig ist, den Blick hinter die Kulissen frei. In der Kantine vertreibt sich der Männerchor die Zeit des Umbaus mit Kartenspiel und Alkohol. Nebenan in der Garderobe jagt die Souffleuse als Domina kostümiert ihren Chef mit einer Peitsche durch den Raum.
Sänger und Orchester
Der besondere Effekt des Stückes hängt von der Besetzung der Mamm’Agata mit einem Bariton von großem Stimmumfang ab, der mühelos über lange Gesangspassagen hinweg eine zweitklassige Primadonna nachahmen muß. Erwin Belakowitsch gelingt dies sowohl gesanglich als auch schauspielerisch. Er scheut sich nicht, auch gewollt unschön zu singen, wie es die Rolle erfordert. Bereits im kurzen Vorspiel kommt man in den Genuß seines komischen Talents und kann sich ein herzliches Lachen nicht verkneifen. Besonders auffällig ist dabei die präzise Übereinstimmung von Bewegungen und Musik. Das Mutter-Tochter Verhältnis wird bereits mit viel Witz vorgezeichnet. Die Sopranistin Vera Schoenenberg bezauberte durch glockenklare Höhe auch an leisen Stellen und beweist als zickige Primadonna ihr schauspielerisches Talent. Einzig ihr Gesang ist als Belcanto gelungen. Von Erdem Baydar als Stefano wünschte man sich bessere Textverständlichkeit. Maida Karišik wirkt stimmlich und schauspielerisch blaß neben ihren Kollegen. In den Finalensembles ist sie kaum zu hören. Allgemein ist zu beanstanden, daß der deutsche Text die anspruchsvolle schnelle Deklamation des Parlando, vor allem in den Ensemblenummern, enorm behindert. Sänger und Orchester finden auch Dank des zu schnellen Tempos nicht immer zueinander. Die Meininger Hofkapelle unter der Leitung von Elisa Gogoul zeigt ansonsten einen transparenten, fein nuancierten Gesamtklang.
Fazit
Die Meininger Inszenierung wird dem unterhaltenden Anspruch dieser eher unbekannten Donizetti-Oper in vollem Maße gerecht. Sowohl zeitliche Annäherung als auch der Bezug auf regionale Gegebenheiten kamen dem Verständnis der Theaterparodien zugute. Der kurzweilige Abend trainierte die Lachmuskeln und schmeichelte den Ohren.

Josephin Wietschel
Bild: ed Meiningen
Das Bild zeigt: Unzufriedene Sänger: Erdem Baydar (Stefano), Vera Schoenenberg (Corilla), Erwin Belakowitsch (Mamm’Agata) und Maida Karišik (Luigia)

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