MEDEA – Paris, Théâtre des Champs-Élysées

Zu seinem 100 Jahre Jubiläum hat das Théâtre des Champs-Élysées in Paris eine Medea Trilogie auf sein  Programm gesetzt. Es kommen dabei zur Aufführung:

Marc Antoine Charpentiers Médée (1692) im Oktober, Pascal Dusapins Medea (1992), nach einem Text von Heiner Müller, im November und Luigi Cherubinis Médée (1797) im Dezember

Oper von Pascal Dusapin, Text von Heiner Müller (Medeamaterial). UA.: 13. März 1992, Théâtre de La Monnaie, Brüssel

Balletversion (2007) des Grand Théâtre du Luxembourg

Künstlerische Leitung, Choreographie, Regie, Video: Sasha Waltz,  Bühne: Pia Maier Schriever, Thomas Schenk, Heike Schuppelius, Kostüme: Christine Birkle,  Licht: Thilo Reuther Dramaturgie: Jochen Sandig, Yoreme Waltz

Dirigent: Marcus Creed , Akademie für Alte Musik Berlin, Vokalconsort Berlin, Sacha Waltz & Guests

Solisten: Caroline Stein (Medea), Claudia Bertz, Vier Stimmen der Medea: Ulrike Barth (Sopran), Anne-Kristin Zschunke (Mezzosopran), Kerstin Stöcker (Alt)

Besuchte Aufführung: 9. November 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Der Inhalt des Medea Mythos ist wohl hinlänglich bekannt.

Ballet

Sasha Waltz’ Choreographie ist inspiriert und abwechsungsreich. Das Ballet, meist in Bewegung, oft sehr ausdrucksvoll, manchmal in schönen statischen Bildern, tanzt auf einer völlig leeren, meist halbdunklen Bühne. Verschiedentlich kommt das tierhaft Barbarische oder Magische der Hauptperson zum Ausdruck. Zu Anfang ein sehr wirkungsvoll gegen den Hintergrund projiziertes Video eines antik wirkenden Frieses, löst sich langsam in Bewegung auf. Die Kostüme sind unscheinbare, farblose, weite Röcke, Blusen, Hosen oder Kittel. Sasha Waltz ist in Europa als Opernchoreographin bekannt und anerkannt, dennoch könnte man sich im Falle Medea die Frage stellen, ob sich der Zuhörer/Zuschauer nicht ohne Ballet besser auf die Musik hätte konzentrieren können.

Oper

Medea, in weitem schwarzen Kleid mit schwarzer Perücke, geht oder steht allein, nur vereinzelt wird sie in das Ballet miteinbezogen. Dabei singt sie Dialoge mit den unsichtbaren Stimmen Jasons oder der Amme, mit ihren eigenen vier Stimmen oder mit dem Chor, wobei letztere unten im Orchestergraben angesiedelt sind. Meist aber macht sie ihrer Wut in einsamen  wild-dramatischen Monologen Luft.

Das Orchester besteht aus Streichern, Orgel und Cembalo.

Sänger und Orchester

Caroline Stein singt beeindruckend die sehr schwierige Titelpartie. Ihr kraftvoller Koloratursopran wird vom tiefen bis in die ganz hohen Lagen in Anspruch genommen. Und weder ihr eher verhaltenenes Spiel noch die Orchesterpartitur, sondern dieser Stimmumfang gibt ihr jenen Furiencharakter, den die Rolle erfordert. Pascal Dusapins ganz persönlicher musikalischer Stil, ursprünglich von Iannis Xenakis und  Edgar Varèse beeinflußt, ergibt eine monotone, wenn auch durch Wiederholungen fast besessene Orchesterbegleitung. Die vier Solisten und der Chor schaffen ein wirkungsvolles Responsorium. Die Akademie unter der Leitung von Marcus Creed bestreitet glaubhaft das für sie ungewohnte Repertoire.

Fazit

Das Théâtre des Champs-Élysées feiert 2012 sein 100jähriges Bestehen. Als eine der ersten Aufführungen wurde dort vor einem Jahrhundert, Strawinskys Le Sacre du Printemps durch Diaghilews Ballet russe uraufgeführt. Die Aufführung löste einen Skandal aus. Vielleicht in Anlehnung daran brachte das Theater nun Sasha Waltz’ Balletversion der Medea-Oper des zeitgenössischen französischen Komponisten Pascal Dusapin, nach einem Text von Heiner Müller. Diese Kurzoper war ursprünglich als Gegenstück zu Henry Purcells ebenfalls sehr kurzen Oper Dido and Aeneas gedacht. Doch von dieser Gemeinsamkeit sind nur das „Barock“-Orchester und eine gewisse Ähnlichkeit der beiden antiken Mythen übriggeblieben. Sonst ist das Werk, im Einklang mit Heiner Müllers Gedicht, „grausam modern“. Die diesjährige Aufführung kam in Zusammenarbeit mit dem Grand Théâtre du Luxembourg, der Staatsoper unter den Linden und der Akademie für Alte Musik, Berlin, zustande und ist Teil der Feierlichkeiten zum 25jährigen Jubiläum des Freundschaftsvertrages zwischen Paris und Berlin.

Die Oper  fand beim Publikum einhellig großen Anklang.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Sebastian Bolesch

Das Bild zeigt: Medea, umringt von Tänzern

 

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