LA SONNAMBULA – DIE NACHTWANDLERIN – Stuttgart, Staatsoper

von: Vincenco Bellini; Melodramma in zwei Akten, Libretto: Felice Romani nach einem Libretto von Eugène Scribe zum Ballett La sonnambule (1827) von Jean-Pierre Aumer, UA: 6.März 1831, Mailand, Teatro Cardano

Regie: Jossi Wieler und Sergio Morabito, Bühne/Kostüme: Anna Viebrock

Dirigent: Gabriele Ferro und das Opernorchester Stuttgart

Solisten: Liang Li (Graf Rodolfo), Helene Schneidermann (Teresa), Ana Durlovski (Amina), Luciano Botelho (Elvino), Catriona Smith (Lisa), Motti Kastón (Alessio)

Besuchte Aufführung: 22. Januar 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Die Hochzeit von Amina und Elvino steht kurz bevor. Die beiden verweilen mit der Dorfgemeinde in Lisas Gasthaus, als Graf Rodolfo sich dort einquartiert. In der Nacht verirrt sich die schlafwandelnde Amina in Rodolfos Zimmer. Aber Elvino findet sie schlafend auf dem Bett des Grafen, beschuldigt sie der Untreue und sagt die Hochzeit ab. Lisa hat nichts Besseres zu tun, als die Dorfbewohner ins Schlafzimmer zu führen, um ihre Nebenbuhlerin bloßzustellen. Der Graf versucht das Mißverständnis aufzuklären und Aminas Unschuld zu beweisen. Einige Zeit später versucht Graf Rudolfo der Dorfgemeinde das Phänomen des Schlafwandelns zu erklären. Genau in diesem Moment erscheint die schlafwandelnde Amina. Alle erkennen, daß ein schlafwandelnder Mensch nie ein Ziel haben kann, da er eben „nicht bei Sinnen ist“. Auch Elvino erkennt seinen Irrtum und ist von Aminas Unschuld überzeugt. Endlich findet die ersehnte Hochzeit der beiden statt.

Aufführung

Die Dorfatmosphäre des Librettos wird in ein Wirtshaus verlegt. An der Seite des Schankraums stehen massive Kirchholzschränke, in der Mitte des Raumes sieht man Biertische. Im ersten Akt wird der vordere Teil der Bühne abgetrennt und zeigt das Zimmer von Graf Rodolfo. Eine Dorfgesellschaft betritt die Bühne: die Damen tragen knielange Bleistiftröcke, die Männer Arbeitsanzüge. Aminas Kostüme haben unterstreichen ihre mädchenhafte Erscheinung: sie trägt ein rosafarbenes Hochzeitskleid und später ein Nachthemd. Elvino dagegen präsentiert sich im eleganten Hochzeitsanzug wie ein Geschäftsmann. Insgesamt stellen die Akteure ihre Rollen sehr überspitzt dar; Amina zupft z.B. die ganze Zeit verschämt an ihrem Kleid und Lisa drückt sich vor Wut über den Verlust von Elvino eine Zigarette auf dem Arm aus.

Sänger und Orchester

Gabriele Ferro dirigiert präzise das Orchester während der Ouvertüre. Eindrucksvoll, wie die Streicher Melodiebögen ausschwingen lassen und ein sattes Klangvolumen erreichen. Anfänglich gibt es zwischen Chor und Orchester einige unkoordinierte Stellen, die aber im Laufe des Abends sich verbesserten. Das Orchester gibt durchweg den Sängern eine gute rhythmische und harmonische Stütze. Catriona Smiths (Lisa) Kavatine Tutto è gioia, tutto è festa – Alles ist Freude, alles ist festlich stimmt bestens in die Oper ein. Die Sopranistin hat ein sehr helles Timbre und singt mit glasklarer Stimme die Partie der sitzengelassenen Wirtshausbesitzerin. Dabei intoniert sie, besonders die hohen Töne, mit sehr viel schmerzhaftem Ausdruck in der Stimme. Ana Durlovski (Amina) hebt mit ihrem lyrisch-warmen Sopran die Ängstlichkeit des jungen Mädchens hervor. Dies gelingt ihr vor allem in den hohen Tönen im bei zurückgenommener Stimme (sotto voce). In den Koloraturketten artikulierte sie sehr weich, was ihnen eine starke Eindringlichkeit verleiht, besonders deutlich wenn die Orchesterbegleitung aussetzte. Mit kräftigem stimmlichem Einsatz bringt Luciano Botelhos (Elvino) große Leidenschaftlichkeit zum Ausdruck. Durlovski und Botelhos harmonieren auf musikalischer Ebene sehr gut. In dem gemeinsamen Liebesduett im ersten Akt Ah! costante nel tuo, nel mio seno Ach beständig in deinem/meinem Herzen ergänzen ihre beiden gegensätzliche Stimmfarben zu einer harmonischen Einheit; gleichzeitig singen sie rhythmisch sehr genau. Herausragend ist auch Liang Lis (Graf Rodolfo) Auftritt: sein dunkel gefärbter Baß hallt bis in die letzten Reihen; besonders im Finale setzt das dramatische Höhepunkte. Erwähnenswert ist auch Helene Schneidermanns (Teresa) komödiantischer Auftritt, der einige Szenen auflockert. Ihr metallischer Sopran entspricht ganz der Mutterrolle, die sie mit Inbrunst singt.

Fazit

Der facettenreiche Gesang bietet viele musikalische Höhepunkte und hat eine intensive Wirkung auf den Zuhörer. In der Inszenierung findet sich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Unterhaltung und Nachdenklichkeit. Das Publikum spendet im Stehen ausgiebigen Applaus und viele rufen Bravo, besonders auffallend beim Erscheinen der Sänger Ana Durlovski, Luciano Botelho und Liang Li.

Melanie Joannidis

Bild: A.T. Schaefer

Das Bild zeigt: Ana Durlovski (Amina), Luciano Botelho (Elvino), Staatsopernchor Stuttgart

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