DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR – Erfurt, Theater

von Otto Nicolai (1810-1849), Komisch-Phantastische Oper, Libretto: Salomon Hermann Ritter von Mosenthal nach Shakespeare, UA: 1849 Berlin.
Regie: Waut Koeken, Bühne: Benoit Dugardyn
Dirigent: Samuel Bächli, Philharmonisches Orchester Erfurt und Opernchor des Theaters Erfurt
Solisten: Dario Süß (Falstaff), Mate Solyom-Nagy (Herr Fluth), Sebastian Pilgrim (Herr Reich), Erik Fenton (Fenton), Jörg Rathmann (Junker Spärlich), Ji-Su Park (Dr. Cajus), Marisca Mulder (Frau Fluth), Stefanie Schaefer (Frau Reich), Susanne Langbein (Anna), Nesabravka Leinhoss (Frau Schnell)
Besuchte Aufführung: 7.  März 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
Sir John Falstaff befindet sich in einer Liebes- und Finanzkrise. Um dem abzuhelfen versucht er, sich den beiden wohlhabenden Damen Frau Fluth und Frau Reich zugleich zu nähern. Die Damen erkennen das falsche Spiel und erteilen Falstaff eine Lektion: Falstaff muß sich vor dem eifersüchtigen Herrn Fluth in einem Wäschekorb verstecken und landet in der Themse. Beim zweiten Versuch entkommt er in Frauenkleidung. Ein neuerliches Treffen im nächtlichen Wald endet mit einem gehörnten Falstaff, und die wunderlich maskierten Bürger treiben Schabernack mit ihm.
Aufführung
Frau Reich und Frau Fluth betreiben Luxusboutiquen in einem seelenlosen Einkaufscenter wie es heutzutage oft anzutreffen ist. Das Lokal zum Hosenbande bietet nebenan Speisen und Getränke an, beim Frühstück auf der Aktionsfläche des Lokals vergleichen beide Damen Falstaffs Briefe an sie. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes greift ein, wenn der Handwerker Fenton zu heftig um die Abiturientin Anna wirbt. Falstaff besucht Frau Fluth in ihrer Boutique, muß sich aber vor ihrem wütenden Gatten (der dabei die Boutique verwüstet) in einem Wäschekorb verstecken, der zur Tür hinaus geschoben wird. Am nächsten Morgen fordert Falstaff einige Geschäftsleute zu einem Trinkwettbewerb heraus, den er ohne große Mühe gewinnt. Das Treiben im nächtlichen Wald findet im geschlossenen Einkaufscenter statt, das auf einmal mit zahlreichen Topfpflanzen dekoriert ist. Außerdem sind vor den Geschäften die Rolladen heruntergelassen. In der lustigen maskierten Gesellschaft sind zwischen röhrenden Hirschen und bunten Harlekinen alle möglichen Gestalten vertreten. Falstaff trägt schließlich ein Hirschgeweih auf dem Kopf, Junker Spärlich und Dr. Cajus blamieren sich in bunten Raupenkostümen, während Fenton seinen bunten Käfer Anna bekommt.
Sänger und Orchester
Die Rolle des Falstaff wird meist mit einem Charakterdarsteller besetzt. Das bedeutet, eine Ausstrahlung als alternder Lebemann findet ihre Entsprechung auch in der gesanglichen Leistung. Dario Süß erfüllt diese Anforderungen als deutlich in die Jahre gekommener Spielbaß. Das gurgelnde Pathos unterstreicht die Zwielichtigkeit der Rolle zwischen adeliger Würde und Schäbigkeit. Mate Solyom-Nagy ist als eifersüchtiger Herr Fluth überzeugend mit seinen dramatischen Wutausbrüchen. Ihm gelingen hier deutliche Abstufungen in der Lautstärke, untermalt mit entsprechender Spielfreude. Erik Fenton als Fenton ist ein Operettentenor, der hier einmal voll aufdrehen darf – und laut wird. Marisca Mulder (Frau Fluth) kann als dramatischer Sopran glänzen, auch wenn stimmliche Schärfen manchmal nicht überhörbar sind. Dagegen bietet Stefanie Schaefer als Frau Reich eine vergleichbare Leistung ohne solche Schärfen, während Susanne Langbein (Anna) als jugendlicher heller Sopran Aufmerksamkeit erregt, auch wenn sie manchmal etwas zu leise bleibt. Dem Operetten-Spielbariton Jörg Rathmann als Junker Spärlich gelingen spielfreudige Auftritte, auch die übrigen kleineren Rollen konnten zufriedenstellend besetzt werden. Samuel Bächli lotet die Tiefen einer romantischen deutschen Oper aus und zeigt, daß Romantik und musikalischer Witz hervorragend zusammen passen. Besonders beeindruckend ist die Adaption des Shakespeareschen Sommernachtstraums, wenn Chor, Solisten und Orchester gut aufeinander abgestimmt musizieren und agieren.
Fazit
Das Publikum dankte Protagonisten und Regie ausgiebig für einen harmlosen, bunten Abend, der der Vorlage Shakespeares gerecht wurde – auch wenn der Zeitgeist arg strapaziert wurde. Offensichtlich fühlten sich viele Erfurter bei dem Bühnenbild an eine Einkaufsmeile in ihrer Stadt erinnert, was bei Ortsunkundigen allerdings zu Kopfschütteln führte. Besonders bemerkenswert war die Bewegungschoreographie des Massenauflaufes im nächtlichen Wald, während die Auf- und Abtritte zahlloser Passanten und Besucher im Einkaufscenter in den ersten beiden Akten verwirrend zahlreich sind. Es bleibt zu hoffen, daß die Firma Rotkäppchen-Sekt gut für die Werbung auf der Bühne bezahlt hat.

Oliver Hohlbach

Bild: Lutz Edelhoff
Das Bild zeigt: Das Einheits-Bühnenbild: Ein Einkaufszentrum. Hier haben die Familien Fluth und Reich Ihre Edel-Boutiquen.

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