MADAME POMPADOUR – Coburg, Landestheater

von Leo Fall (1873-1925), Operette in drei Akten, Libretto: Rudolph Schanzer und Ernst Welisch

UA: 1922 Berlin

Regie: François De Carpentries, Bühne: Siegfried E. Mayer, Kostüme: Karine van Hercke

Dirigent: Hans Stähli, Philharmonisches Orchester und Chor des Landestheaters Coburg, Choreinstudierung: Stefan Meier

Solisten: Betsy Horne (Marquise von Pompadour), Michael Lion (König Ludwig XV.), Roman Payer (René Graf d’Estrades), Stefanie Schmitt (Madeleine Gräfin d’Estrades), Karsten Münster (Joseph Calicot), Ulrike Barz (Belotte), Rainer Scheerer (Maurepas), Constantin Eckardt (Poulard), u.a.

Besuchte Aufführung: 30. Mai 2012 (B-Premiere)

Kurzinhalt

Da sich die Pompadour auf dem Hofball langweilt, besucht sie mit ihrer Zofe Belotte das anrüchige Lokal Musenstall, um ein Abenteuer zu erleben. Der Dichter Calicot unterhält das Publikum mit Spottversen auf die Pompadour, was Polizeiminister Maurepas auf den Plan ruft, der eigentlich der Pompadour folgte, um sie zu überführen. Um Maurepas den Wind aus den Segeln zu nehmen, läßt die Pompadour Calicot verhaften und „bestraft“ ihn damit, ein Festspiel schreiben zu müssen. Da erscheint Madeleine, die Schwester der Pompadour, die sich auf der Suche nach Ihrem Gatten René befindet, der jedoch gerade das Abenteuer der Pompadour ist. König Ludwig löst mit seiner Eifersucht und seinem plötzlichen Auftreten einige Verwicklungen aus, die sich am Schluß in Wohlgefallen auflösen.

Aufführung

Die Ausstatter um De Carpentries haben eine opulent ausgestattete Kostüm-Operette auf die Beine gestellt, die die Welt des Absolutismus wieder zum Leben erweckt. Das gilt zumindest für die Kostüme, die Kulissen hingegen sind sehr sparsam gehalten. Ein Vorhang, ein aufgespanntes Tuch und ein paar Kissen symbolisieren den verruchten Musenstall. Eine bunt bemalte Trennwand bildet den Palast der Pompadour, der auch als Hintergrund für das Arbeitszimmer des Königs steht, das sparsam möbliert ist – die obligatorische Jagd-Trophäe, das Bildnis Ludwig XIV., Schreibtisch, Akten, Tinte und Feder dürfen nicht fehlen. Eine antike Truhe spielt wie weiland Falstaff eine tragende Rolle für Calicot.

Sänger und Orchester

Unzweifelhaft spielt Betsy Horne nicht nur die Hauptrolle, auch sängerisch dominiert sie die Vorstellung. Ihre dramatische Ausdruckskraft ist überzeugend, in den lyrischen Passagen kann sie die Stimme zurücknehmen und mit sotto voce glänzen. Daher ist es nicht überraschend, daß sie mit dem Schlager Josef, ach, Josef, was bist du so keusch? eine lüsterne Spannung im Publikum erzeugt. Roman Payer als ihr Abenteuer René verfügt über eine leuchtende baritonale Mittelage, aus der heraus er sich in die höchsten tenoralen Höhen aufschwingt. Allerdings ist nicht immer ein Operntenor ein guter Operettentenor. Dieser sollte leichter klingen und Operetteneffekte beherrschen. So geht sein Schlager Mein Prinzeßschen ohne Beifall vorüber. Auch mit Ich bin Dein Untertan kommen keine Gefühle beim Publikum auf. Schade! Rainer Scheerer als sein Polizeichef Maurepas zeigt nicht nur eine gute schauspielerische Darstellung als überhebliche Knallcharge (Zitat: Ich bin schläuer!), er kann dies auch mit stimmlichen Mitteln darstellen, wenn er seine Stimme als dynamische Mischung aus Dramatik, Überschnappen und Sprechgesang führt. Michael Lion, der Haus-Baß, darf als König Ludwig mit seinem tiefen und raumfüllend wohlklingenden Baß auftrumpfen. Karsten Münster geht ohne Probleme als Tenorbuffo durch, so vielschichtig kann er die Rolle des feigen Frauenhelden als Künstler gestalten. Stefanie Schmitt und Ulrike Barz komplettieren ein ausgewogenes Ensemble – in der den Sängern etwas ungewohnten Operette. Bei Hans Stähli sind Leo Falls Operetteneffekte und seine eingängigen Schlager mit Hit-Potential in den besten Händen. Die Dynamik zwischen laut und leise, langsam und schnell, anschwellend und abschwellend versteht er mit dem Philharmonischen Orchester effekthaschend zu gestalten.

Fazit

Freundlich verhaltener Beifall kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß De Carpentries keine Slapstick-Verwechslungskomödie auf die Bühne stellt, sondern versucht, den charmanten Intrigen der Gefährlichen Liebschaften zu folgen. Das Ergebnis ist eine Kostüm-Operette, die optisch erfreulich und auch unterhaltsam ist, jedoch fehlt das Tempo, damit die Situationskomik zum Tragen kommt. Und sicherlich gab es bei der Premiere im Berliner Theater im Jahr 1922 mehr Damen auf der Bühne, die weniger anhatten – die frivolen Zwanziger lassen grüßen. Musikalisch erfüllt die Produktion alle Ansprüche – auch wenn man die Sänger als etwas überqualifiziert bzw. übermotiviert bezeichnen kann.

Oliver Hohlbach

Bild: Henning Rosenbusch

Das Bild zeigt: Betsy Horne (Marquise von Pompadour) mit ihrem Gefolge

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