WOZZECK – Berlin, Staatsoper im Schiller Theater

von Alban Berg (1885–1935), Oper in drei Akten, Libretto nach Georg Büchners Woyzeck, UA: 1925 Berlin

Regie: Andrea Breth, Bühne: Martin Zehetgruber, Kostüme: Silke Willrett und Marc Weeger, Dramaturgie: Jens Schroth, Licht: Olaf Freese

Dirigent: Daniel Barenboim, Staatskapelle Berlin, Staatsopernchor, Einstudierung: Eberhard Friedrich, Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden, Leitung: Vinzenz Weissenburger

Solisten: Roman Trekel (Wozzeck), Nadja Michael (Marie), John Daszak (Tambourmajor), Florian Hoffmann (Andres), Graham Clark (Hauptmann), Pavlo Hunka (Doktor), Heinz Zednik (Narr) u.a.

Besuchte Aufführung: 16. April 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Der arme Soldat Wozzeck, der Marie und ihren gemeinsamen unehelichen Sohn zu ernähren hat, führt ein Leben in permanenter Demütigung: Der Hauptmann, den er rasiert, weist ihn stets zurecht und wirft ihm vor, zuviel zu denken, der Doktor mißbraucht ihn für medizinische Experimente. Sein Freund Andres nimmt ihn nicht ernst. Da es ihm an Geld fehlt, muß er in der Kaserne leben und sieht seine kleine Familie nur ab und zu. Als der betrunkene Tambourmajor sich vor Wozzeck damit brüstet, ein Verhältnis mit Marie angefangen zu haben um mit ihr viele Kinder zu zeugen, wird es Wozzeck zuviel. Nachdem ihn schon längere Zeit apokalyptische Visionen geplagt haben, beschließt er, Marie umzubringen. Nach dem Mord an ihr begeht er Selbstmord, zurück bleibt ihr Kind.

Aufführung

Andreas Breths Inszenierung setzt auf Schlichtheit und Übersichtlichkeit des Bühnenbildes. Entweder blickt man in eine winzige Zelle – z.B. bei den Szenen in Maries Zimmer – oder auf ein großes, sich drehendes Rad, in dem sich die Darsteller bewegen, oder auf eine weite, schwarze Fläche wie in der dritten Szene des dritten Aktes. Der Bühnenhintergrund ist tiefschwarz, die Kostüme sind in blassen Farben gehalten. Die Szeneneinteilung des Textbuches ist durch kurze Zwischenvorhänge angedeutet. Die Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit des Librettos wird durch diese düstere Szenerie, die von den rohen und teilweise obszönen Aktionen der Darsteller erfüllt ist, zum Ausdruck gebracht, etwa in der Wirtshausszene des zweiten Akts. Hier werden Woyzecks Worte Alles wälzt sich in Unzucht übereinander (2. Akt, 4. Szene) illustriert. Lediglich in der Schlußszene weicht die Inszenierung vom Text des Librettos ab. Hier sind es nicht die Kinder, die Wozzecks Sohn vom Tod seiner Mutter berichten, sondern Wozzeck selbst, der wie angekettet in der Mitte der Bühne liegt.

Sänger und Orchester

Roman Trekel (Wozzeck) hat eine sehr kultivierte Art zu spielen und zu singen. Vielleicht ist sie sogar zu kultiviert für diese Rolle. Ohne Frage bringt er den Text klar, verständlich und fein nuanciert heraus und ist ein routinierter Darsteller. Doch sind Manieren in seiner Körpersprache auszumachen, beispielsweise die Tendenz, bei seinen Einsätzen stets den Kopf zu senken, wie auch eine gewisse Steifheit des Oberkörpers. Nadja Michael (Marie) spricht ihren Text deutlich aus – auch wenn ihr starkes Lispeln anfangs irritiert – und hat vor allem in der Höhe eine raumfüllende Stimme. Das hohe Register sticht bei ihr allerdings zu sehr vom Übrigen ihrer Stimme ab und klingt manchmal allzu forciert, ja beinahe schrill. Ihr Vortrag könnte durch eine leichte Zurücknahme in der Höhe tatsächlich noch etwas gewinnen. Von den Nebenrollensängern boten Pavlo Hunka (Doktor) und Graham Clark (Hauptmann) ohne Frage die besten Leistungen. Ihr Vortrag ließ an Deutlichkeit und Plastik in musikalischer wie auch darstellerischer Hinsicht nichts zu wünschen übrig. Das kann auch von dem Narren Heinz Zedniks behauptet werden. Johan Daszak als muskelbepackter Tambourmajor sang heroisch und spielte seine brutale Rolle voll aus. Die Staatskapelle Berlin präsentierte die Musik souverän und war absolut sicher bei allen Übergängen und der dynamischen Gestaltung. Daniel Barenboim arbeitete gekonnt die spätromantischen Anteile in Bergs Orchesterklang heraus. Die Integration der Stimmen in den Gesamtklang gelang perfekt. Lediglich im Chor der Wirtshausszene im zweiten Akt waren leichte Intonationsschwankungen zu erkennen, die vielleicht sogar so beabsichtigt waren.

Fazit

Diese Inszenierung besticht dadurch, daß sie alles andere als prätentiös ist. Die Regie tritt hier ganz in den Dienst der Verdeutlichung des Librettos und läßt dadurch auch der Musik viel Raum zur Entfaltung. Durch die guten Sänger und die reibungslos funktionierende Bühnentechnik geriet die Premiere fast einen Hauch zu perfekt und ließ – bei all der bedrückenden Atmosphäre – ein wenig kalt. Doch ist das der einzige Vorwurf, den man dieser rundum geglückten Produktion machen kann. Musikalisch und szenisch überragend wurde sie in allen Teilen lautstark vom Publikum begrüßt.

Dr. Martin Knust

Bild: Bernd Uhlig

Das Bild zeigt: Nadja Michael (Marie), Fabian Sturm (Knabe)

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