LA CENERENTOLA – DAS ASCHENBRÖDEL – Paris, Théâtre des Champs-Élysées

von Gioachino Rossini (1792-1868), Dramma giocoso in 2 Akten, Libretto: Jacopo Ferretti nach dem Märchen Cendrillon, UA: 25. Januar 1817, Rom, Teatro Valle
Regie: Irina Brook, Bühne: Noëlle Ginepri, Kostüme: Sylvie Martin-Hyszka, Choreographie: Cécile Bon
Dirigent: Michael Güttler, Concerto Köln, Chor des Théâtre des Champs-Élysées, Choreinstudierung: Stephen Betteridge
Solisten: Antonino Siragusa (Don Ramiro), Stéphane Degout, (Dandini), Pietro Spagnoli (Don Magnifico), Carla Di Censo (Clorinda), Nidia Palacios (Tisbe), Vivica Genaux (Angelina), Ildebrando D’Arcangelo (Alidoro)
Besuchte Aufführung: 30. Januar 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
paris-cenerentola.jpgAschenbrödel Angelina, unterdrückt von ihren Stiefschwestern Clorinda und Tisbe, ist zum Bettler Alidoro gütig und gibt ihm zu essen. Alidoro war ins Haus des Don Magnifico, des Vaters der drei Schwestern, gekommen, um für seinen Herrn, Prinz Don Ramiro, Ausschau nach einer Braut zu halten. Kurze Zeit später werden Don Magnifico und die Töchter zu einem Ball ins Schloß geladen. Diener Dandini, als Prinz verkleidet, kommt mit seinem „Diener“ Don Ramiro in Magnificos Haus. Angelina und Don Ramiro verlieben sich Hals über Kopf. Beim Schloßball, wohin Angelina mit Alidoros Hilfe gelangt, treffen sich Angelina und „Diener“ Ramiro wieder. Beim Abschied schenkt sie ihm einen Armreif. Ein Wagenunfall vor Magnificos führt die beiden erneut zusammen. Doch jetzt erscheinen Dandini und Ramiro als Diener und Prinz. Prinz Ramiro erkennt Angelina an ihrem Armreif und heiratet sie zum Verdruß ihrer beiden Stiefschwestern.
Aufführung
Ein Büffet mit einigen Barhockern, mehrere Tische und Stühle. Über der Bar in Leuchtschrift: Bar Magnifico. Hier arbeitet Angelina mit Kittelkleid und Schürze. Clorinda und Tisbe erscheinen im Freizeit-Look, später in bunten Partykleidern, schöngemacht zum Schloßball. Don Magnifico mit T-Shirt, danach im Anzug mit Hemd und einer riesigen Blume als Krawatte. Don Ramiro betritt die Bar im schlichten Anzug zusammen mit seinem als Graf verkleideten Diener Dandini. Dieser imponiert mit fußlangem Mantel und schulterlangem Haar. Er hantiert dauernd mit einer auffallend großen Sonnenbrille. Schließlich erscheint Alidoro in grauem Mantel.
Ein mit weißen hohen Wänden versehener Raum mit zwei Liegestühlen und einigen Sitzkissen bilden ein geräumiges Zimmer im Schloß. Der einzige Schmuck ist ein riesiger Damenschuh. Durch Änderung des Mobiliars paßt man den Raum an die Szenenfolge an. Der letzte Akt spielt wieder in der Bar. Die Kavaliere des Prinzen treten den Szenen entsprechend in wechselnden bunten Anzügen auf.
Sänger und Orchester
Die Ouvertüre wird schleppend begonnen, gewinnt aber nach und nach an Fahrt. Doch im Opernverlauf wird das Musizieren vorbildlich, besonders in der Begleitung der Stimmen. An keiner Stelle werden die Sänger übertönt, was bei der Rossinianischen Dynamik nicht leicht zu bewerkstelligen ist.
Bei dieser Aufführung verlangt man von allen, einschließlich des Chors, ein hohes Maß an tänzerischer und komödiantischer Einfühlung. Cécile Bon hat ihre Choreographie ausgezeichnet dem feurigen Rhythmus angepaßt. Ildebrando D’Arcangelo (Alidoro) lernt man ihn sowohl als umwerfenden Komödianten, als auch als akrobatischen Tänzer mit gelungener Gesangsleistung kennen. Der als verkleideter Prinz auftretende Stéphane Degout (Dandini) ist ein begnadeter Belcantosänger: seine Koloraturen kommen bei jeder noch so schnellen Passage mit einer solchen Akkuratesse heraus, daß man stets das anscheinend zu rasche Ende bedauert. Im übrigen ist er ein völlig blasierter Geldmensch, der mit den ihn anhimmelnden Magnifico-Töchter eine kesse Sohle aufs Parkett legt, wobei ihm schon das eine oder andere Mal eine der beiden Töchter auf den Boden gleitet. Bei Pietro Spagnoli (Don Magnifico) und seinen Töchtern Carla Di Censo (Clorinda) und Nidia Palacios (Tisbe) weiß man nicht recht, ob das Komödiantische oder das Sängerische mehr zu bewundern ist. Vivica Genaux (Angelina) tut sich anfänglich schwer in der Rolle der Bedienung in der Bar, wächst aber dann in ihre Opernstarrolle hinein, was ihrer eleganten schlanken Erscheinung auch adäquater zu sein scheint. Gipfelpunkt ihrer Gesangsleistung ist das berühmte Rondò finale. Darin zeigte sie ihr ganzes atemberaubendes Belcanto-Können mit treffsicherer Intonation und genauer Beachtung all der rhythmischen Finessen, die Rossini hier anwendet. Sie siegt nicht nur in ihrer Güte gegenüber den miesen Stiefschwestern, denen sie vergibt, sondern auch über die Zuhörer, die ihr frenetischen Beifall zollen.
Fazit
Eine zeitgemäße Wiedergabe dieser neben dem Barbier von Sevilla bekanntesten Rossinioper zeigt nirgendwo die von Rossini so gefürchtete Langeweile. Diese Anpassung, so perfekt sie auch geboten wurde (die Regisseurin erhielt sogar großen Applaus), ist aber nichtsdestoweniger ein bißchen weit weg vom Geist des dem Libretto zugrunde liegenden Märchens Cendrillon.
Dr. Olaf Zenner

Bild: Alvaro Yanez
Das Bild zeigt: v.l.n.r. Don Ramiro mit Brille (Antonino Siragusa), Vivica Genaux (Angelina), Ildebrando D’Arcangelo mit schwarzem Anzug (Alidoro), die Kavaliere des Prinzen im Hintergrund

 

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