Nürnberg, Staatstheater – TANNHÄUSER UND DER SÄNGERKRIEG AUF WARTBURG

von Richard Wagner (1813-1883), Große romantische Oper in drei Aufzügen, Dichtung vom Komponisten, UA: 1861, Pariser Fassung
Regie: Rosamund Gilmore, Bühne: Carl Friedrich Oberle
Dirigent: Christof Prick, Nürnberger Philharmoniker, Ballett, Chor und Extrachor des Staatstheaters Nürnberg, Tanzensemble
Solisten: Guido Jentjens (Landgraf Herrmann), Richard Decker (Tannhäuser), Jochen Kupfer (Wolfram), Martin Nyvall (Walther), Rainer Zaun (Biterolf), Christopher Lincoln (Heinrich), Vladislav Solodyagin (Reinmar), Mardi Byers (Elisabeth), Alexandra Petersamer (Venus), Leah Gordon (Hirt), u.a.
Besuchte Aufführung: 17. Oktober 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
nuernberg-tannhauser.jpgDer Minnesänger Tannhäuser hat lange Zeit im Venusberg, dem legendären Zufluchtsort der Liebesgöttin, zugebracht. Tannhäuser verläßt sie, als er der erotischen Ekstase überdrüssig ist. Seine Rückkehr in die irdische Welt wird von ihrem Fluch begleitet, daß er sein Heil auf Erden nie finden möge. Von seinen Freunden und künstlerischen Konkurrenten wird er überredet, auf die Wartburg zu einem Sängerwettstreit zurückzukehren. Thema des Wettstreits ist das Wesen der Liebe, der Preis ist Elisabeth, die Tannhäuser in Zuneigung ergeben ist. Während seines Beitrags gesteht Tannhäuser jedoch seinen Aufenthalt im Venusberg, und nur Dank des Eintretens Elisabeths darf er sein Leben behalten – unter der Bedingung, nach Rom zu pilgern und für seine Verfehlung beim Papst um Absolution zu bitten. Der aber überantwortet Tannhäuser der ewigen Verdammnis, vor der ihn das selbstlose Opfer Elisabeths rettet.
Aufführung
Rosamund Gilmore läßt die Handlung ist einem rosa ausgestatteten Bordell im Paris des Jahres 1861 beginnen. Hier gibt es keine Erotik, das Schwenken der Federfächer oder die Streckübungen sind eine Verweigerung eines Bacchanals. Ähnliches denkt man über das Kostüm der Venus: es ist zwei Nummern zu klein. Der Venusberg versinkt indem die Wände wegklappen. Aber ein rotes Halstuch der Venus geistert weiterhin als Reminiszenz durch die Inszenierung. Zentrum des Bildes ist ein gekipptes Klavier, das mit dem Versinken des Venusberges wieder aufklappt. Im Sängerkrieg steht es im Weg, es wird eigentlich nur zum Draufstehen verwendet. Im dritten Akt steht nur noch ein zerstörter Rahmen, in dem eine Madonnenstatue hängt. Nachdem Wolfram den seligen Engel Elisabeth angefleht hat, erwacht sie zum Leben und zeigt ein ambivalentes Wesen durch ein Venus-Kleid. Der Pilgerchor darf – nachdem er zwei Akte unsichtbar blieb – im dritten Akt endlich auftreten. Er sieht allerdings eher aus wie eine Wandergruppe katholischer Pfadfinder, die zum Wassertreten ihre Schuhe ausgezogen haben. Von langer mühevoller Wanderung keine Spur. Elisabeth verübt Selbstmord indem sie Dornenkränze an den Handgelenken zum Aufreisen der Pulsadern verwendet. Das Ende erinnert eher an die Dresdener Fassung: Elisabeth erscheint nicht mehr, während der Chor Tannhäusers Erlösung in der Hölle Brand besingt. Allerdings stirbt Tannhäuser nicht, sondern fängt an zu komponieren. Alles nur ein Traum?
Sänger und Orchester
Gelungen das Rollendebüt von Richard Decker in der Titelrolle. Ein strahlender Heldentenor, der manchmal die Stimme sehr zurücknimmt und dabei den Übergang zwischen Brust- und Kopfstimme hörbar variabel gestaltet. Der Publikumsliebling Guido Jentjens (Landgraf) hat diese Rolle schon bei den Bayreuther Festspielen gesungen und meistert die Baßpartie fast ohne Anstrengung. Jochen Kupfer schafft eine beispielhafte Gestaltung der lyrischen Bariton-Rolle des Wolframs. Alexandra Petersamer ist eine Venus mit viel Überzeugungskraft in der Stimme. Sie ist eine Empfehlung im dramatischen Sopran-Fach. Zwar hat Mardi Byers (Elisabeth) keine Probleme mit den extremen Lagen, allerdings reduziert das flatterige Tremolieren den Schönklang – hier erwartet man einen glockenklaren dramatischen Sopran. Einen Überraschungserfolg verbucht Martin Nyall als lyrischer Tenor Wolfram von Eschenbach. Einen ebensolchen Erfolg hat der Baß von Rainer Zaun, der als Bitterolf auch schauspielerisches Potential vorweisen kann.
Die musikalische Leitung lag in den Händen des erfahrenen Wagner-Dirigenten GMD Christof Prick, der einen sehr ausgefeilten, sehr am Schönklang orientierten Wagner dirigierte.
Fazit
Die Hauptdarsteller wurden zu Recht lautstark gefeiert, Mardi Byers und die kleinen Nebenrollen wurden nur freundlich applaudiert. Gleiches passierte dem Regie-Team um Rosamund Gilmore, das mit vielen Handlungsfäden spielt und doch keine stringente Handlung oder logische Schlußfolgerung ermöglicht. Man könnte das als wenig gelungenen Versuch werten, Tannhäuser als Drama des Künstlers Wagner in der seinerzeitigen oder heutigen Gesellschaft zu sehen. Deshalb wirkten einige Regieeinfälle auch sehr aufgesetzt.
Oliver Hohlbach

Bild: Karen Stuke
Das Bild zeigt: Die Jagdgesellschaft findet Tannhäuser in den Resten des Venusberges

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