ALCINA – Halle, Oper, Händel-Festspiele Halle

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Dramma per musica in 3 Akten, Libretto von Antonio Fanzaglia nach Ludovico Ariosts Orlando furioso, UA: 16. April 1735 London

Regie/Bühne/Kostüme: Andrej Woron

Dirigent: Bernhard Forck, Händelfestspielorchster Halle, Mitglieder des Chores der Oper Halle

Solisten: Romelia Lichtenstein (Alcina), Terry Wey (Ruggiero), Ines Lex (Morgana), Bettina Ranch (Bradamante), Andreas Karasiak (Oronte), Ki-Hyun Park (Melisso), Jeffrey Kim (Oberto)

Besuchte Aufführung: 8. Juni 2012

Kurzinhalt

Bradamante ist als Mann verkleidet auf der Suche nach ihrem geliebten Ruggiero auf Alcinas Insel gelandet. Morgana, Alcinas Schwester, verliebt sich in den angeblichen Jüngling und führt Bradamante zum Hof Alcinas. Hier findet Bradamante Ruggiero, der ganz dem Zauber Alcinas verfallen ist und sich nicht mehr an seine Verlobte erinnert. Schließlich gelingt es, Ruggiero vom Zauber zu erlösen, woraufhin Alcina Rache üben will, da sie Ruggiero wirklich liebt und ihn nicht wie ihre vorherigen Liebhaber einfach in Tiere, Pflanzen oder Steine verwandelt hat. Bradamante und Ruggiero können fliehen und die Verzauberten erlösen, da Alcinas Zauberkräfte durch ihre Liebe außer Kraft gesetzt sind.

Aufführung

Die Inszenierung wird in einer zweiaktigen Spielfassung von Roland Quitt und Andrej Woron gebracht. Regisseur Woron läßt dabei zwei Welten aufeinander prallen, die sich sowohl in den Kostümen, als auch im Bühnenbild wiederspiegeln: Auf der einen Seite ein naiv-präindustriell geprägtes Inselvolk im klischeehaften Look der freien Wilden und auf der anderen Seite die Vertreter der normierten, unfreien Konsumgesellschaft in ihren Maßanzügen. Die Insel wurde als modernes Urlaubsparadies mit hydraulisch anhebbarem Wasserbecken im zentralen Bühnenbereich, angedeuteten Dünen im Hintergrund sowie weiß strahlenden Seiten- und Rückwänden mit Tür- und Fensteröffnungen angelegt. In Verwandlungs- bzw. Zauberszenen tritt ein Bühnenaufzug hinzu, der Alcina in einem Glaskasten auf den Vorderbereich der Bühne hochfährt.

Sänger und Orchester

Romelia Lichtensteins (Alcina) Sopran changiert zwischen Licht und Schatten. Während ihr in dramatischen Passagen ein durchaus pulsierendes Glühen in der Mittellage gelingt, zeigen sich insbesondere im ersten Akt in den Höhen konditionelle Schwächen und technische Schwierigkeiten in kantig geratenen Phrasierungen. Charismatisch zupackend, wenn auch blaß angehaucht in den Höhen, gerät ihr wiederum Ah! Ruggiero crudel – Ach! Grausamer Ruggiero (2. Akt). Mit Terry Wey zeigt sich ein stimmlich hervorragend situierter Countertenor. Sein Verdi prati – Grüne Wiesen erstrahlt im hellen Glanz seines lichtdurchfluteten Timbres, wobei er mit berückend nuancenreichen Phrasierungen den Olymp gefühlvoll-filigraner Akzentuierung erklimmt. Ines Lex (Morgana) gerät das Tornami a vagheggiar – Komm bald zurück mit jugendlich frischem, sich weit öffnenden und gleißend schillerndem Sopran, der mit größter Wendigkeit, geschmeidigem Timbre und kristalliner Reinheit in den Spitzentönen betört, zu einem Glanzstück des Abends. Im Vorrei vendicarmi – Ich möchte mich rächen kann Bettina Ranch (Bradamante) mit ihrem eindrucksvoll zupackenden, in atemberaubend agiler Wendigkeit agierenden und in dunklen Farben schillernden Mezzosopran begeistern. Andreas Karasiak legt seinen Oronte darstellerisch überzeugend als hinterlistig schelmischen Barbaren an, wobei sein schlanker Tenor das È un folle – Ein wahnsinniges Gefühl mit affektierter Manieriertheit aufblühen läßt. Das Pensa a chi geme – Denke an die von Ki-Hyun Park (Melisso) ist ein weiterer Glanzpunkt. Sein fulminant raumgreifender, aus wuchtigen Tiefen schöpfender Baß brilliert hier mit strahlend klarem Duktus. Hervorzuheben sei auch Jeffrey Kim als Oberto. Sein jugendlich frischer Countertenor funkelt beim Barbara! – Unmenschliche! wie ein lupenreiner Diamant, der von fein geschliffenen Facetten der Tonvariabilität bis in die höchsten Sphären erstrahlt.

Das Händelfestspielorchester Halle unter Bernhard Forck glänzt dazu mit spritzig lebhaftem Vortrag.

Fazit

Die Inszenierung läßt durch uninspirierte Bühnenelemente den Charakter der barocken Zauber- und Verwandlungsoper nur schwer erahnen. Dazu lenken einfallslose Spielereien, wie durch den Zuschauerraum schwebende Helium-Luftballonfische und durchs Wasserbecken robbende Tänzer unnötig von den Auftrittsarien ab. So sind es in erster Linie auch die größtenteils hervorragenden Leistungen der Musiker und Sänger, welche den Abend zu einem musikalischen Erlebnis werden lassen.

Dr. Andreas Gerth

Bild: Gert Kiermeyer

Das Bild zeigt: Ines Lex (Morgana), Andreas Karasiak (Oronte), Terry Wey (Ruggiero), Romelia Lichtenstein (Alcina)

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