TAMERLANO – Bonn, Oper

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Dramma per musica in drei Akten, Libretto: Nicola Francesco Haym nach Agostino Graf Piovene und Ippolito Zanelli. UA: 31. Oktober 1724, King´s Theatre, London

Regie: Philipp Himmelmann, Bühne: Johannes Leiacker, Kostüme: Katherina Kopp, Beleuchtung: Thomas Roscher

Dirigent: Rubén Dubrovsky, Beethoven Orchester Bonn, Continuo: Christopher Sprenger (Orgel, Cembalo), Grigory Alumyan (Violoncello), Stanislaw Gojny (Chitarrone), Ingo Klatt (Kontrabaß)

Solisten: Mariselle Martinez (Tamerlano), Mirko Roschkowski (Bajazet), Emiliya Ivanova (Asteria), Antonio Giovanni (Andronico), Susanne Blattert (Irene), Sven Bakin (Leone)

Besuchte Aufführung: 27. Februar 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Nach blutigem Kampf hat der  Tatarenherrscher Tamerlano (historisch: Timur Lenk, 1336-1405) den besiegten türkischen Sultan Bajazet gefangen genommen, den nur die Gedanken an seine Tochter Asteria vom Selbstmord abhalten können. Tamerlano begehrt Asteria zur Frau, was den Vater rasend vor Wut macht. Andronico, Asterias Geliebter, sowie Irene, die verstoßene Braut Tamerlanos, möchten die Verbindung des Tataren mit der Prinzessin ebenfalls verhindern. Zum Schein geht Asteria auf das Werben ein, denn sie plant ihn umzubringen. Als sie ihr Vorhaben gesteht, droht Tamerlano, sie und ihren Vater zu töten. Asteria gelingt ein weiterer Anschlag auf Tamerlano. Sie mischt Gift in seinen Becher, was Irene, die weiter auf den Thron spekuliert, bemerkt und Tamerlano warnt. Bajazet, der keine Rettung mehr für seine Tochter und sich sieht, nimmt Gift, Asteria erdolcht sich.

Vorbemerkung

Tamerlano war geschichtlich einer der gewaltsüchtigsten Herrscher zu Beginn des 15. Jahrhunderts, was außer Händel zahlreiche andere Komponisten inspirierte. In Bonn hat man sich für den Selbstmord der Asteria am Schluß entschieden; ein anderer bekannter Schluß ist, daß Tamerlano Asteria verzeiht, sie mit Andronico weggehen läßt und selbst Irene zur Frau nimmt.

Aufführung

Nach der Ouvertüre sieht man Asteria im weißen Kleid vor einem Zwischenvorhang beim Versuch, sich zu erdolchen. Der Vorhang hebt sich und die Geschichte, die nun auch als Traum der Asteria gesehen werden könnte, nimmt ihren Lauf. In der Mitte der Kulisse aus schwarz-weiß karierten Wänden gibt es drei Dreh-Elemente, ebenfalls mit schwarz-weißem Dekor. Sie ändern im Lauf der Oper ihre Position mehrfach, durch die unterschiedlichen Verhältnisse zueinander entsteht eine Vielfalt geometrischer Kombinationen.

Die Protagonisten tragen barockisierende Gehröcke. Bajazet wirkt, entsprechend seiner Situation als Gefangener, etwas derangiert. Asteria bleibt während der ganzen Oper auf der Bühne. Sie steht im Handlungszentrum, nicht der Titelheld.

Sänger und Orchester

Rubén Dubrovsky schaffte es, den Klang des klein besetzten Orchesters, trotz modernen Instrumentariums (abgesehen von einem Chitarrone und Cembalo), transparent zu halten. Die Ouvertüre zeigte das ebenso wie die konzertanten Accompagnati der Arien. Mariselle Martinez in der Hosenrolle des Tamerlano gestaltete die koloraturfreudigen Arien der Titelpartie mit profunder Tiefe und wendiger Höhe. Man hatte mit ihr eine vorbildliche Interpretin verpflichtet, die zu Recht Zwischenapplaus bekam, etwa nach ihrer grandiosen „Rachearie“ Ecco il cor – Hier, mein Herz (2. Akt). Ihre großartige mimische Darstellung hätte von der Regie durch etwas barockere Gestik unterstrichen werden dürfen. Mirko Roschkowski (Bajazet) spielte nicht weniger überzeugend, nahm jedoch vor allem durch seinen sehr leichten und substanzreichen Tenor ein. Antonio Giovannis (Altus) in der Rolle des Andronico wirkte sehr geschmeidig; als Darsteller blieb er jedoch statisch und mimisch vergleichsweise unspektakulär. Susanne Blattert gab eine kühl berechnende Irene, die vor allem im zweiten Teil mit ihrem Alt überzeugen konnte. Mit ihrem hellen und klaren Sopran ging Emiliya Ivanova an die Partie der Asteria heran. Mit Leichtigkeit meisterte sie die Koloraturen, allerdings mit deutlich mehr Vibrato, als notwendig gewesen wäre.

Fazit

Die größte Überraschung war der gut umgesetzte, am barocken Vorbild orientierte Klang des Orchesters, was die instrumentale Seite reizvoll machte. Die Sänger, allen voran Mariselle Martinez und Mirko Roschkowski, überzeugten im großen ganzen. Die Regie enttäuschte durch Stereotypien in der Personenführung verbunden mit der Eintönigkeit der monochromen Kulisse. Dadurch rückte jedoch die Musik in den Mittelpunkt. Die von der Regie erteilten schauspielerischen Anweisungen beschränkten sich auf den Einsatz starker Mimik und Interaktion in der frontalen Manier des Rampentheaters. Allein in der Musik und den Gesichtern der Sänger tobten starke Affekte, wie Wut, Rache, Liebe, während die Kulisse unverändert schwarz-weiß blieb.

Felicitas Zink

Bild: Theater Bonn

Das Bild zeigt: Emiliya Ivanova (Asteria, Vordergrund), Mariselle Martinez (Tamerlano, Hintergrund)

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