FIDELIO – Hof, Theater

von Ludwig van Beethoven (1770-1827), Oper in zwei Aufzügen, Libretto: Joseph Sonnleitner und Friedrich Treitschkenach der Oper Léonore ou l’amour conjugal von Pierre Gaveaux und Jean Nicolas Bouilly, UA (3. Fassung): 1814 Wien

Regie: Christian Tombeil, Bühne/Kostüme: Gabriele Wasmuth

Dirigent: Arn Goerke, Hofer Symphoniker, Chor Theater Hof, Choreinstudierung: Michel Roberge

Solisten: Birger Radde (Don Fernando), Michael Kupfer (Don Pizarro), Daniel Kirch (Florestan), Sabine Paßow (Leonore), Jens Waldig (Rocco), Inga Lisa Lehr (Marzelline), Mathias Frey (Jaquino), u.a.

Besuchte Aufführung: 21. September 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Leonore vermutet, daß ihr verschwundener Mann Florestan sich in den Händen seines Feindes, des Gefängnisgouverneurs Don Pizarro, befindet. Deshalb verkleidet sie sich als Mann und heuert unter dem Namen Fidelio als Helfer bei dem Kerkermeister Rocco an. Dessen Tochter Marzelline verliebt sich in Leonore. Pizarro erfährt derweil, daß der Minister Don Fernando das Gefängnis inspizieren möchte und fürchtet, daß dieser den unrechtmäßig inhaftierten Florestan entdecken könnte. Sein Versuch, den Gefangenen zu ermorden, scheitert: Florestan wird gerettet und Pizarro das Handwerk gelegt.

Aufführung

Es beginnt mit einer Wand der Verschwundenen: Während des Vorspiels suchen Frauen mit Photos, die sie an den eisernen Vorhang heften, nach ihren Männern. Leonore betritt durch die Türe im Vorhang die Hauptbühne. Der eiserne Vorhang hebt sich und gibt den Blick frei auf ein Labyrinth von Regalen, Leitern und Behältern. Die Akten und Kartons werden immer wieder umgeschichtet, gelesen und ausgewertet. Auch Requisiten wie die Briefe an Don Pizarro werden daraus entnommen. Der Kerker Florestans besteht aus einem großen Altkleider-Lager, für die Suche nach der Zisterne werden sie beiseite geschoben, für das Finale ganz beiseite geräumt. Wachen oder Zäune fehlen, Don Pizarro im Pelz dagegen tritt mit einem Gefolge in Ledermänteln auf.

Sänger und Orchester

Das Bühnenbild bietet große Spielflächen, die erst einmal mit Sängern mit Format gefüllt werden müssen. Dieses Format (eines Kleiderschranks) hat Jens Waldig, der die Vielschichtigkeit des Kerkermeisters Rocco auch stimmlich umsetzen kann – mit einem wahrlich großen baßlastigen Klangvolumen. Sabine Paßow ist eine Leonore, die sich im Verlauf des Abends erst steigern muß, denn am Anfang fehlt der Stimme ein wenig die Gelenkigkeit, um die schwierigen Koloraturketten Beethovens entstehen zu lassen. Ein ähnliches Problem, das Inga Lisa Lehr als Ballettänzerin Marzelline ebenfalls hat. Eigentlich nicht verwunderlich, denn als Operetten-Soubrette des Hauses paßt ihr Ton eingangs nicht so recht zu der Rolle. Daniel Kirch ist als neuer Haustenor in der Lage, dem Florestan tenoralen Schönklang zu verleihen. Bereits sein Gott, welch Dunkel hier wird zur mitreißenden Anklage für persönliche Freiheit. Die zweite Tenorrolle, die des Jaquino, ist mit Mathias Frey etwas wackelig besetzt. Die Stimme hat jedoch noch Potential zur Entwicklung. Eine fast schon überragende Rollengestaltung zeigt Michael Kupfer (Don Pizarro). Wahre Abgründe tun sich auf, wenn dieser schwere Wagnerbariton machtvoll zum Mord aufruft. Sein positiver Gegenspieler Don Fernando ist Birger Radde, der mit weniger Macht aber feineren Nuancen dagegen halten kann.

Der Dirigent Arn Goerke hält schließlich Beethovens Musik, diese zwar verstörende, aber auch faszinierende Mischform aus Singspiel, Oper und Oratorium, mit stoischer Ruhe und passenden Tempi  zusammen. Besonders bemerkenswert: Auch der Chor hat sich verändert, beträgt nominell 20 Mitglieder, hat seine klangliche Geschlossenheit und Diktion nicht nur beibehalten sondern auch die Stimmgruppen dichter staffeln können.

Fazit

Der neue Intendant Reinhard Friese setzt mit dieser Produktion eine wichtigen ersten Meilenstein für die hohen Ziele, die das Haus zukünftig bestimmen sollen. Die hohen sängerischen Herausforderungen, die jede einzelne Rolle dieses Werkes birgt, kann das neue Ensemble (unterstützt durch einige Gäste) erfüllen. Hingegen hinterläßt die Auswahl des Regisseurs bzw. der Verzicht des Intendanten hierbei einige Fragezeichen, denn die Verlegung der Handlung in eine Registratur bzw. in ein Altkleiderlager hinterläßt zwiespältige Gefühle beim Publikum. Was zu selten gehörten Buhrufen für die Regie führt, während das Ensemble lautstark gefeiert wird.

Oliver Hohlbach

Bild: SFF Fotodesign

Das Bild zeigt: Der Chor der Gefangenen

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