MONTEZUMA – FALLENDER ADLER – Mannheim, Nationaltheater

von Bernhard Lang (* 1957), Musiktheater für 6 Stimmen, Chor, Jazz-Combo, Turntables, Ensemble und Zuspiel, Libretto nach dem gleichnamigen Text von Christian Loidl, ergänzt, kompiliert und erweitert von Peter Leisch
Regie: Peter Missotten, Bühne: Peter Missotten, Kostüme: Peter Missotten, Licht: Peter Missotten/Bernhard Häusermann, Dramaturgie: Regine Elzenheimer
Dirigent: Walter Nußbaum, Orchester und Chor des Nationaltheater Mannheim, Choreinstudierung: Tilman Michael
Solisten: Cornelia Ptassek (Malintzin), Katrin Wagner (Tlaloc/Malintzins Schatten), Daniel Gloger (Montezuma), Tim Severloh (Damiano/Montezumas Schatten), Ekkehard Abele (Cortéz), Martin Busen (Pinotzin/Cortéz Schatten)
Besuchte Aufführung: 26. März 2010 (Uraufführung)

Kurzinhalt
Die Handlung spielt im 16. Jahrhundert während der Eroberung des Aztekenreiches durch die Spanier. Unter der Führung von Hernán Cortéz werden die goldgierigen Spanier von den Azteken zunächst unterwürfig mit Geschenken begrüßt. Bald stellt sich jedoch heraus, daß Cortéz, den man für den wiedergeborenen Gott Quetzalcoatl hält, nur auf Beute und Zerstörung aus ist. Als Cortéz und der Aztekenfürst Montezuma aufeinandertreffen, bietet der Spanier ihm an, sich damit zu retten, daß er sich in Gold aufwiegen läßt. Montezuma nimmt das Angebot an. Nachdem die Spanier aus seinem brennenden Palast verschwunden sind, opfert Montezuma den zurückgelassenen kranken Mönch Damiano der Sonne. Dem Wahnsinn verfallen, erreichen den Aztekenfürst die Nachrichten von den Massakern an seinem Volk nicht mehr. Am Schluß treffen die Figuren in der Unterwelt, ihrer Identität beraubt, noch einmal aufeinander. Ein Chor aus Schatten singt davon, daß die Bestimmung aller Menschen nur das Verschwinden sein kann.
Aufführung
Das spartanische Bühnenbild der Uraufführungsproduktion bleibt in beinahe sämtlichen Szenen dasselbe: In der Mitte des weitgehend leeren und unverkleideten Guckkastens befindet sich ein viereckiges flaches Wasserbecken. In dessen Mitte wiederum ruht eine Dreiecksplattform, die Montezuma als eine Art Thronbereich dient. Über der Plattform hebt und senkt sich ein glänzender Tunnel aus Jalousien. Später schwebt der Tunnel, nach drei Seiten hin aufgesprengt, bewegungslos über der Bühne. In der Unterwelt ist das Wasserbecken dann nach unten abgesenkt. Gelegentliche Videoprojektionen begleiten das Geschehen. Zu Beginn und am Ende sind auf einer weißen Leinwand Schatten und von Dunkel umgebene Gesichter zu sehen. Während die Spanier allesamt graue Anzüge tragen, sind die Azteken mit bunten Gewändern bekleidet. Montezuma hat eine goldene Rüstung an, die er während des Aufeinandertreffens mit Cortéz Stück für Stück zerpflückt und ihm entgegen wirft.
Sänger und Orchester
Bernhard Langs bunte Musik speist sich aus den unterschiedlichsten Quellen. So vereint sie sowohl Wagnerzitate als auch Jazz und Geräusche. Das souverän agierende Orchester des Nationaltheater Mannheim unter Walter Nußbaums Leitung wird sowohl um eine Jazz-Combo als auch um Schlagwerk und Plattenspieler erweitert. Um eine ausgewogenen Balance zwischen allen Beteiligten zu gewährleisten, wurde das Gesangsensemble elektronisch leicht verstärkt.
Den hervorragenden Leistungen von Cornelia Ptassek (Malintzin), Katrin Wagner(Tlaloc/Malintzins Schatten), Daniel Gloger (Montezuma), Tim Severloh(Damiano/Montezumas Schatten), Ekkehard Abele (Cortéz), und Martin Busen (Pinotzin/Cortéz Schatten) tut das aber keinen Abbruch. Besonders die schier halsbrecherische Countertenorpartie des Montezuma und die für einen Baßbariton geschriebene Partie des Cortéz werden imponierend wiedergegeben. Katrin Wagner und Cornelia Ptassek scheinen die vielen Intervallsprünge und sonstigen Schwierigkeiten der Musik keine Mühe zu bereiten. Sonore Präsenz zeichnet den Chor des Nationaltheater Mannheim vor allem in den tiefen Lagen aus. Insgesamt bringen die Beteiligten die repetitiven Strukturen der Musik wunderbar zur Entfaltung, auch wenn die zahlreichen Wiederholungen sogenannter Samples (kurze Musikausschnitte) besonders im letzten Drittel der rund 150 Minuten dauernden Aufführung ihre anfangs hypnotische Wirkung einzubüßen beginnen.
Fazit
Langs kompositorischer Ansatz, Sänger und Orchester wie eine große Wiederholungsmaschine zu behandeln, die Ausschnitte aus dem Archiv der Musikgeschichte kombiniert, ist in dieser Form originell und zeitgemäß. Dennoch ist diese Aufführung sicherlich nicht jedermanns Sache, weil die Produktion deutlich auf Irritation angelegt ist und sowohl Offenheit als auch viel Geduld seitens des Zuhörers erfordert.

Aron Sayed

Bild: Christian Kleiner
Das Bild zeigt:  Cornelia Ptassek (Malintzin), Martin Busen (Pinotzin/Cortéz Schatten) und Statisterie

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