Rigoletto – München, Theater am Gärtnerplatz

von: Giuseppe Verdi, Oper in drei Akten, Text: Francesco Maria Piave (nach Victor Hugo), UA: 11. März 1851 Venedig, Teatro La Fenice

Regie: Herbert Föttinger, Bühne: Walter Vogelweider, Kostüme: Alfred Mayerhofer, Licht: Michael Heidinger

Dirigent: Anthony Bramall und das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Solisten: Aris Argiris (Rigoletto), Lucian Krasznec (Herzog von Mantua), Jennifer O‘Loughlin (Gilda), Levente Páll (Sparafucile), Anna-Katharina Tonauer (Maddalena), Christoph Seidl (Graf von Monterone), Ann-Katrin Naidu (Giovanna), Ludwig Mittelhammer (Marullo), Gyula Rab (Borsa)

Besuchte Aufführung: 31.Januar 2020 (Premiere)

Kurzinhalt

Rigoletto ist der Hofnarr des Herzogs von Mantua, der als gefährlicher Frauenheld bekannt ist. Auf einem Fest verhöhnt Rigoletto den Grafen Monterone, dessen Tochter vom Herzog geschändet wurde. Monterone verflucht Rigoletto. Schon zuvor hatte der Herzog Rigolettos jungfräulicher Tochter Gilda nachgestellt. Sie wird von der Hofgesellschaft entführt und ihm als Beute übergeben. Als Rigoletto sie am Hof vorfindet, wird er vorgeführt und seine Tochter entehrt. Er engagiert den Mörder Sparafucile, um den Herzog umzubringen. Doch Gilda liebt den Herzog so sehr, daß sie sich für ihn opfert. Als Rigoletto von Sparafucile den Sack mit dem Leichnam erhält, findet er darin seine sterbende Tochter. Damit hat sich der Fluch von Monterone erfüllt.

Aufführung

Auf der Bühne befindet sich ein ausgehöhltes Gebäude, das als Einheitsbühnenbild funktioniert; eine Drehkonstruktion, mit Treppen, Türmen und Fenstern stellt die unterschiedlichen Schauplätze dar. Die graue, granitartige Struktur der Fassade erinnert an ein verlassenes Monument und erzeugt in Kombination mit düsteren Lichteffekten eine schaurig-bedrückende Stimmung. Die Kostüme sind schlicht und zeitlos: die Männer tragen elegante schwarze Anzüge, Gilda ein biederes, schwarzes Kleid mit Punkten. Der Herzog wird in bunten Hemd-und-Hosen-Anzug als eine Art Playboy präsentiert, Rigoletto erscheint als Joker-Imitation aus den Hollywood-Verfilmungen Batman (ein eher horrorartiger Clown, mit rotverschmiert lachendem Gesicht und grünen Haaren). Insgesamt stellt die Inszenierung die Charaktere und deren psychologische Beweggründe in den Vordergrund; Bühne und Kostüme dienen als Schablone für die dramatische Entwicklung der Handlung.

Sänger und Orchester

Das Orchester startet den Abend unter der Leitung von Anthony Bramall in einem langsamen, stetigen Tempo, das sehr viel Raum für dramatische Entfaltung der fanfarenartigen Einwürfe der Bläser zuläßt. Es braucht eine Zeit, bis alle Instrumente sich gefunden haben, dann ist die Dynamik aber den ganzen Abend über überwältigend. Lucian Krasznek (Herzog von Mantua) verfügt über einen metallisch beeindruckenden starken Tenor; im ersten Akt bekommt er die Spitzentöne allerdings noch nicht so recht unter Kontrolle. Die Eingangsarie Questa o quella – Diese oder Jene singt er sehr gehetzt, mit zu geschärfter Intonation, viel zu laut und in den Höhen gepreßt. Schauspielerisch markiert er einen rücksichtslosen Playboy, der Drogen zu sich nimmt und, fast hyperagil, in ständiger Bewegung ist. Seine Glanzarie ist La donna è mobileOh, die Frauen sind unstet, denn hier setzt er auch sein technisches Können so ein, daß er mehr Dynamik zwischen leisen und lauten Tönen produziert, seine Stimme auch mal in eine sotto voce oder auch mezza di voce führt – und erntet dafür zu Recht großen Applaus.

Unglaublich stark ist auch Aris Argiris (Rigoletto) stimmliches und schauspielerisches Können in der Titelrolle. Sein Bariton klingt angenehm grollend in der Tiefe und hat ein warmes Timbre. Eine der vielen Höhepunkten ist das Duett Figlia! Mio padre – Tochter! Mein Vater! in der er seine knarzige, schwere Stimme auch sehr sanft in den Höhen intoniert. Ebenso schafft er es, den Haß und Schmerz seiner Rolle zum auszudrücken, indem er in den Spitzentönen laut und mit fester Intonation nach Rache schreit.

Unter den Männerstimmen stechen auch die Nebenrollen sehr positiv hervor: Christoph Seidl (Monterone) singt mit einem voluminösen, angenehm rauchigen Bariton konzentriert und klar, Levente Páll (Sparafucile) besitzt einen sehr dunklen und ebenfalls klaren Baß, der unheimlich in der Tiefe rollt. Bei den Frauenstimmen bringt Jennifer O’Loghlin (Gilda) mit Abstand die beste Leistung: mit ihrem lyrischen Sopran, den sie leicht und unangestrengt bis zu den allerhöchsten Tönen anschwellen läßt, klingt sie besonders in der Arie Gualtier Maldè engelsgleich und glockenrein. Die Triller und Koloraturen werden von ihr technisch perfekt gebracht, wobei sie sich ans Balkongeländer anlehnt und verträumt in den Himmel schaut. Ebenfalls erwähnenswert ist die Leistung des Männerchores, der während der Entführung von Gilda in der Arie Zitti, zitti, muoviamo a vendettaLangsam, langsam nähern wir uns der Rache die schnellen Läufe rhythmisch genau und die crescendi- und decrescendi-Bögen sehr dynamisch aussingt.

Fazit

Selten erlebt man Aufführungen, bei denen einfach alles stimmt. Gesanglich ist die Aufführung auf höchstem Niveau: das Trio Aris Argiris, Lucian Krasznek und Jennifer O’Loughlin ergänzt sich als wunderbares Team und sorgt für unvergeßliche Momente. Das würdigt auch das Publikum mit tosendem Applaus für die drei Solisten. Dramatisch inszeniert, bewegend gesungen und düster in Szene gesetzt – kurzum: ein Opernbesuch, der sich auf alle Fälle lohnt!

Melanie Joannidis

Bild: Christian POGO Zach

Das Bild zeigt: Aris Argiris (Rigoletto), Herrenchor

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