GENOVEVA – Plauen-Zwickau, Theater

von Robert Schumann (1810-1856), Oper in vier Akten nach Ludwig Tieck und Friedrich Hebbel, Libretto: Robert Reinick und Robert Schumann, UA: 1850 Leipzig

Regie: Jochen Biganzoli, Bühne/Kostüme: Stefan Morgenstern, Videokonzeption: Thomas Lippick

Dirigent: Tobias Engeli, Philharmonisches Orchester und Opernchor des Theaters Plauen-Zwickau, Liederkranz und Singakademie Zwickau

Solisten: Igor Gavrilov (Hidulfus), Shin Taniguchi (Siegfried), Maria Gessler (Genoveva), Fritz Feilhaber (Golo), Nathalie Senf (Margaretha), Nikolaus Meer (Drago), Holger Rieck (Balthasar), Hasso Wardeck (Caspar).

Besuchte Aufführung: 4. Juni 2010 (Premiere, Schumann-Fest 2010)

Kurzinhalt

Pfalzgraf Siegfried zieht 730 n. Chr. aus, um die Mauren zu bekämpfen. Golo setzt er als Hüter seiner Frau Genoveva und Verwalter seiner Burg ein. Golos Amme Margaretha – der schwarzen Künste wegen aus dem Schloß vertrieben – drängt Golo, sich des Schlosses und Genovevas zu bemächtigen, die er verzweifelt liebt, die aber seine Annäherungen empört zurückweist. Zusammen mit Margaretha lockt der wütende Golo den Hofmeister Drago in Genovevas Gemächer. Drago wird entdeckt und einer Beziehung zu Genoveva beschuldigt, worauf er im Kampf erstochen und Genoveva wegen Ehebruchs verhaftet wird. Siegfried liegt verletzt in Straßburg, wo Margaretha ihn pflegt, aber auch vergiften möchte. Golo überbringt die Nachricht von Genovevas angeblicher Untreue. Margaretha zeigt Siegfried in ihrem Zauberspiegel ein Trugbild von der Zügellosigkeit seiner Frau, woraufhin er das Todesurteil bekräftigt. Dragos Geist erscheint Margaretha und droht ihr mit dem Scheiterhaufen, worauf sie Siegfried die Wahrheit gesteht. Genoveva soll hingerichtet werden, aber Siegfried eilt herbei und rettet seine Gemahlin im letzten Moment. Die beiden werden von Bischof ein zweites Mal vermählt.

Aufführung

Das meistbenutzte Bühneninstrument ist in dieser Produktion die Drehbühne. Auf ihr werden die Projektionswände gezeigt. Im Hintergrund steht eine zweigeteilte Rampe, auf der der Chor den Auszug der militärischen Führer feiert, während Golo als Ersatzkönig mit einer Pappkrone begrüßt wird. Durch eine Zwischenkulisse entsteht ein abgeschlossener Raum. Er dient auch als Projektionsfläche für die Ansprachen der personifizierten Fieberphantasien und kann auch angehoben werden, um ein gewaltsames Eindringen zu ermöglichen.

Die Darsteller zeigen heutige gehobene Gesellschaftskleidung. Auch andere Requisiten, wie z.B. Rollstuhl, weisen auf die heutige Zeit hin, während ein Schwert als Machtsymbol für Siegfried wohl deutlich ein Anachronismus darstellt.

Sänger und Orchester

Ein Jahr hat die Oper Zwickau-Plauen nach diesem Tenor gesucht. Nicht nur die exorbitant hohen Anforderungen an den Sänger galt es zu erfüllen, denn er muß die wirren Fieberphantasien nicht nur mit der Stimme, sondern auch als Darsteller glaubhaft machen können. Schumanns Werk wird in dieser Hinsicht gerne unterschätzt! Mit Fritz Feilhaber hat man einen Tenor gefunden, der auf dem Sprung zum Helden-Tenor ist und der Golo zur Hauptfigur aufwerten kann. Die eigentliche Namensgeberin des Stückes, Maria Gessler als Genoveva, kann als lyrischer Sopran und sterbender Schwan kaum mithalten – auch weil es wahrscheinlich von der Regie her so gewollt ist. Das wird auch im Gegensatz zu Nathalie Senf als Margaretha deutlich, die die bösartige Dämonie der Hexe stimmlich mehr als ausleben kann. Shin Taniguchi als Siegfried komplettiert die Riege der Hauptdarsteller als durchschlagsstarker Bariton, der aber auch leise, nachdenkliche und lyrische Augenblicken gestalten kann. Unter den Nebenrollen sticht Nikolaus Meer (Drago) als warm tönender Baß mit sicherer Tiefe hervor.

Der eigentliche Hauptdarsteller ist jedoch Tobias Engeli, der das Philharmonische Orchester zu einer wahren Glanzleistung führte. Er überdeckt die musikdramaturgischen Mängel, die Schumann als Opernkomponist nicht lösen konnte, und erweist damit, daß Schumann aus symphonischer Sicht einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Romantik ist.

Fazit

Dieser Abend ist Beleg dafür, daß man mit viel Liebe, heftigem Bemühen und relativ wenig Geld eine musikalische Kostbarkeit gleichsam als Sternstunde der Oper erblühen lassen kann. Die vier Hauptdarsteller, das Orchester und der Chor zeigen das Höchste ihres Potentials. Die Regie überdeckt gnädig mit dem gelungen umgesetzten Ansatz – Golo als geisteskranken Schumann autobiographische Züge zu verleihen – die dramaturgischen Schwächen des Stückes als wirre Fieberphantasien. Ein weiterer Beweis, daß kleine Häuser mittlerweile in der Lage sind, Staatstheatern den Rang abzulaufen, vor allem wenn man bedenkt, daß zu Schumanns 200. Geburtstag womöglich nur in Zwickau seine Oper zu sehen ist. Gleichzeitig ein vom Publikum heftig gefeierter Auftakt zum Schumann-Fest in seiner Geburtsstadt Zwickau, zu dem auch die Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim einen Beitrag leisten wird.

Oliver Hohlbach

Bild: Peter Awtukowitsch

Das Bild zeigt: Golo (Fritz Feilhaber) bedrängt Genoveva (Maria Gessler) sehr heftig

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