New York, Metropolitan Opera – TRISTAN UND ISOLDE

von Richard Wagner Handlung in drei Aufzügen, Text vom Komponisten; UA: 1865 München
Regie: Dieter Dorn, Bühnenbild/Kostüm: Jürgen Rose, Licht: Max Keller
Dirigent: James Levine
Solisten: John Mac Master (Tristan), Deborah Voigt (Isolde), Michelle DeYoung (Brangäne), Eike Wim Schulte (Kurwenal), Matti Salminen (Marke), Stephen Gaertner (Melot), Matthew Plenk (Stimme eines jungen Seemanns), Mark Schowalter (Hirt), James Courtney (Steuermann)
Besuchte Vorstellung: 10. März 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
10308-ny-tristan-und-isolde.jpegTristan, der tapferste Held Cornwalls, und Isolde, Prinzessin von Irland, sind füreinander in Liebe entflammt. Da sie Repräsentanten verfeindeter Länder sind, sind sie allerdings außerstande, sich ihre Liebe einzugestehen. Als Brangäne, die Zofe Isoldes, ihnen einen Liebestrank verabreicht, können sie es jedoch nicht länger voreinander verheimlichen. Ihre Liebe – Isolde ist Tristans Lehnsherrn Marke zur Ehe versprochen – läßt sich jedoch nicht verwirklichen, und so beschließen beide, den Tod zu wählen, um ihrer unmöglichen Situation zu entfliehen. Tristan stürzt sich in das Schwert Melots, als beide im Morgengrauen von Marke und seinem Hofstaat ertappt werden, und wird schwer verletzt. An seiner Wunde siechend erwartet er verzweifelt die Ankunft Isoldes, um den ersehnten Tod finden zu können. Als sie bei ihm eintrifft, stirbt er. Isolde schickt sich in ihrem Schlußgesang an der Leiche Tristans an, ihm zu folgen. Der Vorhang fällt.
Die Aufführung
James Levines Vorliebe für breite Tempi ist allgemein bekannt, doch hält sich mit Ausnahme des dritten Aktes seine Interpretation in den Grenzen des allgemein Üblichen. Die Sänger – John Mac Master (Tristan) sprang an diesem Abend für den erkrankten Ben Heppner ein – bieten ohne Ausnahme musikalisch ein unglaublich hohes Niveau, selbst die Nebenrollen waren mit Kräften besetzt, über die sich jedes deutsche Theater freuen würde – vor allem der Kurwenal Eike Wim Schultes ist hier zu nennen –, und dennoch sprang der Funke an diesem Abend nicht über.
Das lag zum einen sicherlich an der ausgesprochen biederen, teilweise sogar naiven Regie. Das Bühnenbild, von zwei perspektivisch zulaufenden Wänden begrenzt und stets monochrom beleuchtet, gestattet ausschließlich Auftritte aus dem Bühnenboden heraus, was spätestens im zweiten Akt regelrecht ermüdete.
Die gesamte große Liebesszene im zweiten Akt fand vor einem stark weiß-grünlich beleuchteten Hintergrund statt, der von dem Liebespaar lediglich die Umrisse erkennen ließ, ohne jegliche Bewegung auf der Bühne, und dürfte damit zu den einfallslosesten Inszenierungen dieser entscheidenden und immerhin mehr als 40 Minuten dauernden Szene zählen. Einzelne Effekte wirkten unfreiwillig komisch und wurden vom Publikum dementsprechend auch mit lauten Gelächter quittiert, etwa, wenn nach dem Genuß des Liebestrankes die bis dahin in ein kaltes, weißes Licht gehüllte Bühne plötzlich tiefrot erstrahlte, wenn Isolde während ihrer Erzählung im ersten Akt plötzlich mit einer kleinen Tristan-Puppe in einem Miniaturboot hantierte, um das Erzählte zu illustrieren, und im dritten Akt Tristans Schloß Kareol – ebenfalls im Spielzeugformat und mit kleinen Pferden und Rittern dekoriert – aus dem Bühnenboden emporsteigt. Mit Ausnahme von Matti Salminen (Marke), dessen gewaltige Bühnenpräsenz auch an diesem Abend das Publikum förmlich hinriß, und der Bayreuth-erprobten Michelle DeYoung (Brangäne) scheiterten alle Darsteller an der vom Regisseur vorgegebenen ausgesprochen pathetischen und schwerfälligen Personenführung.
Darüber hinaus zeigten sich bei Deborah Voigt (Isolde), die an diesem Abend ihr Debüt als Isolde gab, und John Mac Master (Tristan) in ihren langen Monologen im ersten und dritten Akt teilweise gravierende Mängel in der Beherrschung des deutschen Textes. Insbesondere Tristans berüchtigter Fiebermonolog im dritten Akt mißlang gründlich, wofür Mac Master vom Publikum unbarmherzig ausgebuht wurde. Das war insofern bedauerlich, als er sich an diesem Abend deutlich unter Wert verkaufte. Seine Gesangstechnik und Nuancierungsfähigkeit, die – für einen Heldentenor völlig ungewöhnlich – sich durchaus mit der eines dramatischen Baritons messen kann, kam hier aufgrund seiner textlichen Unsicherheit kaum mehr zur Geltung. Außerdem erlaubt ihm seine enorme Korpulenz leider nur wenige Bewegungen auf der Bühne. Eine Mischung aus Heiterkeit und Furcht machte sich breit, als er am Beginn des dritten Aktes auf seinem Krankenbett liegend, das offensichtlich nicht für ihn konstruiert war, aufgrund des leichten Gefälles der Bühne immer weiter unaufhaltsam in Richtung Orchestergraben rutschte.
Fazit
Bis auf wenige Momente herrscht in dieser Inszenierung gepflegte Langeweile vor, auch wenn sich die Regie insgesamt recht eng an die Wagnerschen Regievorgaben hält und die musikalische Leistung von Orchester und Sängern wirklich über jeden Zweifel erhaben ist. Zwar ist man bei dieser Produktion vor unliebsamen Überraschungen von seiten der Regie sicher, zugleich fehlt es aber der altertümlich anmutenden Personenführung sowie der Ausstattung und Beleuchtung der Szene an Konsequenz, so daß kein überzeugendes Ganzes entsteht.
Daher ist diese Produktion nur begrenzt zu empfehlen. Die derzeit in Bremen laufende Tristan-Inszenierung ist, obwohl sie in jeder Hinsicht mit ungleich begrenzteren Mitteln auskommen muß und mit einer ähnlich minimalistischen Personenführung arbeitet, der New Yorker in nahezu allen Punkten vorzuziehen.

Dr. Martin Knust

Bild: Ken Howard
Das Bild zeigt Isolde (Deborah Voigt) und Brangäne (Michelle DeYoung).

Veröffentlicht unter New York, Metropolitan Opera, Opern

Schreibe einen Kommentar